Automatische Kennzeichenerkennung:Wo Ihr Nummernschild erfasst wird

Opel mit Fragezeichen auf dem Nummernschild

Bayern darf weiterhin millionenfach Nummernschilder scannen. Doch auch in anderen Bundesländern werden auf die Art Daten gesammelt.

(Foto: dpa)

Bayern darf weiterhin millionenfach Autonummern erfassen. Das hat ein Gericht bestätigt. Auch andere Bundesländer wenden diese Praxis an - obwohl die Technik fehlerhaft arbeitet und Datenschützer große Bedenken haben.

Von Thomas Harloff

Das Urteil ist eindeutig: Der Freistaat Bayern darf auch weiterhin Millionen Autokennzeichen erfassen und die Daten zur Verbrechensbekämpfung einsetzen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in dritter Instanz entschieden (Az.: BVerwG 6 C 7.13). Zuvor hatte ein in Bayern und Österreich wohnender Informatiker geklagt - mit dem Argument, Autofahrer würden im Freistaat unter einen Generalverdacht gestellt. Das greife deren Persönlichkeitsrechte sowie das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung an.

Laut Gericht liegt jedoch kein Eingriff in die Datenschutzrechte des Klägers vor. Nummernschild und Gerätestandort würden nur dann dauerhaft gespeichert, wenn das Kennzeichen in einer Datenbank erfasst und beispielsweise zur Fahndung ausgeschrieben sei. Dies scheide bei dem Informatiker aus, denn es sei "rechtlich und technisch gesichert, dass die Daten anonym bleiben und sofort spurenlos und ohne die Möglichkeit, einen Personenbezug herzustellen, gelöscht werden", heißt es in der Urteilsbegründung.

Der Kläger nannte das Urteil enttäuschend und kündigte an, mit großer Wahrscheinlichkeit vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.

Bayern wird also weiterhin Millionen Nummernschilder erfassen. Was müssen Autofahrer außerdem über die behördliche Kennzeichenerfassung wissen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

  • Seit wann gibt es den Massenabgleich von Autokennzeichen in Bayern und womit werden sie erfasst?

Der Freistaat Bayern erfasst seit 2006 automatisiert Nummernschilder von Autos mit stationären und mobilen Geräten und scannt dabei monatlich etwa acht Millionen Kennzeichen. Stationäre Geräte sind derzeit auf zwölf Standorte an bayerischen Autobahnen verteilt. Die mobilen Anlagen werden je nach Bedarf und anlassbezogen vom Landeskriminalamt eingesetzt. Vor allem bei Großveranstaltungen, beispielsweise bei Fußballspielen oder dem Münchner Oktoberfest, werden die Kennzeichen von beweglichen Geräten erfasst.

  • Wo außerhalb Bayerns werden Kennzeichendaten gesammelt?

Auch andere Bundesländer überprüfen Autokennzeichen zur Verbrechensbekämpfung. Allerdings gibt es große Unterschiede in der Praxis der Datenerfassung. In Bayern und Baden-Württemberg werden die Nummernschilder vorwiegend verdeckt gescannt. Ähnlich ist es in Brandenburg, wo die Nummernschilder aber nur bei relevanten Gefahren und konkretem Verdacht überwacht werden. Auch in Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Thüringen und im Saarland erfassen die Behörden Autokennzeichen. Dies geschieht aber meist nach einem offenen System. Die mobilen Geräte werden für Autofahrer gut sichtbar aufgestellt und von uniformierten Polizisten bedient, um Transparenz zu schaffen.

Auch in anderen Ländern ist die Erfassung von Kennzeichen gängige Praxis. Vor allem in Großbritannien. In London wird die Technik zum Beispiel eingesetzt, um die Zahlung der Stadtmaut zu kontrollieren. Die dabei erhobenen Daten dürfen jedoch auch zu Zwecken der nationalen Sicherheit genutzt werden. Frankreich will per Kennzeichenerfassung terrorismusbezogene Straftaten verhindern und nutzt die Technik aber auch, um Straftaten organisierter Kriminalität, Autodiebstahl oder Zollvergehen zu verfolgen.

Was halten Datenschützer von diesem Verfahren?

"Ich sehe die bayerische Praxis der Kennzeichenerfassung sehr skeptisch", sagt Thomas Petri, der bayerische Landesbeauftragte für Datenschutz. Petri bemängelt vor allem die Heimlichkeit, mit der in Bayern und Baden-Württemberg die Daten gesammelt werden. Denn Autofahrer würden nicht merken, dass ihre Kennzeichen gescannt werden. "Dadurch könnte der Eindruck entstehen, dass man sich nicht ungestört bewegen kann."

Aus technischer Sicht hält Petri die angewendete Praxis der Kennzeichenscannung jedoch für relativ sicher. "Die automatisierte Löschung läuft aus meiner Sicht sauber", sagt der Datenschutzexperte. Autofahrer könnten sich im Grundsatz darauf verlassen, dass sie anonym weiterfahren können. "Nach jetzigem Stand ist es sicher nicht möglich, in Bayern ausführliche Bewegungsprofile zu erstellen."

  • Wie sieht die Rechtslage aus?

