Batterie-Pionier Karl Kordesch:"In der Not wachen sie auf"

Karl Kordesch fuhr schon im eigenen Hybridmobil, als man in Detroit Elektroautos noch für Teufelszeug hielt. Wir sprachen mit ihm über die US-Autoindustrie, über alternative Antriebe und den Tesla Roadster.

Sebastian Viehmann

Prof. Dr. Karl Kordesch (86) gilt als Mit-Erfinder der Alkaline-Batterie und ist einer der Pioniere der Brennstoffzellentechnik. Der Österreicher entwickelte Brennstoffzellen in Zusammenarbeit mit der U.S. Army, der U.S. Navy und der Nasa. In den 70er Jahren baute Kordesch auf Basis seines eigenen Austin A-40 ein Elektrofahrzeug mit einer Brennstoffzelle mit Wasserstoff. Er rüstete außerdem ein Motorrad mit einem Hydrazin-Ni-Cd-Hybrid aus. 1977 wurde er an die Technische Universität Graz berufen. Zwischen 1988 und 1993 nahm er am Programm der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA teil, um eine Alkaline-Matrix-Brennstoffzelle für das bemannte Raumfahrzeug "Hermes" zu entwickeln. 1997 trat Kordesch der amerikanischen Firma Apollo Energy Systems als Vizepräsident bei - beauftragt mit der Entwicklung von Brennstoffzellen. Er hält bis heute 120 Patente.

Batterie-Pionier Karl Kordesch: Batterie-Pionier: Karl Kordesch

Batterie-Pionier: Karl Kordesch

(Foto: Foto: oh)

sueddeutsche.de: Herr Professor Kordesch, die amerikanischen Autoriesen betteln um Milliardenkredite. Haben Sie Mitleid?

Karl Kordesch: Das alles konnte man ja erwarten. Es gab schon vor 20 Jahren Autoren, die diese Situation prognostiziert haben. Vor zwei Jahren hat sich Edwin Black in seinem Buch "Internal Combustion" mit dem Versagen der amerikanischen Autoindustrie befasst. Es gab auch Manager, die GM verlassen und vorhergesagt haben, dass die Firmen kaputt gehen würden - etwa weil das Management nicht weiß, was die Technologieabteilung eigentlich macht und die Leute einfach Ja sagen, wenn Sie einen Befehl bekommen. Es gab zudem diese hohe Zahl von Rückrufen bei den Autos. Man wundert sich eigentlich nur, dass die Banken die heutige Situation offenbar nicht erwartet hatten.

sueddeutsche.de: Sollte man die Hersteller überhaupt retten, oder ist jetzt die Chance für einen großen Reinigungsprozess innerhalb der Branche?

Kordesch: Das Management wird wahrscheinlich wechseln. Neue Manager sollten eigentlich gelernt haben und in Zukunft bessere Produkte auf den Markt bringen. Die Millionen von Arbeitsplätzen, die auf dem Spiel stehen, müssen ja irgendwie gerettet werden. Dafür bleibt momentan leider nur der Steuerzahler übrig beziehungsweise die Regierung. Hilfe ist notwendig, um einen Prozess aufzuhalten, der noch größere Katastrophen auslösen könnte. Gleichzeitig müssen die Unternehmen effizienter werden und sich der Lage anpassen. Die Frage ist natürlich, was jetzt entwickelt werden soll.

sueddeutsche.de: Was halten Sie für die beste Lösung?

Kordesch: Das wäre ein elektrisches Fahrzeug mit Batterien, die während der Fahrt von einer Brennstoffzelle aufgeladen werden. Bis diese Technik serienreif ist, dürften aber noch rund zehn Jahre ins Land gehen. Die besten Überbrückungen bis dahin sind zum einen rein elektrische Fahrzeuge für den Stadtverkehr sowie Hybridfahrzeuge mit Diesel- oder Benzinmotoren. Dazu kommen noch Plug-in-Hybride. Diese Autos werden den Grundstock bilden für neue Technologien - zum Beispiel für bessere Batterien, die wir momentan noch nicht haben. Solange kann man durchaus einen Hybrid mit Blei-Batterie und Benzinmotor fahren - das habe ich selbst schon 1970 gemacht.

sueddeutsche.de: Viele Hersteller forschen fieberhaft an neuen Batterien. Könnte man heute schon weiter sein, wenn man dem Thema früher mehr Aufmerksamkeit gewidmet hätte?

