Automesse in Frankfurt:Die IAA bietet ein diffuses Gesamtbild

Felsbrocken in stürmischem Fahrwasser: Die neuen SUVs auf der IAA

5,20 Meter lang und mit Plug-in-Hybridantrieb: So wie den Concept X7 iPerformance stellt sich BMW das Luxus-SUV der (nahen) Zukunft vor.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)
  • Was sind die Trends der IAA 2017? Wirklich zukunftsfähig scheinen weder die Konzepte der Hersteller noch die Ansprüche des Publikums.
  • In Frankfurt präsentiert sich die Elektromobilität in ihrer extremsten und am wenigsten effizienten Form: groß, stark, schwer, teuer.
  • Und die deutschen Hersteller kehren zur Ankündigungskommunikation mit zwölf, 20 oder gar 50 E-Autos bis zum Tag X zurück.

Von Georg Kacher

Die alte Auto-Welt wehrt sich, die neue bemüht sich. Und der Konsument fragt sich, wie es denn um seine persönliche Mobilität in den nächsten Jahren bestellt sein wird. Nach den Tricksereien um den Diesel verunsichert nun der nächste Disruptor in Form des Otto-Partikel-Filters (OPF) den ohnehin volatilen Markt. Droht also nach dem Absturz des Selbstzünders dem Benziner im nächsten Jahr ein ähnliches Schicksal? Werden Motoren ohne OPF und ohne Mild-Hybrid dann zu Ladenhütern wie heute bereits EU-4- und EU-5-Diesel?

Kein Wunder, dass unter diesen Vorzeichen die Nutzen-statt-besitzen-Debatte auf der Autoschau IAA in Frankfurt wieder Fahrt aufnimmt. Denn nur wer das Wiedervermarktungsrisiko an den Hersteller überträgt, kann auch in der nächsten Krise ruhig schlafen. Die Industrie muss nicht nur diese Kröte schlucken, sie muss auch mit den immer renditeschwächeren Verbrennern die neuen alternativen Antriebe subventionieren.

Kooperationen könnten ein wichtiger Synergieschlüssel sein, doch Stolz und die Abneigung gegen alles, was man nicht selbst entwickelt hat, sind unverändert hohe Hürden. BMW und Mercedes waren auf einem guten Weg in Richtung Masterplan, aber seit mehr als zwei Monaten herrscht Funkstille zwischen München und Stuttgart. Selbst aus der Schnelllade-Initiative (mit VW und Ford) ist momentan die Luft raus.

Stattdessen konzentrieren sich die Strategen auf projekt- und komponentenbezogene Deals. Sehr nett ist diesbezüglich das symbolträchtige McLaren-Display vor der BMW-Halle. Warum? Weil die Münchner vor Kurzem endlich die Supersportwagen-Hängepartie auf Basis des neuen McLaren P7 unter Dach und Fach gebracht haben. Das Ergebnis - ein superleichtes Plug-in-Hybrid-Coupé mit von BMW adaptiertem Mittelmotor-V8 - soll 2021 bei ausgewählten Händlern stehen. Auch der klobig-kantige X7 (2018) und der i4 auf Basis des Vision Dynamic Concept (2021) gehen in Serie.

Groß, stark, schwer und teuer

Auf der IAA präsentierte sich die Elektromobilität in ihrer extremsten und am wenigsten effizienten Form: groß, stark, schwer, teuer. Der futuristische geformte Audi Aicon ist länger als der längste A8 und trotzdem nur ein Viersitzer. Hinter dem Audi Elaine verbirgt sich der für 2020 avisierte e-tron Sportback mit 435 PS. Der voll verglaste Symbioz von Renault lebt als kombiniertes Straßen- und Wohnmöbel mit seinem Besitzer unter einem Dach. Die Isabella-Studie von Borgward des früheren Mini-Chefdesigners Anders Warming ist eine Lounge-Welt mit spannenden Materialien. Aus Taiwan kommt der von Zagato unkonventionell eingekleidete Thunder Power EV. Aus Japan stammt der Aspark Owl Supersportler, der in nur zwei Sekunden von 0 auf 100 Kilometer pro Stunde beschleunigen soll. Alle Show-Cars versprechen Hightech-Superlative unter anderem in punkto Batterie, Elektromotor, Leistungselektronik und der Fähigkeit, mehr oder weniger autonom fahren zu können.

Mit der Verfügbarkeit der Steckdosen-Autos ist das aber so eine Sache. Während Nissan vom Leaf demnächst die zweite Generation in Serie bringt und Tesla bereits drei verschiedene Baureihen produziert (beide Marken sind auf der IAA nicht vertreten), tun sich deutsche Hersteller schwer mit der raschen Umsetzung ihrer Konzeptautos. Audi prescht 2018 vor mit dem e-tron im Q5-Format, Mercedes bringt 2019 den elektrifizierten GLC, VW startet 2020 seine I.-D.-Offensive mit dem fünftürigen Schrägheck, BMW legt - neun Jahre nach dem i3 - 2019 mit dem Mini E nach.

