AutoTram mit E-Antrieb:Am Rad der Zeit gedreht

Fraunhofer-Ingenieure entwickeln einen Sportwagenantrieb in einer 15-Zoll-Felge und ein Schnellladesystem für Busse mit Hybrid- oder Elektroantrieb.

Klaus C. Koch

Eine Testfahrt sollte es sein. Aber im Frecco 1.0, ursprünglich ein 300 PS starker Artega GT aus Delbrück, der auch in der Elektroversion noch extrem gute Fahreigenschaften hat, dürfen wir nur als Copilot mitfahren. Es gebe da noch Versicherungsfragen, heißt es, die nicht abschließend geklärt seien. Dafür dürfen die Gäste auf der Teststrecke bei Papenburg dann die fast zwanzig Tonnen schwere AutoTram - halb Straßenbahn, halb Omnibus - per Joystick durchs Publikum steuern.

AutoTram des Fraunhofer Instituts mit Elektroantrieb

Fahrversuch: Mit der AutoTram werden unterschiedliche Antriebs- und Ladesystem erprobt.

(Foto: Fraunhofer Institut)

Die Fraunhofer-Gesellschaft feierte den Abschluss eines 48,5 Millionen Euro teuren Programms zur Elektromobilität. Es ist Teil jenes nationalen Entwicklungsplans, für den die Bundesregierung vor zwei Jahren 500 Millionen Euro bereitstellte. Das Umfeld ist hochprofessionell. Kameras sind nicht erlaubt, Fotos und Mobiltelefone verboten.

Der simple Grund: Zum Sirren hochdrehender Elektromotoren gesellt sich das Orgeln der in dunkle Folien gehüllten Mercedes-Erlkönige, die nur ein paar Meter entfernt beweisen müssen, dass sie mit konventionellem Antrieb und bei hoher Geschwindigkeit auch auf regennassen Asphalt nicht ins Schleudern geraten.

Jetzt also der Artega, auch als Frecco (Fraunhofer Electric Concept Car) für Überraschungen gut. Flach wie eine Flunder liegt er auf der Straße. Wo sonst Benzinpumpen, Vergaser und Zündkerzen arbeiten, blinken jetzt Anzeigen des Batterie-Managements, Ladekontrolle und Rechner. Der Frecco 1.0 wird noch über die Hinterachse angetrieben; beim Frecco 2.0 haben die Entwickler noch mehr Platz eingespart und je zwei 55 kW starke Radnabenmotoren direkt in die 15-Zoll-Felgen der Hinterräder eingebaut.

Wenn es sein muss, katapultieren sie den Frecco in weniger als vier Sekunden auf 100 km/h, sagt Matthias Busse, Leiter des Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung in Bremen. Kein Problem also, im unteren Geschwindigkeitsbereich mit einem Porsche 911 oder dem Tesla mitzuhalten. Der Elektromotor entwickelt sein höchstes Drehmoment aus dem Stand, in der Südkurve darf der Reifen dann auch mal qualmen. Auf gerader Strecke regelt der Frecco bei 150 Kilometer pro Stunde brav ab. Sonst hängt er länger an der Ladestation, als die Reden der Institutsleiter dauern.

Von Letzteren tummeln sich an diesem Tag in Papenburg gleich mehrere Dutzend - 33 Institute haben neue Komponenten für E-Fahrzeuge entwickelt. Von revolutionären Konzepten ist die Rede, von völlig neuen Funktionszusammenhängen und Chancen. Beim Frecco 1.0 haben sie noch auf verfügbare Komponenten gesetzt, der Nachfolger 2.0 allerdings ist schon mit einem deutlichen Technologie-Update versehen.

Radnabenmotoren sind zwar nichts wirklich Neues, da sie auch schon seit längerem bei Flurförderfahrzeugen eingesetzt werden. Neu aber ist, dass die Ingenieure die Spulen des Motors nicht mehr gewickelt, sondern aus Aluminium gegossen haben. Der Antrieb wurde dadurch kompakter, und: Der Füllgrad, der bei gewickelten Spulen gerade mal 55 Prozent erreicht, stieg mit dem Aluminiumguss auf 90 Prozent.

Antriebsstrang sitzt in der Felge

Damit gelang es den Ingenieuren, den gesamten Antriebsstrang, Mitteltunnel, Kardanwelle und Getriebe aus dem Auto hinaus in die Felge zu verbannen und dort das Gewicht auf weniger als 40 Kilogramm zu beschränken. Die Tatsache, dass jedes Rad über einen separaten Antrieb verfügt, wäre früher Anlass dafür gewesen, über das Aufkommen unerwünschter Schwingungen zu spekulieren.

Die Fraunhofer-Ingenieure hingegen argumentieren, dass eine Weiterentwicklung des ESP, ein sogenanntes Torque Vectoring, für größere Stabilität und mehr Sicherheit sorgt. Neu ist zudem ein crashsicherer Behälter aus Faserverbundstoff, der den 340 Kilogramm schweren Lithium-Ionen-Akku zuverlässig umschließt. Er soll, so heißt es, einen Aufprall überstehen, der dem Zehnfachen der Erdbeschleunigung entspricht. Weiterer Vorteil: Das Gewicht des Behälters ist im Vergleich zu denen aus Stahl um bis zu 25 Prozent reduziert.

18 Meter lang ist die sogenannte AutoTram, die am Fraunhofer-Institut für Verkehrssysteme und Infrastrukturen als Versuchsplattform für den öffentlichen Nahverkehr dient. Es geht um die Erprobung einer Vielzahl von Komponenten, neue Energiespeicher, Antriebsstränge und die Systemintegration: Nicht zuletzt auch die Frage, ob die Neuentwicklungen überhaupt im Zusammenspiel funktionieren.

In Modellversuchen fangen zum Beispiel Superkondensatoren (Supercaps) schon seit einiger Zeit Spitzen im Strombedarf von Straßenbahnen auf. Mit der AutoTram wird ein Schnellladesystem getestet, das dieses System auch auf Autobusse mit Hybrid- oder Elektroantrieb Anwendung finden ließe.

20 bis 30 Sekunden, nicht viel länger, als die Fahrgäste zum Ein- und Aussteigen brauchen, würde es per Hochleistungswandler nur dauern, um Energiemengen von 1000 Ampere und 700 Volt zu übertragen. Das reicht dann bis zur nächsten Haltestelle. Und wenn nicht, ist für Notfälle immer noch ein Dieselmotor an Bord.

Faszinierend ist auch die magnetorheologische Kupplung, die zwischen Motor und Generator gekoppelt werden kann. Sie enthält eine ölige Flüssigkeit mit leitfähigen Partikeln, die sich schlagartig verfestigen, wenn ein Magnetfeld angelegt wird. Damit lassen sich Verbraucher und Generatoren innerhalb von Mikrosekunden an- und abschalten, im Leerlauf liegt der Energieverbrauch nahezu bei null.

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