Autoshow in Detroit:China profitiert von der Autokrise in Europa

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Concept-Fahrzeug von Volvo bei der Automesse in Detroit: Die chinesische Firma Geely hat den schwedischen Autobauer im Jahr 2010 übernommen.

(Foto: Stan Honda/AFP)

Erst retteten die Chinesen kleine Zulieferfirmen, die Geld brauchten. Dann kauften sie große Marken wie Volvo oder Saab. Bald ist wohl Peugeot an der Reihe.

Von Thomas Fromm und Kathrin Werner, München/Detroit

Es soll nach Schweden aussehen, nicht nach China. Deswegen gibt es auf dem Volvo-Stand bei der Automesse in Detroit viel Naturholz, helle Teppiche, schlichtes Design, Bilder von schwedischen Seen. Skandinavische Fjorde statt Jangtse. Auch Håkan Samuelsson, der Volvo-Car-Chef, ist Schwede. Er spricht englisch, schwedisch, deutsch. Selbst die Volvos sehen eigentlich aus wie Volvos. Und doch: Die große, alte schwedische Automarke ging schon 2010 an Geely, den Autobauer aus Hangzhou im Osten Chinas.

Seitdem hat Samuelsson, der früher mal MAN-Chef gewesen ist, einen der schwierigsten Job in der Autobranche. Er kam zu einer Zeit zu Volvo, in der es nur noch eine Richtung gab: abwärts. Absatzeinbrüche, Verluste, hoher Management-Verschleiß. "Na ja, andere haben auch schwere Jobs", sagt Samuelsson. Lakonisch, nüchtern, wie es halt so die Art des Schweden ist.

Nach Detroit kommt Samuelsson nun als Sieger. Sein Hersteller hat 2013 wieder schwarze Zahlen geschrieben, auch wenn das Unternehmen von seinem Ziel, bis 2020 rund 800.000 Autos im Jahr zu verkaufen, noch ganz schön weit entfernt ist. 2013 waren es 427.000, immerhin. "Ich bin ziemlich gut gelaunt", sagt Samuelsson, der Schweden-Chinese. Denn ohne China, glaubt er, hätte Volvo "ein Riesenproblem". Allein der Absatz dort: plus 46 Prozent.

Schwedische Filter für chinesischen Smog

"Wir haben einen speziellen Zugang zum chinesischen Markt, das bietet Geely an." Es gibt in China sogar Werbeplakate, erzählt Samuelsson, mit dem Slogan: "Erleben Sie die nordische Luftqualität im neuen S60!" Das liegt an den schwedischen Filtern, die Volvo in seine Autos baut - in den verdreckten Smog-Hochburgen Chinas kann das ein großes Kaufargument sein.

Die alten Schweden waren nicht die ersten, die unter chinesische Kontrolle kamen, und sie werden auch nicht die letzten sein. Auch der alte Volvo-Rivale Saab, von vielen schon für tot erklärt, soll unter asiatischer Kontrolle wieder auferstehen. Bei großen Namen aus der Zulieferbranche wie Preh, Saargummi, Kiekert, Sellner oder KSM Casting ist Chinesisch längst eine der Hauptsprachen.

Und schon bald könnte PSA Peugeot Citroën, der französische Hersteller legendärer Autos wie 2CV, der Ente, oder DS, seinen chinesischen Partner Dongfeng mit in den Eigentümerkreis holen. Die Rede ist von 20 bis 30 Prozent, die die Chinesen in Paris kaufen könnten. Peugeot-Citroën wäre dann nicht mehr so ganz französisch. Eine Art Peking-Ente, garniert mit Kräutern aus der Provence, sozusagen.

Europa ganz oben auf der Shopping-Liste

Die Chinesen drängen mit voller Wucht auf die Weltmärkte. Ihre meist staatlichen Hersteller haben fast alles: politische Rückendeckung aus Peking, eine Menge Geld, große Ambitionen. Was ihnen für ihre Expansion in der Welt fehlt, finden sie außerhalb ihres Landes: Technisches Know-how und wohlklingende Namen. Nicht zufällig steht Europa ganz oben bei ihnen auf der Shopping-Liste. Die Preise sind im Keller, einige Firmen stehen am Abgrund.

