Benziner mit hohen Partikel-Emissionen:Klein, aber Schwein

Ottomotoren, die dreckiger als Diesel sind: Renault Twingo und Smart Forfour werden bei Autobahnrichttempo zu Rußschleudern. Autoexperten fordern den Partikelfilter auch für Benziner.

Von Joachim Becker

Kleine Stadtflitzer sind umweltfreundlich, so die gängige Meinung. Ein aktueller ADAC EcoTest widerlegt dieses Vorurteil: Bei einer Stichprobenuntersuchung von 15 Benzinern ohne Direkteinspritzung zeigten Renault Twingo und der fast baugleiche Smart Forfour stark erhöhte Partikelemissionen. Auffällig wurden die beiden Miniautos bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h. Vor allem der Renault Twingo SCe 70 Expression bläst alle umweltfreundlichen Vorsätze in den Wind, sobald er zehn Kilometer schneller als im gesetzlichen NEFZ-Zyklus gefahren wird. Mit einer Partikelmasse von 93 Milligramm pro Kilometer im ADAC-Autobahnzyklus lag sein Abgaswert 19-fach über dem Durchschnitt der Vergleichsfahrzeuge (5 mg/km). Der angeblich moderne, 52 kW (71 PS) starke Saugmotor, der nach Euro 6 zugelassen ist, fällt im Praxistest unter die Euro-2-Abgaswerte für Dieselmotoren zurück - also auf ein Niveau vor dem Jahr 1996.

Lange galten die krebserregenden Rußpartikel vor allem als Problem der Selbstzünder. Dunkle Abgasschwaden aus dem Auspuff zeigen, dass die Verbrennung unvollständig (und ungefiltert) abläuft. Schwarzrauch entsteht meist beim Beschleunigen, wenn der Kraftstoffüberschuss nicht gleichmäßig im Zylinder verteilt wird. Relativ große Kraftstofftröpfchen lassen einen Rest von unverbranntem Kohlenstoff zurück, der aus dem Auspuff qualmt.

Downsizing-Motoren sollen weniger verbrauchen, besser für die Umwelt sind sie nicht

Das Umweltbundesamt warnt, dass die Feinstaubbelastung in Deutschland immer noch zu hoch ist. An zehn Prozent der verkehrsnahen Luftmessstationen wurde 2014 der zulässige Tagesmittelwert von 50 Mikrogramm PM10 pro Kubikmeter an mehr als 35 Tagen überschritten. Legt man das strengere Limit der Weltgesundheitsorganisation zugrunde (20 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel), hätten 48 Prozent aller Messstationen in Deutschland den Grenzwert überschritten, so der Luftqualitätsreport 2014.

Seit Einführung des Dieselpartikelfilters sind die meisten Selbstzünder im Alltag relativ staubarm. Negativ fallen moderne Benziner auf, die über kein Rußsieb verfügen. "In einer Übergangsphase bis 2017 dürfen Benzindirekteinspritzer zehnmal so viele Partikel ausstoßen wie Diesel. Wir legen an beide die gleichen Maßstäbe an", erklärt Reinhard Kolke, Leiter des ADAC-Technik Zentrums. Auch die Deutsche Umwelthilfe ist den schmutzigen Benzinern auf der Spur, in wenigen Wochen will sie neue Testergebnisse veröffentlichen: "Wir haben Ende 2014 eine Gruppe von Fahrzeugen mit einem mobilen Messgerät geprüft. Vom Kleinwagen bis zur Mittelklasselimousine mussten wir bei den Benzinern drastisch erhöhte Partikelanzahlemissionen feststellen. Besonders kritisch sind die ultrafeinen Staubteilchen, weil sie in die Lunge und durch die Schleimhäute ins Gehirn gelangen können", sagt der internationale Verkehrsexperte Axel Friedrich, der die Versuchsreihe geleitet hat.

Haben die Benziner jetzt den schwarzen Peter? Fakt ist, dass sie mit ihrem Ruß-Husten im bisherigen Normzyklus nicht auffallen. Von 2017 an soll der NEFZ sukzessive durch den neuen WLTC (Worldwide harmonized Light vehicles Test Cycle) ersetzt werden. Allerdings werden die neuen, deutlich verschärften Prüfungsbedingungen zunächst nur zur Ermittlung der CO₂-Werte herangezogen. Die dreckigen Benziner genießen also noch eine längere Schonfrist. Abhilfe würde ein einfacher Partikelfilter schaffen, der heute als Standardprodukt weniger als 100 Euro kostet. Doch nur ganz vereinzelt werden die Rußsiebe bei Ottomotoren eingesetzt. Lediglich der Mercedes S500 mit Achtzylinderbenziner verfügt hierzulande serienmäßig über ein solches System, das die Abgase auch bei Autobahntempo zuverlässig entstaubt. Beim Smart Forfour 1.0 verzichteten die Daimler-Entwickler dagegen aus Kosten- und Platzgründen auf dieses Anti-Raucherpaket. Stattdessen versuchten sie, die Abgasproblematik mit einem Kühlluftschlitz hinten links am Fahrzeugheck zu entschärfen. Außerdem trägt eine eigene Applikation des Motorsteuergeräts dazu bei, dass der Smart mit einer Partikelmasse von 37 mg/km im ADAC EcoTest nur siebenfach über dem Durchschnitt liegt.