Der Paradigmenwechsel vollzieht sich langsam

Dieser Zeitplan mag manchem als Schlafmützerei erscheinen, aber Deutschland hat aktuell noch keine nennenswerte Ladeinfrastruktur, die Batterieentwicklung steht erst am Anfang, die Akzeptanz lässt zu wünschen übrig und die Politik ist mit dem Auswürfeln der Normen noch lange nicht fertig. Weil die Industrie gleichzeitig die Digitalisierung und die stufenweise Erschließung des autonomen Fahrens in den Griff bekommen muss, dürfte sich der Paradigmenwechsel fließend und zunächst eher langsam vollziehen.

Zu den IAA-Hinguckern in der klassischen Freude-durch-Kraft-Kategorie gehören der ultimative Wolf im Schafspelz in Form des entspoilerten Porsche GT3, der mit viel Bling inszenierte Nachfolger des Bentley Continental auf Panamera-Basis, der zum Niederknien schöne Ferrari Portofino, der auf böser Bube geschminkte Jaguar XJ575, der verwirrend benamste Audi A8 55 TFSI und die auf 799 Stück limitierte Sonderserie des 310 PS starken Seat Cupra R.

Die SUVs sind überall

Die größte Neuheiten-Dichte bietet erwartungsgemäß die SUV-Fraktion: Der VW-Konzern schlägt hier mit Seat Arona, Skoda Karoq und VW T-Roc auf breiter Front zu - leider ohne Plug-in-Hybrid-Batterie-Derivate. Gleiches gilt bis auf Weiteres für den Citroën C3 Aircross (ersetzt den Picasso), den Jaguar E-Pace (fast baugleich mit dem vollelektrischen i-Pace), den Opel Grandland (Schwestermodell des Peugeot 3008) und die Kia-Hyundai-Zwillinge Stonic beziehungsweise Kona.

Der Dacia Duster hat das Zeug zur Ikone nach Art des Land Rover Defender oder des Mini, denn die zweite Auflage unterscheidet sich erst auf den dritten Blick vom Vorgänger. Während BMW dem neuen X3 ein gefälligeres Blechkleid übergestreift hat, ist die zwölfte Generation des Toyota Land Cruiser wieder ein klassischer SUV im Schlachtschiff-Look. Der chinesische Hersteller Chery will von 2018 an mit dem Exeed auch in Europa antreten - als günstige No-Name-Marke ohne Dieselaltlasten und nur mit Batterie-elektrischen Antrieb oder Plug-in-Hybrid. Land Rover zeigt den 525 PS starken Discovery SVX, in dem man erstmals per Joystick statt mit Drehsteller den Gang einlegt.

Viele kontroverse oder überraschende Eindrücke

Nicht genug Pfeffer unter der Haube? Dann gibt es da noch den neuen Porsche Cayenne Turbo mit zunächst 550 PS. Und den bislang stärksten Mercedes-Benz-SUV von Brabus aus Bottrop: mit 900 PS, 1500 Newtonmetern und einem Preis von 666 000 Euro. Auflage: zehn Stück. Scheichs und Oligarchen stehen angeblich schon Schlange.

Was bleibt also von dieser IAA? Viele, oft kontroverse oder überraschende Eindrücke. Etwa die Rückkehr der deutschen Hersteller zur Ankündigungskommunikation mit zwölf, 20 oder gar 50 E-Autos bis zum Tag X. Oder der Mangel an Ingenieuren, die wirklich wissen, wie Gesamtfahrzeugentwicklung funktioniert. Die guten werden von Asiaten abgeworben, aus dem Ruhestand zurückgeholt oder mit weitreichenden Verantwortlichkeiten geködert. Die Masse an durchschnittlich bis enttäuschend geformten Concept Cars, aus der Studien wie der Kia Pro'Ceed und der Honda Urban EV wohltuend hervorstechen. Die Bandbreite der Meinungen, Prognosen und technischen Ansätze reicht vom todsicheren Diesel-Comeback über die totale E-Revolution per Feststoffbatterie bis zum absoluten Verbrennerverbot.

Und die Angst vor Quereinsteigern: Was, wenn Apple und Foxconn tatsächlich ein radikal innovatives, autonomes Auto bauen? Was, wenn China seine Goldgrube für ausländische Hersteller dichtmacht? Was, wenn in der neuen digitalen Welt Dritte das große Geld verdienen? Die Entwicklung der Chancen und Risiken ist jedenfalls auf dem besten Weg, sich vom progressiven Balkendiagramm in eine hektische Fieberkurve zu verwandeln.

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