Bioanteil im Kraftstoff:Tanken ohne Inhaltsangabe

Seit 1. Januar bieten die Tankstellen Kraftstoff mit bis zu fünf Prozent Bioanteil an, ohne diesen in der Regel zu deklarieren. Der ADAC will noch nicht bestätigen, dass der neue Sprit für die Motoren unbedenklich ist.

Von Kerstin Singer und Anna Sprycha

Seit 1. Januar dürfen bei Kraftstoffen in Deutschland bis zu fünf Prozent Bioanteile zugesetzt werden, ohne dass diese an der Zapfsäule deklariert werden müssen. In Polen schreibt das Gesetz seit Jahresbeginn sogar vor, dass alle Kraftstoffe solche Komponenten enthalten.

Bioanteil im Kraftstoff: Wer reinen Biodiesel tankt, muss über extra ausgestatte Motoren verfügen. Für Beimischungen fehlen noch Erfahrungswerte.

Wer reinen Biodiesel tankt, muss über extra ausgestatte Motoren verfügen. Für Beimischungen fehlen noch Erfahrungswerte.

(Foto: Foto: dpa)

Während im Nachbarland allerdings große Verunsicherung wegen der nicht geklärten Folgen für die Fahrzeuge herrscht, blieb es in Deutschland bisher ruhig. Automobilclubs, Mineralölfirmen und Fahrzeughersteller wollen keine Panik verbreiten. Eine Garantie für die allgemeine Verträglichkeit des neuen Sprits mit den Motoren der verschiedenen Fahrzeugtypen kann aber auch hierzulande niemand abgeben.

Schmackhaft wurde dies den Herstellern gemacht, indem Biogas, synthetisches Benzin und Diesel aus fester Biomasse, Bioethanol, Biomethanol und Wasserstoff aus Biomasse von der Mineralölsteuer bis 2008 befreit wurden.

Höhere Produktionskosten

Ob deshalb die Kraftstoffpreise sinken werden, ist fraglich, denn die Mineralölkonzerne machen höhere Produktionskosten bei Biokraftstoffen geltend.

Weil bislang auch noch nicht klar ist, wie die Steuerbefreiung tatsächlich den Unternehmen zugute kommen soll, haben Hersteller wie Aral oder Shell auch noch nicht mit der Beimischung begonnen. "Aber wir planen das bei Diesel noch in diesem Jahr zu tun. Im Moment gibt es noch zu viele offene Fragen", erklärt Rainer Winzenried, Pressesprecher von Shell.

Während in Deutschland jährlich 100.000 Tonnen Biodiesel produziert werden, steckt die Erzeugung von Biozusätzen bei Benzin noch in den Kinderschuhen. Allerdings wird gerade auf dem Gelände der PCK Raffinerie in Schwedt, an der Shell mit 37,5 Prozent beteiligt ist, die größte Bioethanolanlage Deutschlands durch die bayrische Sautergruppe gebaut.

Dort sollen ab Dezember jährlich 64.000 Tonnen Getreide zu Bioalkohol verarbeitet werden, der dann Benzin zugesetzt werden könnte.

Wie sich die neuen Biokraftstoffe auf die Motoren auswirken, ist bislang unklar. Da bei reinem Biodiesel trotz DIN-Norm immer wieder Qualitätsschwankungen auftreten, ist mancher Verbraucher vorsichtig geworden.

Wie ein Lösungsmittel

Da Biodiesel wie ein Lösungsmittel wirkt, kann er Dichtungen angreifen oder Rückstände im Tank auflösen, die dann zu Düsenverstopfungen führen.

Bei Dieselfahrzeugen, die vom Hersteller eine Freigabe für Biodiesel haben, sind bereits geeignete Dichtungen eingebaut. Volkswagen hat zum Beispiel alle Pkw mit Dieselmotoren ab Baujahr 1996 serienmäßig für Biodiesel freigegeben, nicht aber den neuen Golf V.

Verunreinigungen im Biodiesel können außerdem die Einspritzanlage beschädigen, warnt Jochen Hövekenmeier, Pressesprecher des Automobilclubs von Deutschland (AvD).