Kordesch: Zumindest sind die Batterien jahrelang nicht verbessert worden, obwohl es möglich gewesen wäre. Erst in den letzten Jahren haben einige Firmen eingesehen, dass man auch Blei-Batterien verbessern kann. Man hat sich dagegen aus Kostengründen gesperrt, weil jede Verwendung der neuen Methoden vielleicht fünf Cent mehr gekostet hätte. Das ganze Know-how, das in der Forschung steckt, nützt ja wenig, wenn es nicht verbreitet wird. Es ist vielleicht ein positiver Aspekt der gegenwärtigen Notlage, dass die Firmen endlich aufwachen. Man benötigt übrigens auch für jede Form der Brennstoffzelle eine Batterieversorgung, damit sie auf lange Zeit und zuverlässig funktionieren kann.

"In der Not wachen sie auf"

sueddeutsche.de: Sie glauben, dass wir mit den ersten serienreifen Brennstoffzellen-Fahrzeugen erst in zehn Jahren rechnen können. Welche Probleme müssen bis dahin gelöst werden?

Kordesch: Das größte Problem bleibt die Speicherung des Wasserstoffes. Die Lösung mit flüssigem Wasserstoff, wie es verschiedene Autofirmen versucht haben, hat sich nicht bewährt. Wenn das Fahrzeug ein paar Wochen steht, verflüchtigt sich das Gas und der Treibstoff ist weg. Zumindest bei Pkws ist diese Lösung darum nicht praktikabel.

Die zweite Möglichkeit ist die Hochdruckspeicherung von Wasserstoff. Das können Sie mit normalen Stahltanks allerdings gar nicht mehr umsetzen, und die Komprimierung frisst fast die Hälfte der Energie. Es gibt aber auch die Möglichkeit, andere Speichermittel einzusetzen, zum Beispiel Propan oder Methanol, das man in Wasserstoff umwandelt.

Ich persönlich halte Ammoniak für das beste Speichermittel. Es ist ein leicht verflüssigbares Gas, allgemein verfügbar, nicht explosiv und lässt sich bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen unter geringem Druck in gewöhnlichen Stahltanks speichern. Dann ist man weder auf flüssigen Wasserstoff noch auf Hochdrucksysteme angewiesen.

sueddeutsche.de: Was halten Sie von Elektroautos, die schon heute auf dem Markt sind - zum Beispiel dem viel beachteten Tesla Roadster?

Kordesch: Bei der Batterietechnologie hat man dort ein Prinzip verwendet, das eigentlich ein alter Hut, aber sehr erfolgreich ist. Schon die Batterien, die für die Nasa und die Navy in den USA benutzt wurden, hat man mit vielen Parallelzellen gebaut. Statt einer einfachen Serienschaltung von Einzelzellen werden parallele Pakete in Serie geschaltet. Damit kann man Zellumkehrungen einzelner Zellen ausgleichen, und die Batterie wird weniger anfällig. Insgesamt halte ich das System, das Tesla verwendet, für vernünftig, auch wenn man es sicherlich noch verbessern könnte. Der Erfolg eines Elektroautos hängt nun mal immer an der Güte der Batterien.

sueddeutsche.de: Was glauben Sie, wie die automobile Welt in den nächsten fünf bis zehn Jahren aussehen wird?

Kordesch: Das elektrische Fahren, zum Beispiel mit einem Zweitauto für den Stadtverkehr, wird sich ziemlich bald durchsetzen. Dabei kann der Staat durch entsprechende Förderung und Besteuerung eingreifen. Auch der Plug-in-Hybrid wird sich etablieren. Diese Fahrzeuge müssen natürlich billiger gebaut werden - aber nicht durch Herabsetzung der Materialqualität, sondern durch höhere Stückzahlen. Wir brauchen eine geprüfte gute Massenproduktion dieser Autos. Auch alternative Kraftstoffe werden an Bedeutung gewinnen, vor allem Erdgas.

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