Ballonpionier Auguste Piccard:Der Überflieger

Vor 80 Jahren startete Auguste Piccard mit einem Gasballon in die Stratosphäre. Der Forscher war gut vorbereitet, nur wusste er nicht, wann und wo er wieder landen würde.

Stefan Mayr

Er war Schüler von Albert Einstein und Professor der Physik. Er war ein Universalgenie, das sowohl in der Luftfahrt als auch im Tiefseetauchen Geschichte schrieb. Er war ein Abenteurer und sogar Vorbild für den zerstreuten Professor Balduin Bienlein im Comic "Tim und Struppi".

Auguste Piccard

Abgehoben: Mit dieser selbst konstruierten Kugel aus Aluminium stieg Auguste Piccard, an einem Gasballon hängend, in die Stratosphäre empor.

(Foto: Scherl)

Und er war ein mutiger Pionier: Am 27. Mai 1931, vor nunmehr 80 Jahren, flog der Schweizer Auguste Piccard mit seinem Assistenten Paul Kipfer mit einem Gasballon bis in die Stratosphäre. Die Flughöhe wurde nachträglich auf 15.781 Meter berechnet - von dieser Rekordmarke aus waren Piccard und Kipfer die ersten Menschen, die die Erdkrümmung mit eigenen Augen sahen.

Das Himmelfahrtskommando erregte seinerzeit ähnlich großes Aufsehen wie 1969 der Flug zum Mond. Zumal beim Start von einer Augsburger Wiese eine nicht unbedeutende Frage völlig ungeklärt war: Wann und wo würde der Ballon wieder landen?

Auguste Piccard hatte Augsburg wegen idealer Bedingungen zum Startort auserkoren. So konnte in der dortigen Ballonfabrik der 14.000 Kubikmeter große und 800 Kilo schwere Seidenballon zusammengenäht werden; das Farbwerk im benachbarten Gersthofen lieferte das nötige Wasserstoffgas.

Vor allem aber herrschten in Augsburg gleichmäßige Windströmungen und die Stadt war von allen Meeren gleich weit entfernt. Denn: Damals konnte niemand die Windströmungen in 16 Kilometer Höhe einschätzen, und Piccard wollte auf keinen Fall im Wasser landen.

Obwohl 1930 bereits zwei Startversuche wegen widrigen Wetters gescheitert waren, versuchten es Piccard und Kipfer in der Nacht zum 27. Mai 1931 ein weiteres Mal. Die beiden Pioniere kletterten in eine selbst konstruierte Aluminium-Kugel mit 2,10 Metern Durchmesser, in der sich zahlreiche Messinstrumente fanden. Denn Piccard ging es in erster Linie nicht darum, einen neuen Weltrekord aufzustellen, er wollte vielmehr die kosmische und radioaktive Strahlung erforschen.

Schon der Start verlief anders als geplant

Obwohl der Start für vier Uhr morgens geplant war, hatten die Abenteurer reichlich gespanntes Publikum - auch der Bürgermeister und der Polizeidirektor waren da, obendrein jede Menge Reporter.

Druckkugel von Auguste Piccards Höhenflug, 1931

Die Aluminium-Kugel mit 2,10 Metern Durchmesser hatten die Pioniere selbst konstruiert. Im Inneren befanden sich zahlreiche Messinstrumente.

(Foto: Scherl)

Die Münchner Neuesten Nachrichten berichteten bereits am Tag nach dem Start auf der Titelseite unter der Schlagzeile "Piccards Ballon treibt südlich der Alpen". Und "in banger Sorge" schrieb das Blatt: "Ob der kühne Forscher und sein Begleiter überhaupt noch leben, ist zur Stunde völlig ungewiß."

Auguste Piccard hatte damit gerechnet, etwa sieben Stunden nach dem Aufstieg im Schwarzwald zu landen. Doch er hatte sich gewaltig verrechnet, denn: Bereits beim Start kam alles anders als geplant.

Die Münchner Neuesten Nachrichten berichteten: "Um 3.56 Uhr, vier Minuten vor der angesetzten Zeit, schoß der Ballon mit der Kugelgondel (...) mit scharfem Auftrieb in die Höhe."

Nach nur 25 Minuten war das fliegende Labor bereits 15 Kilometer hoch - viel zu schnell. Piccard und Kipfer konnten nur einen Bruchteil ihrer geplanten Messungen vornehmen. Und: Die Kugel erhitzte sich auf "fast unerträgliche 41 Grad Celsius", wie Piccard später berichtete.

Als das Forscherteam am Mittag des 27. Mai 1931 zur Landung ansetzen wollte, wurde es richtig knifflig: Das Gasventil ließ sich nicht öffnen, weil sich die Leine verheddert hatte. Von diesem Moment an war das Leben der beiden in den Händen der Natur.

Harte, aber glückliche Landung

Auguste Piccard neben seinem Ballon, 1931

Lange 17 Stunden nach dem Start in Augsburg landete der Ballon auf dem Gletscher bei Obergurgl in Österreich.

(Foto: Scherl)

Einzig Wind und Temperaturen beeinflussten die Bahn des Ballons, Piccard und Kipfer konnten nur abwarten. Sie wussten: Der Sauerstoff reicht für etwa 20 Stunden, das Essen für zwei Tage. Und sie setzten darauf, dass sich der Ballon nach Sonnenuntergang abkühlen und deshalb sinken wird.

Lange 17 Stunden nach dem Start in Augsburg landete der Ballon schließlich gegen 21 Uhr auf einem Gletscher bei Obergurgl im Tiroler Ötztal - mehr oder weniger sanft auf einem Schneefeld zwischen zwei großen Eisspalten.

Piccard und Kipfer verbrachten die Nacht in ihrer Gondel und konnten erst am nächsten Morgen von einer herbeigeeilten Suchmannschaft geborgen werden. Weil die Forscher unterwegs die Orientierung völlig verloren, hatten, lautete Piccards erste Frage: "Wo sind wir?". Müde, aber unverletzt, berichteten sie ihren Rettern von einer "harten Landung".

Zwei Tage später widmeten die Münchner Neuesten Nachrichten den Abenteurern die komplette Titelseite. "Erfolgreiche Fahrt - glückliche Landung" lautete die fünfspaltige Überschrift. Darunter wurde Piccard als "Held des Tages" geehrt und die Expedition bis ins kleinste rekonstruiert.

Den staunenden Lesern wurde berichtet, dass beim Aufschlagen nur einige Messinstrumente beschädigt und die Kleider der beiden Männer zerrissen worden waren. So wurden die wissenschaftlichen Erkenntnisse schnell zur Nebensache. Immerhin aber hatte Piccard nachgewiesen, dass Menschen in der Stratosphäre überleben können.

Später schraubte Auguste Piccard die Höhen-Bestmarke auf 16.770 Meter, stellte im September 1953 mit 3150 Meter einen Weltrekord im Tiefseetauchen auf und entdeckte Uranium 235. Er starb am 24. März 1962 in Lausanne.

Der Name Piccard aber sollte weiterleben. Denn Jacques, Augustes Sohn, stellte 1960 mit 10.916 Meter Tiefe einen Tauchrekord auf, der bis heute ungebrochen ist. Und Enkel Bertrand schaffte 1999 mit dem Ballon Breitling Orbiter 3 als erster Mensch die Umrundung der Erde ohne Zwischenlandung.

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