Bei der Beimischung sei diese Gefahr allerdings geringer, weil diese im Gegensatz zum reinen Biodiesel, der aus den Produktionsanlagen direkt an die Tankstellen geliefert wird, in den Raffinerien geschieht, wo bessere Qualitätskontrollen möglich seien. "Schließlich haben Marken einen Ruf zu verlieren", meint Hövekenmeier.

Keine Erfahrungswerte

Beim ADAC ist man skeptischer. "Es gibt bislang keine Erfahrungen mit Bioanteilen von fünf Prozent. Die deutschen Hersteller haben sich dazu auch noch nicht geäußert", sagt Andrea Gärtner vom ADAC-Technikzentrum in Landsberg.

Noch mehr Relevanz wird der neue Kraftstoff für Autofahrer in Polen haben. Seit Jahresbeginn gilt in dem EU-Beitrittsland ein Kraftstoffgesetz, das noch schärfer ist als in Deutschland, bislang allerdings nicht umgesetzt worden ist. Wahrschau knobelt noch immer an den Ausführungsvorschriften und das das polnische Verfassungsgericht prüft derzeit, ob das Gesetz wegen seines Zwangscharakters überhaupt legal ist. Dadurch verzögert sich derzeit die Einführung der Biokraftstoffe.

Sollte das Gesetz eines Tages aber de facto gelten, werden Kraftstoffe jenseits der Oder sogar nur noch mit Bioanteil verkauft werden dürfen. Bis zu einem Anteil von fünf Prozent müssen sie dann in Polen ebenfalls nicht deklariert werden. An extra ausgezeichneten Zapfsäulen sollen auch Kraftstoffe mit über fünf Prozent verkauft werden können.

Da die Autofahrer im Nachbarland bislang überhaupt keine Erfahrung mit Biodiesel sammeln konnten, ist die Verunsicherung schon vor der Einführung der neuen Kraftstoffe groß.

Kaum Produktionsanlagen für Biodiesel

Hinzu kommt, dass es in Polen bislang kaum Produktionsanlagen für Biodiesel, geschweige denn für andere Biokraftstoffe gibt. "Die Kapazitäten dafür werden gerade erst aufgebaut", sagt Detlef Brandenburg, Pressesprecher von Aral Deutschland.

Der polnische Mineralölkonzern Orlen plant Kraftstoffe mit einem minimalen Biokomponentenzusatz von 0,11 Prozent verkaufen, teilt Pressesprecher Pawel Poreba mit. Kraftstoffe mit über fünf Prozent werde Orlen nicht produzieren, allerdings könne er nicht ausschließen, dass an Tankstellen auch Kraftstoffe mit höherem Bioanteil verkauft werden.

Nicht nur die fehlende Deklarationspflicht, auch die zum Teil skeptische Einschätzung der Fahrzeughersteller verunsichert polnische Autofahrer. Das Tanken von Biokraftstoffen mit über fünf Prozent Biokomponenten ist für Autos von Opel nicht zugelassen und bewirkt den Verlust der Herstellergarantie für Motor und Auspuffsystem, erklärt Robert Skup von General Motors Poland.

Häufiger den Filter wechseln

Im Gegensatz zu Opel begrenzt Renault die Garantie für seine Autos zwar nicht, empfiehlt aber den häufigeren Austausch von Filtern und Motoröl. Bis jetzt mussten Fahrzeuge von Renault nach maximal 80.000 Kilometern zur Inspektion. "Durch die neuen Kraftstoffe wird das bereits nach 20.000 bis 30.000 Kilometern nötig", meint Andrzej Czajkowski von Renault.

Nicht nur der Angstpegel ums Auto, sondern auch die Preise sind in Polen gestiegen. Das liegt unter anderem an der Anhebung der Mineralölsteuer um etwa zwölf Groszy (drei Cent). Sollte das polnische Verfassungsgericht das Biokraftstoffgesetz nicht aufheben, werden die Benzinpreise in Polen erneut steigen. Die Mineralölkonzerne begründen das mit den höheren Produktionskosten. Ab 1. Mai dürfen Biokraftstoffe sogar nur noch aus polnischen Pflanzen hergestellt werden.

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