Aufgrund ihrer hohen Partikelemissionen erhalten Twingo und Forfour nur drei von fünf Sternen im ADAC EcoTest. Der Autoclub prüft derzeit, ob er die Partikelmessung generell in den EcoTest aufnimmt, um weitere Ausreißer aufzuspüren. Das schlechte Abschneiden der beiden Kleinstwagen deutet auf grundsätzliche Probleme des Heckmotorkonzepts hin. Anders als bei fast allen Wettbewerbern liegt sein Antrieb unter dem Kofferraumboden. Um Platz zu sparen, baut der gemeinsam genutzte Renault-Dreizylinder mit einem Liter Hubraum besonders niedrig. Die unkonventionelle Unterbringung hat Vorteile wie einen kleineren Wendekreis und mehr Platz im Innenraum als vergleichbare Wettbewerber. Bezahlt werden solche Vorzüge durch konstruktive Nachteile wie eine höhere Schwerpunktlage weit hinten im Fahrzeug. Dadurch läuft der Stadtflitzer bei Autobahntempo unruhig und wird extrem anfällig für Seitenwind. Zudem kämpfen Twingo und Smart als moderne Heckschleudern wie der selige VW Käfer mit thermischen Problemen.

Mit den Resultaten des ADAC EcoTest konfrontiert, gibt eine Sprecherin der Renault Deutschland AG zu, dass der Twingo bei Autobahnfahrten recht schnell ans Limit kommt: "Anhand der hier ermittelten CO₂- und CO-Werte ist nachvollziehbar, dass die Strategien zum Schutz von Motor und Katalysator gegriffen haben", so die offizielle Erklärung, "dabei erfolgt zur Begrenzung der Motortemperatur und zur Vermeidung jeglicher Katalysatorschädigungsrisiken eine Anreicherung des Kraftstoff/Luft-Gemischs." Dass dieses "Vollgas"-Anfetten beim Twingo und Smart bereits mit moderaten 130 km/h ohne Steigung passiert, ist kein Ruhmesblatt für den Umweltschutz. Trotzdem kritisiert Renault den Autobahnzyklus als unfair: "Der BAB-130-Test benachteiligt kleinere Fahrzeuge sehr, da sie fast permanent unter Volllast betrieben werden müssen."

Der ADAC Autobahnzyklus dauert allerdings nur rund 13 Minuten lang. Während einer Konstantfahrt wird zweimal stark von 80 auf 130 km/h beschleunigt - so wie bei Überholvorgängen auf der Autobahn üblich. Offensichtlich wurde der Renault-Dreizylinder exakt auf den NEFZ-Zyklus ausgelegt, in dem der Testwagen nur etwa drei Minuten auf maximal 120 km/h beschleunigt. Dass dieses Belastungslimit, das seit 1996 gilt, nicht mehr zeitgemäß ist, weiß auch die Politik: Ab 2017 soll der bisherige Normzyklus durch den neuen WLTC ersetzt werden, der mit Tagfahrlicht und warmem Motor gefahren wird. Zudem wird in der vierten Testphase auf über 130 km/h beschleunigt. Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt mit knapp 47 Kilometer pro Stunde ein Drittel höher als bei der bisherigen gesetzlichen Vorschrift. Zudem ist der neue Zyklus mit 23 statt elf Kilometern mehr als doppelt so lang. Die Motoren werden also heiß gefahren und geraten eher außer Puste.

Auch der neue Prüfzyklus lässt sich von der Motorelektronik per Schonprogramm austricksen

"Alle neuen Anforderungen zusammen sorgen für eine größere Realitätsnähe", sagt Pascal Mast, Leiter des TÜV Süd Abgas-Labornetzwerks. Eine neue Testreihe des Prüfinstituts demonstriert, dass die meisten Autos im WLTC bei vielen Schadstoffen schlechter abschneiden als im NEFZ. Trotz des höheren Lastprofils kränkeln aber nicht alle neuen Benziner an denselben Symptomen: "Ein aktuell gemessener Mercedes C180 CGI (EU5) mit Sechsganghandschaltung zeigt im Falle der Partikelmasse keine signifikante Veränderung zwischen NEFZ und WLTC. Er bleibt in beiden Zyklen deutlich unter dem Grenzwert von 4,5 mg/km", so Mast. Die Kunst der Motorenentwickler wird künftig also noch mehr als heute darin bestehen, nicht nur die CO₂-Anforderungen im neuen Prüfzyklus zu erfüllen, sondern dabei auch die Schadstoffe im Blick zu behalten.

Die europaweite Verbraucherschutzorganisation Transport&Envirement warnt allerdings, dass auch der WLTC nicht die gewünschte Transparenz bringt: "Wir befürchten, dass Benzindirekteinspritzer die strengeren Limits ab 2017 nur im gesetzlichen Testzyklus, nicht aber in der Praxis einhalten werden." Die Skepsis ist berechtigt: Als Mini-Computer kann eine moderne Motorelektronik auch den neuen Prüfzyklus erkennen - und auf ein emissionsarmes Schonprogramm umschalten.

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