Automesse:Auf der IAA gibt es nicht viel zu feiern

Vor der IAA

Wenigstens das Bobbycar in Audi-Optik fährt elektrisch: Impression von der IAA 2015.

(Foto: dpa)

In Frankfurt werden wieder der heimische Leitmarkt und die Technologieführerschaft Deutschlands beschworen. Doch während wir uns dank Umweltprämie mit Dieseln und Benzinern eindecken, beginnt die Zukunft in China.

Kommentar von Joachim Becker

Der Diesel war mal Technologie-Leuchtturm. Jetzt ist er selbst für die Autokanzlerin nur noch eine "Brückentechnologie". Entsprechend groß ist die Verunsicherung: Wenn kein Wunder geschieht, entscheidet sich zum Jahresende nur noch jeder fünfte private Neuwagenkäufer für den Selbstzünder. Die Hersteller helfen dem Wunder gerne nach. Wer seinen alten Diesel eintauscht, erhält bis zu 10 000 Euro Umweltprämie. Aber gegen was tauschen? Gegen einen Euro-6-Diesel, der mit 90-prozentiger Sicherheit nur im Labor sauber ist? Einer Studie zufolge stoßen neue Selbstzünder im Schnitt noch immer 4,5 Mal mehr Stickoxid aus als vorgegeben.

Dann lieber einen Benziner. Man weiß ja nie, was an Fahrverboten noch alles kommt. Und bitte gleich eines der beliebten SUV- oder Crossover-Modelle mit viel Platz für die ganze Familie. In der Praxis dürfte ein solcher Tausch einen 50 Prozent höheren Spritverbrauch zur Folge haben. Gar nicht zu reden von der gesamten Klimabilanz. Volkswagen will die eingetauschten Altautos unbesehen ihres Alters verschrotten. Bei der Produktion eines Autos fallen aber gut fünf Tonnen CO₂ an. Das sind dann schnell Mal 30 000 Kilometer Strecke, bevor sich ein umweltfreundlicheres Auto überhaupt positiv auf das Klima auswirken kann.

Trotz des Mottos "Zukunft erleben" kann Europas wichtigste Automesse die (Diesel-)Altlasten nicht vergessen machen.

Vielleicht reicht die Umweltprämie ja für eine kurze Happy Hour auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA). Viel zu feiern gibt es nicht nächste Woche in Frankfurt. VW verliert massiv Marktanteile und steuert gegen - koste es, was es wolle. Marktexperte Ferdinand Dudenhöffer erwartet, dass 70 000 bis 100 000 Autos über die Umweltprämie zusätzlich verkauft werden. Besonders umweltfreundlich werden nur wenige sein. Denn die meisten neuen E-Autos auf der IAA sind Studien ohne Preisschild.

2019 könnte es für den Aufbruch zu spät sein

Die Stromer sind mit wenigen Tausend öffentlichen Ladesäulen hierzulande ein Privileg für Zweitwagenfahrer mit privater Lademöglichkeit. Noch marginaler ist die Wasserstoff-Infrastruktur mit knapp 30 Zapfsäulen. Kein Wunder, dass die Kunden mit der Umweltprämie kaum umweltfreundliche Autos kaufen.

In Frankfurt werden trotzdem wieder Volksreden gehalten. Vom Leitmarkt und der Technologieführerschaft. Wohl wissend, dass beides in China stattfindet. Auf der IAA 2019 könnte es für den Aufbruch zu spät sein. Bis dahin hat China mit einer Elektroauto-Quote von acht Prozent längst Fakten geschaffen. Und die Deutschen haben sich dank Umweltprämie mit neuen Dieselstinkern oder durstigen Benzinern eingedeckt.

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