Behinderte hinterm Steuer:Autofahren ohne Handicap

Die Kunden von Roland Arnold sind Rollstuhlfahrer, die durch Unfälle oder Krankheit einen großen Teil ihrer Bewegungsfreiheit verloren haben.

Arnold, Inhaber des Herstellers Paravan, macht die Behinderten wieder mobil. Das Unternehmen mit Sitz im baden-württembergischen Pfronstetten (Kreis Reutlingen) konstruiert und baut behindertengerechte Autos.

Behinderte hinterm Steuer: Hier wird ein Hecklift für einen Rollstuhl an ein Auto montiert.

Hier wird ein Hecklift für einen Rollstuhl an ein Auto montiert.

(Foto: Foto: dpa)

Vor rund neun Jahren ist der Tüftler am Rand der Schwäbischen Alb durch ein persönliches Erlebnis zu seiner Geschäftsidee gekommen. "Auf einem Parkplatz habe ich einer Frau geholfen, deren Mann beim Heben aus dem Rollstuhl ins Auto neben den Sitz gefallen ist. Da habe ich selber erlebt, welche Probleme das bringen kann", erzählt der 40-Jährige von seinen Anfängen im Jahr 1997. Inzwischen ist aus dem Ein-Mann-Betrieb ein Unternehmen mit rund 80 Mitarbeitern geworden, das Kunden aus allen Teilen Deutschlands hat.

Individualisierung groß geschrieben

"Wir bauen die Autos so, wie es unsere Kunden haben wollen - ganz individuell und genau auf ihre Behinderung abgestimmt. Die Leute müssen sich nicht nach starren Vorgaben richten", berichtet Arnold.

Pkw wie Kleintransporter werden gleichermaßen umgebaut oder speziell für die Behinderten entwickelt. Aus der Idee wurde auch der Name des Unternehmens abgeleitet: Paravan entstand aus den zwei Begriffen Van (Lieferwagen) und Paraplegiker (Paraplegie: doppelseitige Lähmung).

In die Fahrzeuge eingebaut wird unter anderem eine Rampe, damit man ohne Probleme von der Straße in einen Wagen fahren und dann im Fahrzeug an den richtigen Platz hinter dem Lenkrad inklusive Verankerung rollen kann. Gibt es zum Steuern einen Wechsel auf einen normalen Fahrersitz, kann dieser mit einer Fernbedienung in die richtige Position im Wagen gebracht werden. Auch Drehsitze werden eingebaut.

Autofahren ohne Handicap

Herz-Stück Joy-Stick

Herzstück der Tüftelarbeit ist jedoch die speziell entwickelte und TÜV-geprüfte elektronische Lenkung von Paravan. Je nach Grad der Behinderung und damit Kraft- und Koordinationsfähigkeit der Menschen wird das Bedienelement mit einem Joystick, einem extrem leichtgängigen Minilenkrad oder einem so genannten Dreizack zur Fixierung der Hand statt eines herkömmlichen Lenkrads ausgestattet. Das Einlegen der Gänge erfolgt über Knopfdruck. Über den Joystick wird gelenkt sowie Gas gegeben und gebremst.

Als Service für die Kunden ist direkt beim Firmensitz auch ein Übungsgelände angelegt, auf dem das Fahren mit der neuen Technik geübt werden kann. Endgültig den Weg frei für die Straße macht eine angegliederte Fahrschule, in der die komplette theoretische und praktische Fahrprüfung abgelegt werden kann.

Der Umbau der Fahrzeuge dauert zwischen zwei und acht Wochen. Die Kosten für die Umrüstung belaufen sich auf 2000 bis 40.000 Euro.

Rund 500 Autos pro Jahr werden in Pfronstetten umgebaut. Geschäftsführer Arnold plant künftig einen höheren Absatz und auch den europäischen Vertrieb.

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