Laut eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 darf "die automatisierte Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen nicht anlasslos erfolgen oder flächendeckend durchgeführt werden". Zudem weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass personenbezogene Daten gemäß § 13 Abs. 7 Satz 1 HSOG grundsätzlich offen zu erheben sind.

Doch das Bundesverfassungsgericht schränkt gleichzeitig ein: "Eine automatisierte Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen zwecks Abgleichs mit dem Fahndungsbestand greift dann, wenn der Abgleich nicht unverzüglich erfolgt und das Kennzeichen nicht ohne weitere Auswertung sofort und spurenlos gelöscht wird, in den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) ein." Anders ausgedrückt: Erfolgt der Datenabgleich unverzüglich und werden erfasste Kennzeichen, die keinen Treffer in einer Fahndungsdatenbank hervorgerufen haben, sofort wieder gelöscht, ist die Erfassung zulässig.

  • Wie funktioniert die Technik der Geräte?

Die stationären Geräte arbeiten mit einer Kamera, die den fließenden Verkehr auf einer Fahrspur von hinten beobachtet. Mit einem nicht sichtbaren Infrarotblitz erfasst sie die Kennzeichen aller durchfahrenden Fahrzeuge und erstellt ein digitales Bild. Mobile Anlagen funktionieren ähnlich, werden aber am Fahrbahnrand aufgestellt.

Aus dem Bild wird mit einer speziellen Software ein Datensatz mit den Buchstaben und Ziffern des Kennzeichens erstellt. Am Fahrbahnrand befindet sich in einem verschlossenen Behälter ein stationärer Rechner, der den Datensatz mit den auf ihm gespeicherten Fahndungsdateien abgleicht. Bei mobilen Geräten befindet sich dieser Rechner in einem am Erfassungsort abgestellten Polizeifahrzeug.

Was passiert, wenn die Geräte fehlerhaft arbeiten?

Kann der Rechner beim Abgleichen des Kennzeichens mit der Fahndungsdatenbank keine Übereinstimmung feststellen, werden die erhobenen Daten automatisch gelöscht. Allerdings meldet das System oft fälschlicherweise einen Treffer. Besonders dann, wenn schwierige Licht- oder Wetterverhältnisse herrschen oder es den Buchstaben O mit der Ziffer Null verwechselt.

Bei acht Millionen erfassten Kennzeichen registrieren die Geräte zwischen 50 000 und 60 000 Übereinstimmungen in den Datenbanken. Schlägt die Anlage Alarm, gleicht ein Polizeibeamter manuell das tatsächliche Bild mit dem Datenbankeintrag ab. Nur 500 bis 600 erfasste Bilder, also nur etwa ein Prozent aller vom System gemeldeten Datenbanktreffer, erweisen sich als richtig. Alle anderen vermeintlichen Treffer muss die Polizei unverzüglich löschen, ohne die Identität des Halters zu ermitteln.

Es gibt noch weitere, nicht technisch bedingte Fehlerquellen. "Neben der Technik sind die Polizisten die zweite Sollbruchstelle", sagt Datenschutzexperte Petri. So könnten in der Fahndungsausschreibung Fehler passieren, etwa ein Zahlendreher im in der Datenbank erfassten Kennzeichen. In Einzelfällen könnten auch verfallene Fahndungen nicht aus der Datenbank gelöscht worden sein.

  • Hat die Kennzeichenerfassung zu Fahndungserfolgen geführt?

Für Joachim Herrmann (CSU) ist die automatisierte Kennzeichenerkennung (AKE) ein wichtiges polizeiliches Einsatzmittel, um Gefahren abzuwehren und Straftaten zu unterbinden. Der bayerische Innenminister beruft sich auf zahlreiche Festnahmen von illegalen Schleusern. Auch Autoschiebereien sollen damit eingedämmt und Drogenkuriere bekämpft werden.

Ein aufsehenerregender, auf der millionenfachen Nummernschilderfassung basierender Fahndungserfolg gelang den Behörden beim mutmaßlichen Autobahnschützen von Würzburg, dem derzeit der Prozess gemacht wird. Monatelang glichen die Ermittler Autokennzeichen mit ihren Datenbanken ab, um schließlich dem nun angeklagten Lkw-Fahrer auf die Spur zu kommen.

  • Werden auch auf Privatgeländen Autokennzeichen erfasst?

Wie Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des NDR ergaben, filmen Kameras Autokennzeichen an Hunderten Orten in Deutschland, besonders in Parkhäusern, Waschanlagen oder an Campingplätzen. An öffentlich zugänglichen Orten werden dabei täglich Tausende Bürger in ihren Privatautos erfasst, ohne es zu merken.

Datenschützer halten diese Praxis für problematisch. Erstens seien Nummernschilder besonders schutzwürdig, da sich damit zahlreiche Daten über den Fahrzeughalter herausfinden ließen. Zweitens liege keine Einwilligung der Autofahrer zur Speicherung ihrer Daten vor. Allerdings haben die Datenschützer in den 16 Bundesländern keine gemeinsame Linie, weshalb die Praxis dieses Datensammelns vorerst eine Grauzone bleibt.

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