Nicht nur kleine Zuliefer-Unternehmen wissen nicht mehr, wie sie weitermachen sollen, auch große Autobauer und einstige Nationalheiligtümer wie Peugeot sind seit der Euro-Krise chronisch klamm und brauchen Milliarden. Und China hilft. Eine Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) kam jüngst zu dem Ergebnis, dass rund ein Drittel aller chinesischen Autokonzerne Investitionen in Westeuropa planen, mehr als in Asien oder den USA.

Meist läuft es nach dem selben Schema ab: Zuerst beteiligen sich die Chinesen mit kleineren Summen und Anteilen an den Unternehmen, man arbeitet in Joint Ventures zusammen. Man hilft den kleinen Europäern beim großen Sprung auf den asiatischen Markt, so wie im Fall des Bad Neustädter Klimaanlagen-Elektronikspezialisten Preh, der heute zur chinesischen Joyson-Gruppe gehört. In vielen Fällen wird dann irgendwann: geschluckt.

Die Rettung: Geld aus Fernost

Für die Europäer gab es viele Gründe, sich an die Chinesen zu verkaufen. In vielen Fällen wurden die Firmen mit dem Geld aus Fernost vor dem sicheren Aus bewahrt. Und oft lösten die Chinesen Finanzinvestoren ab - Investoren also, die oft nur wenig mit dem Geschäft der Firma am Hut hatten. Denen es nur ums Geld ging.

Bei Herstellern wie Volvo oder Peugeot geht es vor allem darum, raus aus dem kriselnden Europa und auf den boomenden chinesischen Markt zu kommen. PSA, die klammen Franzosen, die sich seit jeher ganz auf Europa konzentrieren, haben das bitter nötig: Tausende von Jobs werden in Frankreich gestrichen, Fabriken geschlossen, die Nachfrage fehlt einfach. Zusammen mit Dongfeng soll nun eine weitere Fabrik in China hochgezogen werden. Das ist billiger, als Autos in Europa zu bauen.

Kritiker monieren: Zwar werde auf diese Weise die Marke PSA gerettet, aber wohl kein einziger Arbeitsplatz in Frankreich. Mit anderen Worten: Das Schwergewicht verlagert sich, peu à peu, in Richtung Osten. Aber - verlagert es sich irgendwann auch wieder zurück?

"Fließt technisches Know-how nach China ab?"

Auch bei den schwedischen Kollegen denkt man chinesisch. Aus den Fabriken in China soll auch exportiert werden, sagt Volvo-Chef Samuelsson. Noch sei es schwierig, in Amerika oder Europa Premiumautos made in China zu verkaufen. Davor müsse Volvo noch viel erklären und ins Marketing investieren. "Aber es ist eine wichtige strategische Option", glaubt der Schwede. Hauptsache, erst einmal überleben. China ist für Firmen wie Volvo die große Chance.

Genauso wie für die vielen kleinen und mittelgroßen Zulieferbetriebe, die sich plötzlich mit chinesischen Verhandlungspartnern am Tisch wiederfinden. Wenn sie über ihre Erfahrungen mit Chinesen berichten, klingt das daher meistens sehr positiv. Es fängt mit dem Managementstil an:

Planungen für fünf bis zehn Jahre - ganz anders als in den USA

Chinesen planen für Zeiträume von fünf bis zehn Jahre- anders zum Beispiel als ihre Kollegen aus den USA, bei denen oft nicht über zwei Jahre hinaus gedacht werde. Und: "Chinesische Anteilseigner haben nicht die Art, sich ständig in das tägliche Geschäft einzumischen", lobt etwa Larry Johnson, Chef des auf Tür-Dichtungen spezialisierten Auto-Zulieferers Saargummi, der seit Sommer 2011 zur Chongqing Light Textile Industry Holding gehört. Und vor allem: Es werde unter chinesischer Führung endlich wieder investiert.

In der deutschen Autoindustrie schaut man sich genau an, was in der Szene gerade passiert. BMW-Einkaufsvorstand Klaus Draeger zum Beispiel. "Wir sehen die chinesische Industrie gerade nach deutschen Mittelständlern greifen", sagt er, "und die meisten Firmen fahren sehr gut damit".

Allerdings mache er sich "schon Gedanken": "Fließt da nun technisches Know-how nach China ab?" Möglich, dass das so ist. Aber die Interessen sind klar sortiert: Die einen haben Geld und müssen einen jahrzehntelangen Rückstand aufholen. Die anderen dagegen haben diesen Vorsprung, aber er nützt ihnen oft nicht mehr viel, weil sie kein Geld haben. Irgendwie kommt man dann schon zusammen.

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