Autoteilen im Test:Unverhofft kommt oft

Autoteilen im Test: Privates Carsharing: günstiger zwar, aber auch weniger Komfort

Privates Carsharing: günstiger zwar, aber auch weniger Komfort

(Foto: iStockphoto)

Privates Carsharing ist wohl zur Zeit die billigste Art und Weise Auto zu fahren. Wenn ein paar Kratzer, lockere Türgriffe und ein wenig Schmutz nicht stören. Kann das mit Mietautos mithalten? Ein Erfahrungsbericht.

Von Steve Przybilla

Die quietschende Fensterkurbel stört mich nicht. Auch nicht die fehlende Klimaanlage. Erst kurz nach dem Einsteigen, als der Zündschlüssel schon steckt, muss ich zum ersten Mal schmunzeln: ein Radio mit Kassettendeck! Selbst mein Opa fährt seit Kurzem einen Kleinwagen, in dem ein MP3-fähiger CD-Player surrt. "Mach nur nicht am Griff die Tür zu", warnt mich Claudia, als ich genau das gerade tun will. "Dann fällt er nämlich ab."

Nein, ich befinde mich nicht auf dem Schrottplatz. Das zu behaupten, wäre gemein. Immerhin springt Claudias zwölf Jahre altes Auto ohne zu zögern an, als ich es in ihrem Carport abhole. Claudia ist keine Angestellte einer Mietwagenfirma, sondern eine ganz normale Autobesitzerin. Sie hat sich in einem Internetportal für privates Carsharing angemeldet. Wer zufällig in ihrer Stadt ein Auto braucht, kann es über die Seite reservieren. Das geht ganz einfach, ohne Codekarte, Jahresgebühr und Kilometergeld, wie bei den kommerziellen Carsharing-Anbietern üblich. Stattdessen bekommt man ein vollgetanktes Auto und gibt es auch so wieder zurück. Fast wie bei einem Mietwagen, aber eben nur fast.

Bei Sauberkeit kreuzt sie "Mittel" an

Was für ein Schnäppchen! Für 70 Euro kann ich mit Claudias Kleinwagen vier Tage lang tun und lassen, was ich will. Die günstigsten Mietwagen wären 15 Euro teurer gewesen. Während die allerdings schon mit 20.000 Kilometern zum alten Eisen gehören, hat Claudias Auto beinahe das Fünffache auf dem Tacho. Sorgfältig notiert Claudia die bestehenden Mängel auf dem Übergabe-Protokoll: ein paar Kratzer, die Kühlwasser-Warnlampe, der besagte Türgriff. Bei "Sauberkeit" kreuzt sie "Mittel" an. Ich schaue auf die krümeligen Fußmatten und die Pfotenabdrücke auf der Windschutzscheibe - nun ja, alles relativ.

Wenigstens funktioniert das Radio tadellos. Am darauffolgenden Abend ist ein Ausflug in die nächstgelegene Stadt geplant. 20 Kilometer Landstraße, nichts Besonderes. Wenn doch nur die Fahrbahn zu sehen wäre! Wie Kerzen flackern die matten Glühbirnen auf dem dunklen Asphalt. Dann setzt auch noch kalter Nieselregen ein, die Scheibe beschlägt. Reflexartig suche ich nach dem Knopf für die Klimaanlage - den es hier gar nicht gibt. In meinem Hinterkopf meldet sich eine leise Stimme: Wären die 15 Euro, die der Mietwagen mehr gekostet hätte, vielleicht doch eine sinnvolle Investition gewesen?

Branchenriesen warnen vor Unfällen mit Amateur-Autos

Es sind Kleinigkeiten wie diese, die etablierte Firmen zu nutzen wissen. Längst trommeln die Branchenriesen gegen privates Carsharing, warnen vor Unfällen mit schlecht gewarteten Amateur-Autos. Sogar eine Klage hat der Bundesverband der Autovermieter (BAV) eingereicht, weil Portale wie Autonetzer oder Tamyca angeblich unlauteren Wettbewerb betreiben. Ganz zu schweigen von den Einnahmen, die die privaten Autobesitzer nicht so gerne versteuern - behaupten zumindest die Platzhirsche.

Mit welchen Steuertricks sie selbst arbeiten, verraten sie freilich nicht. Und trotzdem: Aus reiner Nächstenliebe existieren auch Carsharing-Portale nicht. Von den 70 Euro, die ich bezahlt habe, bleiben Claudia weniger als 60 Euro. 15 Prozent Provision gehen pauschal an den Vermittler, der das Auto dafür während der Vermietung versichert.

Das Auto hat sich selbst geheilt

Eine halbe Stunde später: Die Kerzen haben ihren Dienst getan, ich habe weder ein Reh noch ein entgegenkommendes Auto gerammt. Zeit, dem Auto und mir eine Verschnaufpause zu gönnen. Natürlich verfügt das zwölf Jahre alte Modell weder über Sensoren noch sonstige Einparkhilfen. Dafür ist es klein und wendig, geradezu prädestiniert für ein Parkhaus.

Doch wieder habe ich eine Kleinigkeit vergessen. Bevor ich ein Ticket ziehen kann, muss gekurbelt werden. Es quietscht und ätzt - und geht furchtbar langsam. Ehe das Fenster halb unten ist, hupen schon die Ersten. In der Parklücke angekommen, will ich nur noch raus. Ein Fehler: Natürlich mache ich die Tür am Türgriff auf, der sofort aus der Halterung springt und unter das nächste Auto kullert. Als ich ihn endlich gefunden und die vier Türen von Hand zugeschlossen habe, bin ich durchgeschwitzt.

Nicht einmal die Tankanzeige kontrolliert sie

Vier Tage später treffe ich Claudia wieder. "Alles gut?", fragt sie und nimmt die Papiere lächelnd entgegen. "Ja", sage ich, "das Auto hat sich sogar selbst geheilt. Die Kühlwasserlampe blinkt nicht mehr." Den Türgriff erwähne ich nur kurz. Besonders dafür zu interessieren scheint sich Claudia aber nicht. Ein kurzes Nicken, dann verschwindet sie wieder in ihrem Haus. Nicht mal die Tankanzeige hat sie kontrolliert. Für mich ist das ungewohnt. Ich kannte bisher nur die Mitarbeiter der Mietwagen-Firmen, die nach jeder Rückgabe mit Argusaugen um den Wagen schleichen, um jede noch so kleine Beule zu finden. Hier nicht. Hier schaut Claudia aus dem Fenster und winkt noch einmal, als ich davontrotte.

Würde ich es wieder machen? Ja und nein. Für kurze Städtetrips spricht wohl nichts gegen das private Carsharing - zumal das Angebot nicht nur Rostlauben, sondern auch schicke Cabrios oder auch mal robuste SUVs umfasst. Auf längeren Reisen aber kann ich auf den Genuss von leuchtenden Warnlampen, abfallenden Türgriffen und beschlagenen Fenstern getrost verzichten. Klar, passieren kann immer etwas. Auch einen Leihwagen habe ich mal mit einem Nagel im Reifen übernommen. Aber das ist wieder eine ganze andere Geschichte.

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