Autoreifen:Eine Frage des Profils

Die Optik eines Pneus soll den Wagentyp unterstreichen

(SZ vom 23.06.1999) Rund, schwarz, griffig. Und immer schön den Luftdruck prüfen. Reifen ist Reifen, Hauptsache das Profil stimmt - könnte man meinen, ist aber nicht so. Denn die schwarzen Gummiteile, auf denen die schönen Karossen daherrollen, sind alles andere als die pure Funktionalität, denn auch die Optik gilt.

Als letztes Glied in der Antriebskette kommt dem Reifen die elementare wie profane Aufgabe zu, den Kontakt zum Untergrund so herzustellen, daß Beschleunigungs- wie Bremskräfte möglichst verlustfrei übertragen werden. Neben der Gummimischung ist dies Sache des Profils, also der Anordnung von Klötzen, Rillen und Schnitten auf der Lauffläche. Auch Abriebverhalten, Geräuschentwicklung sowie Fahrverhalten in Kurven und bei Nässe hängen direkt vom Profil ab. Hohe Geschwindigkeiten erfordern größere Klötze und breitere Längsrillen im Profil, was Stabilität und Aquaplaningverhalten verbessert. Niederquerschnittsreifen sorgen für eine gute Kurvenlage. Und im Gelände oder bei Schnee kommt man ohne grobes Profil nicht aus. Soviel zur Funktionalität. Nun zur emotionalen Seite des Gummis. Breite Schlappen auf den GTIs der Landjugend, grobstollige Reifen auf großstädtischen Geländewagen - funktional schwer nachvollziehbar, doch optisch stimmig. Die formale Anmutung des Reifens soll den Typ des Wagens unterstreichen, wobei das Reifendesign die charakteristischen Unterschiede weiter herausarbeitet. Niederquerschnittsreifen lassen sich beispielsweise durch ein vorzugsweise quer orientiertes Profil optisch betonen. Und die Zuverlässigkeit von Winterreifen visualisieren gezackte, scharfe Klotzränder.

Die Annahme, das Reifenprofil sei allein von sicherheits- wie produktionstechnischen Faktoren diktiert, trügt also. Werden die funktionalen Vorgaben erfüllt, so steht der Freiheit des Designers nichts mehr im Wege. "Abgesehen von Rahmenbedingungen wie Abrieb und Aquaplaning hatten wir völlige Gestaltungsfreiheit", so Eckhard Strohschänk über eine Reifenstudie für Michelin, die das Kressbronner Idea Design Team im Jahre 1988 mit zwei französischen Partnerbüros erarbeitete. Hersteller Continental setzt moderne Simulationswerkzeuge ein, die früh über die Eignung eines Profils Aufschluß geben.

Ansonsten wären da noch die Seitenflächen des Reifens. Auf ihnen finden die gesetzlich vorgeschriebenen Produktionsinformationen Platz. "Freiräume bestehen in der Wahl der Typographie, der Markenzeichen und Logos. Freibleibende Flächen können ornamental gestaltet werden", so Reinhard Mundl von Continental. Auch das Idea Design Team nahm sich beim Michelin-Projekt der Seiten an. Dabei ging es um die Schaffung eines firmentypischen Erscheinungsbildes und die Ordnung der sich "chaotisch über die Flanken verteilenden Beschriftung".

Schon bald könnten farbige Elemente auf den Seitenflächen auftauchen, denn die aktuelle Vulkanisiertechnik erlaubt die dauerhafte Einbringung von Farbe. Dazu wird der Ruß in der Gummimischung durch einen pigmentierten Füllstoff auf Siliciumbasis ersetzt, spezielle Polymere verhindern die schleichende Einwanderung von Rußpartikeln in die farbigen Partien.

Auch runderneuerte Reifen können durch Design gewinnen. Das Neubrandenburger Büro Mercur Design von Hagen und Heimo Milbrandt entwickelte für den Darguner Vulkanisierbetrieb Presche ein Reifenprogramm mit neuem Profil, neuer Linienführung und einheitlichem Erscheinungsbild. Diese Symbiose aus Funktion, Form, Ökologie und Ökonomie brachte den Designern den Designpreis Mecklenburg-Vorpommern 1998 ein. Vredestein gar engagierte das namhafte Turiner Studio Giugiaro Design für sein jüngstes Projekt. In zwei Jahren entwickelten die Designer und Techniker den Sportrac für hohe Geschindigkeiten bis 240 km/h. Formal dominieren die kompakten, seitlichen Profilblöcke und natürlich das V-förmige Profil zwischen den beiden tief ausgebildeten Längsrillen. Die Seitenwände schmücken die Namen des Reifentyps, des Herstellers und auch des Designstudios: Schließlich eignet sich die Ausstattung mit einem großen Namen vortrefflich zur Marktpositionierung des Reifens - vorausgesetzt, die von der Gestaltung suggerierte Performance wird auch funktional erfüllt.

Von Armin Scharf

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