Automatikgetriebe der Zukunft:Spagat mit dem Zahnrad

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Die ZF Neungang-Automatik ist für quereingebaute vorne liegende Motoren gedacht.

(Foto: STG)

Flott statt träge, sparsam statt durstig, komfortabel statt ruckelig: Das Automatikgetriebe hat in den vergangenen Jahren große Entwicklungssprünge gemacht. Mehrere Hersteller tüfteln nun bereits an Automaten mit bis zu zehn Fahrstufen.

Von Wolfgang Gomoll und Stefan Grundhoff

Es ist noch gar nicht so lange her, da waren fünf Gänge bei Automatikgetrieben keine Seltenheit. Sogar beim edlen Mercedes SL wurde erst zum Modelljahr 2006 eine Siebengang-Automatik in die Ausstattungsliste aufgenommen. Vorher reichten fünf Fahrstufen. Mittlerweile sind acht bei BMW und Audi quer durch alle Fahrzeugklassen fast die Norm. Die aktuellen Automaten sind sportlich oder komfortabel, inzwischen sogar teilweise effizienter als Handschalter.

Doch nun stehen die ersten Neunganggetriebe vor der Tür. Im Herbst erscheint der Range Rover Evoque mit einem Neunganggetriebe der Firma ZF aus Friedrichshafen. "Wir machen das nicht, um einfach einen Gang mehr zu haben", sagt ZF-Technikvorstand Peter Ottenbruch. Die Neungang-Automatik soll seinem Konzern neue Potenziale erschließen, denn sie ist im Gegensatz zur bekannten Achtgang-Automatik für Autos mit Front-Quer-Antrieb konzipiert. Damit steht dem Automaten bis hinunter zum Kleinwagensegment alles offen.

Runter mit der Drehzahl

Es sind zwei Systeme geplant. Das Modell 9HP28 hat eine Baulänge von 363 Millimetern, wiegt rund 78 Kilogramm und ist ausgelegt für eine Leistung bis 128 Kilowatt und ein Drehmoment bis 280 Newtonmeter. Die zweite Version ist das 9HP48 (Baulänge 367 Millimeter, Gewicht 86 Kilogramm, Leistung bis 185 Kilowatt und 480 Newtonmeter).

"Wir hören ständig: Downspeeding, also Drehzahl runter", berichtet ZF-Entwickler Christoph Hess von ersten Abstimmungsfahrten mit Kunden. Eine große Getriebespreizung macht das Downspeeding möglich und kann den Wagen sparsamer machen. Zum Tragen kommt der Vorteil vor allem im Teillastbereich und damit zwischen 80 und 120 Km/h, dem klassischen Geschwindigkeitsbereich auf US-Highways.

Große Unterschiede in den höheren Gängen

Große Unterschiede im Fahrbetrieb gibt es in den oberen Gängen, die nun länger und somit deutlich sparsamer arbeiten. Nach Herstellerangaben sind in Kombination mit der serienmäßig verbauten Start-Stopp-Automatik bis zu zehn Prozent weniger Verbrauch möglich. Bei einer konstanten Geschwindigkeit von 120 km/h sollen sogar 16 Prozent möglich sein. Der gemäßigte Durst ist nicht der einzige Vorteil. Mit der weiteren Spreizung der Gänge wird auch das Fahrverhalten beziehungsweise das Zusammenspiel zwischen Motor und Getriebe verbessert. Was auch der Fahrdynamik zugutekommt.

Auch andere Autobauer und Getriebehersteller folgen dem Trend zu mehr Fahrstufen. General Motors und Ford entwickeln gemeinsam eine Zehngangautomatik. Mercedes-Benz wird in etwa zwei Jahren eine Neungang-Automatik auf den Markt bringen und Lexus tüftelt an einer Automatik mit zehn Fahrstufen.

Konstrukteure kämpfen gegen das Mehrgewicht

Klar ist aber auch, dass jeder zusätzliche Gang theoretisch mehr Gewicht ins Auto bringt und zusätzlichen Raum beansprucht. Doch die Entwickler steuern dagegen: "Die neue Neungang-Automatik ist 7,5 Kilogramm leichter als die bisherige und nur sechs Millimeter länger als bisher," sagt Land-Rover-Entwickler David Mitchell.

Die Abstimmung zwischen Motor und Getriebe ist bei dieser großen Anzahl von Gängen schwierig. Schließlich muss zu jedem Last- und Beschleunigungsbereich die passende Fahrstufe gefunden werden. Bei Plug-in-Hybriden wird diese Notwendigkeit durch die Unterstützung des E-Motors und dem zusätzlichen Drehmoment noch erhöht.

Eine erste Grenze ist erreicht

Das Resultat ist ein harmonischeres Beschleunigen. Der Zeitgewinn von null auf hundert soll bei etwa einer halben Sekunde liegen. Das kann jeder leicht nachvollziehen, der von einem Fahrrad mit Fünfgang-Schaltung auf eine moderne mit mehr als zwanzig umgestiegen ist. Das Strampeln wird einfach entspannter. Bei Testläufen ist waren die Fahrzeuge mit mehr Fahrstufen etwa eine halbe Sekunde schneller. Auch das Geräusch-Niveau verbessert sich, weil im Teillastbereich die Drehzahl um etwa 500 bis 700 Umdrehungen sinkt.

Mit neun und zehn Gängen ist - vermeintlich - eine erste Grenze erreicht. Experten gehen davon aus, dass die Schritte in Zukunft kleiner ausfallen und die Verbrauchsreduzierungen durch eine Summe von Maßnahmen, wie etwa die Minimierung der Reibung, erreicht werden.

Asiaten setzen auf CVT-Getriebe

Einige asiatische Hersteller setzen unverdrossen auf die stufenlosen CVT-Getriebe, die besonders in Europa wenig Anklang finden. Über ein Kegelrad liegt hier immer nur ein variabler Gang an. Sportliches Fahren ist mit dieser Technik praktisch unmöglich. Künstlich aufheulende Motoren und in Trägheit versetzte Triebwerke stören viele - vor allem europäische - Kunden zusätzlich. Der hohe Effizienzgrad der CVT-Getriebe ist unbestritten, jedoch mit großen Nachteilen gepaart. Das war der Hauptgrund, dass Audi, die bei einigen Frontantriebsmodellen dieses Getriebe erfolglos anboten, die CVT-Automaten streichen.

Bleiben noch Hersteller wie Toyota oder zuletzt Subaru, die beim überarbeiteten Outback sogar auf eine CVT-Automatik umstiegen. An der Trägheit im Fahrbetriebe ändern auch die sieben Fahrstufen nichts, die man beim Subaru Outback 2.0 D Lineatronic künstlich implementiert hat. Manuell kann man über Schaltpaddel am Lenkrad oder eine zweite Schaltgasse die Gänge ansteuern. "Wir haben uns für die stufenlose Lineartronic entschieden, weil der Outback damit sowohl sportlich als auch entspannt zu bewegen ist", erläutert Subaru-Entwickler Yoichi Hori. In Japan gehen die Uhren eben anders.

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