Autonomes Fahren:Die Geisterflotte

Sicherer und bequemer sollen Autos sein, die selbständig fahren. Zulieferer wie Conti oder auch der Internetkonzern Google arbeiten an Fahrzeugen, die von Robotern gesteuert werden. Doch wer trägt die Verantwortung, wenn der Wagen selber lenkt?

Von Kristina Läsker

Langsam gleitet der Passat die Straße entlang. Plötzlich taucht links eine Gestalt auf, der Wagen bremst, doch es reicht nicht. Der Fußgänger wird erfasst und fliegt durch die Luft. Wäre dies ein echter Verkehrsunfall, der Angefahrene wäre krankenhausreif. Doch das hier ist nur eine Übung: Die Gestalt ist eine menschengroße Puppe, und das Auto fährt voll automatisiert, gesteuert von einem Roboter. Eigentlich sollte der Wagen vor der Puppe stoppen. Bloß, dass der Computer an diesem Tag wieder zickt und das Auto die Puppe gleich mehrfach über den Haufen fährt. Datensalat.

Was nach Science-Fiction klingt, soll bald Realität werden. Geht es nach den Vorstellungen der Industrie, könnten schon in wenigen Jahren fahrerlose Roboter-Wagen über deutsche Autobahnen heizen.

Davon träumen sie zumindest in Jeversen in der Lüneburger Heide. Gesäumt von gelbem Ginster und Kiefern liegt dort das Testgelände der Continental AG, das Contidrom. Hier schicken sie die Wagen der Zukunft über Teststraßen, dafür hat der Autozulieferer eine klare Vision. Von 2025 an sollen Fahrzeuge voll automatisch fahren können. Ob überholen, bremsen oder ausweichen: All das soll das Roboterauto einmal allein können - ohne dass jemand seine Hände ans Steuer legt.

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Entspannen Sie sich: autonomes Fahren in einem Erprobungsfahrzeug von BMW.

(Foto: STG)

Radar, Laser, Internet

Möglich machen all das Kameras, Radarsensoren, Laserscanner und vernetzte Daten aus dem Internet. "Die grundlegenden Technologien sind vorhanden", sagt Ralf Lenninger, Forschungschef für Automobilelektronik bei Continental. In dem Dax-Konzern arbeiten gut 1300 Entwickler am Traum des fahrerlosen Autos. Das kommt durchaus teuer: Mehr als 100 Millionen Euro wollen die Niedersachsen allein in diesem Jahr in Fahrerassistenz-Systeme und voll automatisiertes Fahren stecken.

Conti kooperiert dafür mit BMW. "Wir sind mitten in der Entwicklung", sagt Lenninger. Auch BMW-Konkurrent Audi arbeitet Schritt für Schritt daran, Fahrer zu unterstützen oder gar überflüssig zu machen, etwa mit einem Spurhalte-Assistenten. Doch nicht nur deutsche Tüftler basteln eifrig am Mobil der Zukunft. Auch die amerikanische Firma Google tut das. In den USA schickt der Internetgigant eigene Testwagen über Highways. Selbst die Serpentinen der Lombard Street in San Francisco sind diese Wagen schon hinab gekurvt. Allein. Auf den Dächern der Testautos rotiert ein Zylinder. Für die Bundesstaaten Nevada und Kalifornien hat Google bereits eine Lizenz erhalten; die Wagen dürfen fahren, solange noch jemand am Steuer sitzt. Auch Audi und Conti haben im Dezember eine solche Lizenz für Nevada ergattert. "Darauf sind wir stolz", sagt Lenninger.

Google lässt sich bei dieser Idee von einem Deutschen helfen: dem Informatiker Sebastian Thrun. Lange hat er als Professor für Künstliche Intelligenz an der Universität Stanford in Kalifornien gelehrt. Jetzt arbeitet der 45-Jährige für Google, zuletzt hat er Street View mit aufgebaut, das umstrittene Bildsystem von Städten. Thrun brennt für die Idee, dass führerlose Autos dabei helfen, Verkehrsunfälle zu vermeiden. Etwa 1,2 Millionen Menschen weltweit sterben jedes Jahr auf der Straße. "Ich kann jetzt etwas tun für alle, die schon gestorben sind", erzählt Thrun gern bei öffentlichen Auftritten. Er selbst habe einen Freund bei einem Unfall verloren, als er 18 war. Schon in fünf Jahren könnten die ersten Wagen serienreif sein, glaubt Thrun.

Neue Laxheit am Steuer?

Doch Google, Conti & Co dürfte es nicht nur darum gehen, mehr Leben zu retten. Sie wollen den Fahrern auch das Autofahren versüßen. "Sie könnten dann gemütlich fernsehen, lesen oder das Leben genießen", schwärmt Conti-Manager Lenninger. Was Hersteller, Zulieferer und Internetfirmen wissen: Sie müssen bei dieser Vision kooperieren. Autos werden nur dann allein fahren können, wenn deren Rechner ständig mit Daten über Verkehr, Baustellen, Wetter und dergleichen gefüttert werden. Und wenn sich die Rechner der Autos vernetzen. Dort sieht auch Google seinen Platz: "Wir haben nicht das Bedürfnis, eine Autofirma aufzumachen", sagt Thrun.

Schon länger bringen solche Hilfssysteme den Fahrern mehr Sicherheit und den Konzernen mehr Geld: etwa das elektronische Stabilitätssystem ESP (Electronic Stability Control). Es verhindert das Schleudern, indem es einzelne Räder gezielt abgebremst. Doch dürfen Autos ohne Fahrer überhaupt auf Deutschlands Straßen? Momentan wäre vieles, was technisch längst geht, wohl verboten. Ein Gesetz aus November 1968 setzt Grenzen. So verbietet das "Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr" die Übernahme durch den Roboter: Laut Artikel 8 muss "jedes sich bewegende Vehikel" einen Fahrer haben. Und dieser "muss sein Fahrzeug beherrschen".

Rechtliche Haftung ist noch ungeklärt

Der ADAC warnt bereits vor einer neuen Laxheit am Steuer: "Der Fahrer muss verantwortlich und aufmerksam bleiben", fordert Reinhard Kolke, Leiter Test und Technik beim ADAC. Er sieht reichlich Bedarf für Gespräche, bevor das voll automatisierte Fahren einmal erlaubt sein könnte. "Die Grundlagen der Haftung sind noch längst nicht geklärt."

Kolkes Sorgen könnten schon bald aktuell werden. Daimler etwa stattet seine neue Luxuslimousine, die S-Klasse, auf Wunsch mit einem Stau-Assistenten aus. Bei Geschwindigkeiten bis zu 60 Kilometern pro Stunde kann der Fahrer bei eingeschaltetem Tempomat die Füße vom Gaspedal und die Hände vom Lenkrad nehmen. Der Wagen macht alles allein: Gas geben, bremsen und lenken. Doch wer trägt eigentlich die Schuld, wenn der Stau-Assistent die S-Klasse auf den Vorderwagen auffahren lässt? Der Fahrer? Der Roboter? Die neuen Geisterautos werden noch so manchen Juristen beschäftigen.

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