Automobilbau von morgen:Konkurrenz von den Nerds

Elektroauto

Eine Million Elektroautos sollen 2020 in Deutschland unterwegs sein.

(Foto: dpa)

Hauptsache, es fährt - oder doch nicht? Motor, Lenkrad und vier Räder reichen nicht mehr. Doch die Autokonzerne denken noch in alten Strukturen. Das könnte sich rächen: Warum die Hersteller womöglich bald von IT-Firmen überrollt werden.

Von Thomas Fromm

Peter Wüstnienhaus ist wahrscheinlich der Kunde, den die Hersteller von Elektroautos vor Augen haben, wenn sie an ihren Idealkunden denken. Er wohnt am Stadtrand von Köln und fährt jeden Tag an die 70 Kilometer - genug also, um überhaupt in ein Auto zu steigen. Und gerade so viel, dass die Batterie auch nach einer Hin- und Rückfahrt am Tag noch reicht. Wüstnienhaus fährt ein Elektroauto, das Twizy heißt, nicht wirklich wie ein normales Auto aussieht und das er nachts in der Garage auflädt. Er ist ein überzeugter Anhänger der Elektromobilität und Leiter eines Projekts, das "IKT für Elektromobilität II" heißt. Klingt umständlich und kompliziert, ist aber eines der großen Technologieförderprojekte des Bundeswirtschaftsministeriums. Ziel: die Förderung der Elektromobilität in Deutschland, besonders in Hinblick auf das Zusammenspiel von Autos und Informationstechnologien.

Und Wüstnienhaus ist skeptisch, sehr skeptisch sogar. Er glaubt, dass die deutschen Autohersteller eines Tages von der ausländischen Konkurrenz überrollt werden könnten. "Deutschland ist heute noch ein Leitmarkt für die Autoindustrie", sagt er. "Aber es kann ihr so gehen wie den alteingesessenen Kameraherstellern vor einigen Jahren: Die wurden von den IT-Unternehmen einfach abgehängt."

Zwei Welten müssen zusammenwachsen

Eine Million Elektroautos will die Bundesregierung bis zum Jahre 2020 auf deutschen Straßen fahren sehen. Ein großes Ziel, derzeit sind es gerade mal knapp 7000. Dass das Millionen-Ziel erreicht wird, bezweifeln viele. Und zwar nicht so sehr, weil es aller Voraussicht nach keine Subventionen für Käufer geben wird. Sondern weil noch einiges passieren muss in der Branche.

Es beginnt damit, dass viele Hersteller Autos nehmen, die sie ohnehin schon im Programm haben und einfach den Benzinmotor gegen Elektroantriebe austauschen. Dass Autobauer etwas komplett Neues entwickeln, geschieht selten bis gar nicht. BMW mit seinem elektrischen Leichtbauauto i3 ist die Ausnahme. Doch auch hier sind Experten wie Wüstnienhaus noch skeptisch. "Der BMW i3 ist sicherlich weiter als alle anderen Elektroautos in Deutschland, aber leider ist er nicht zu Ende gedacht." Was dem i3 fehle, so Wüstnienhaus: Die Möglichkeit, als Stromspeicher Teil eines Energienetzes zu sein. "Genau das wird ein Elektroauto künftig aber sein müssen", sagt er. Seine Analyse: Die klassisch ingenieursgetriebene Welt der Autobauer und die Welt der Energieversorger und der IT-Firmen existierten immer noch getrennt voneinander - dabei müssten sie zusammenwachsen und sich stärker vernetzen.

Zurzeit werden über das IKT-Programm 17 Pilotprojekte mit rund 75 Millionen Euro gefördert; das Gesamtbudget liegt derzeit bei 130 Millionen Euro. Es geht um die Entwicklung von Software, neue Technologien zum Aufladen der großen Autobatterien, um die Frage, wie das Aufladen an verschiedenen Stationen künftig abgerechnet werden soll. Allerdings: Zurzeit ist an den Förderprogrammen kein deutscher Automobilhersteller führend beteiligt. "Man glaubt immer noch, dass es mit einem Motor, einem Lenkrad und vier Rädern im Grunde getan ist", sagt Wüstnienhaus.

Heute Tesla, morgen vielleicht Apple und Google

Die neuen Mitspieler beherrschen das Spiel mit den modernen Informationstechnologien besser als die alten Platzhirsche. Und könnten sie am Ende abhängen. "Die Denke ist immer noch: Hauptsache es fährt. So ist es aber nicht. Heute kann jeder Batteriehersteller ein Auto bauen." Genau das, hoffen die deutschen Autohersteller insgeheim, kann nicht passieren. Denn selbst wenn sich ein traditioneller Akkuhersteller wie das chinesische Unternehmen BYD daran macht, Autos zu fertigen, ist dies noch längst keine Erfolgsgarantie.

Die Konzerne setzen auf den Wert ihrer Marken. Auf den Glanz der großen Namen wie Porsche oder Mercedes. Und sie hoffen, dass das langfristig genügt. Andererseits: Vor einigen Jahren kannte niemand den kalifornischen Elektrowagenhersteller Tesla. Heute gilt der batteriebetriebene Sportwagen Model S in sämtlichen Vorstandsetagen der Autobauer als Vorbild. Als state of the art.

Jetzt will Tesla, anders als die deutschen Hersteller, ein Netz mit eigenen Aufladestationen in die deutschen Landschaften setzen. Bis Ende 2014 soll das Projekt stehen, den Strom gibt es dann gratis. Die Deutschen setzen dagegen auf die Energieversorger - denn Stromtankstellen zählen sie nicht unbedingt zu ihrem Kerngeschäft.

Kein Markt - kein Geschäft

Doch die, die das Netz aufbauen sollen, zögern. Bei so wenigen Elektroautos lohnen sich die hohen Investitionen zurzeit nicht. Zum Beispiel RWE: Vor ein paar Jahren groß gestartet, ist der Energiekonzern in letzter Zeit weniger euphorisch beim Ausbau der öffentlichen Infrastruktur. Auch weil man inzwischen davon ausgeht, dass viele Elektroautofahrer ihre Fahrzeuge zu Hause oder am Arbeitsplatz aufladen. Und dann das Beispiel Siemens: Der Münchner Mischkonzern hat jüngst erklärt, er werde das Geschäft mit Stromtankstellen für Elektroautos aufgeben. Zurzeit fehle schlicht der Markt für so etwas - dieser entwickle sich nicht so schnell wie erhofft.

Möglich ist: dass es in ein paar Jahren genügend Elektroautos gibt. Aber nicht genügend Aufladestationen. "Politisch wäre es am besten, dass wir Baugenehmigungen für neue Garagen oder größere Parkplätze nur noch dann erteilen, wenn ein gewisser Prozentsatz der Parkplätze mit Aufladeboxen für Elektroautos ausgerüstet ist", sagt Wüstnienhaus. Sein Fazit: "Nie waren die etablierten deutschen Autohersteller so angreifbar wie heute."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: