Autoland Indien (4):Tata macht's möglich

Der indische Konzern Tata Motors bringt im Herbst nächsten Jahres ein Auto für 1846 Euro - es wird die billigste Limousine der Welt.

Von Michael Kuntz

Der Zeitplan steht jetzt fest: Der indische Hersteller Tata Motors wird das billigste Auto der Welt im Januar vorstellen. Dann geht es in die Serienproduktion. Vom dritten Quartal an wird es verkauft. Sein Preis: 1846 Euro. Doch auch die Inder können nicht zaubern. Vor drei Monaten sollte das Auto nach Aussage des Konzern-Eigentümers Ratan Tata nur 1636 Euro kosten - also noch einmal zehn Prozent günstiger sein als nach den neuesten Berechnungen.

Tata Indien

Das indische Unternehmen Tata Motors will im Januar das billigste Auto der Welt vorstellen. Im Bild: Tata-Neuwagen in Pune, bewacht von einem Sicherheitsbeamten.

(Foto: Foto: AFP)

Ein Motor mit 600 Kubikzentimetern Hubraum bringt die viertürige Limousine auf eine Höchstgeschwindigkeit von 60 Stundenkilometern. Sie soll in einem Werk in Westbengalen in jährlich 250.000 Exemplaren hergestellt werden. Tata will es durch neuartige Vertriebskonzepte auch Bewohnern in entlegenen ländlichen Gebieten zugänglich machen.

Jährlich sollen 250.000 Exemplare hergestellt werden

In seiner indischen Version wird der Wagen die Vorschriften für die Zulassung in Europa nicht erfüllen. So wird das Niedrigpreis-Auto keine Airbags enthalten, heißt es in der Branche. Es sei jedoch möglich, das von indischen Ingenieuren neu entwickelte Fahrzeug so aufzurüsten, dass ein Export möglich wäre.

Das Billigstauto soll bei der Messe Auto Expo in Neu Delhi vorgestellt werden. Sein Unternehmen liege im Zeitplan, erklärte jetzt Ravi Kant, der Geschäftsführer von Tata Motors. Der Autohersteller ist einer von sieben Bereichen des Konzerns Tata, der 22 Milliarden Dollar umsetzt und dessen Aktien zu zwei Dritteln gemeinnützigen Stiftungen gehören.

Kant kündigt ein Fahrzeug an, "das gut aussieht und das man gern kaufen möchte". Tata will mit dem neuen Kleinauto Geld verdienen, obwohl dessen Preis deutlich unter dem des billigsten Fahrzeugs in Indien liegt. Das ist der Maruti 800 für knapp 3000 Euro aus dem Gemeinschaftsunternehmen Maruti-Udyog, das mehrheitlich zum koreanischen Konzern Suzuki gehört.

Indien ist neben China und Russland der am stärksten wachsende Automarkt der Welt. Der Bedarf ist riesig. Erst acht von tausend Indern besitzen ein Auto. Noch sind Zweiräder mit einem Anteil von 75 Prozent wichtigstes Verkehrsmittel. Der Anblick kompletter Familien auf Motorrollern auch bei Wind und Wetter oder in der Nacht brachte den Unternehmer Ratan Tata, 69, auf die Idee, ein Fahrzeug entwickeln zu lassen, das umgerechnet nur 2000 Dollar kosten soll. Es könnte in Indien als 100 000-Rupien-Auto Geschichte machen. "Unser Ziel ist es, ein günstiges und sicheres Transportmittel zu entwickeln."

Tata macht's möglich

Das hat offenkundig seinen Preis, auch wenn es in Indien hergestellt wird. Jedenfalls scheint Karl-Heinz Engels von Hyundai Deutschland Recht zu behalten, wenn er sagt: "Ein Auto für 2000 Euro ist nicht darstellbar." Die Karosserie sei vielleicht das geringste Problem, aber Aggregate und eine europäischen Anforderungen entsprechende Sicherheitsausstattung seien für diesen Betrag nicht machbar.

Weniger als der Massenhersteller aus Asien können deutsche Produzenten dem neuen Billigstsegment abgewinnen, bei dem ein Neuwagen maximal 5000 Euro kosten darf. Audi-Chef Rupert Stadler winkt ab. An der Erstmotorisierung in Schwellenländern mitzuwirken, sei nicht möglich mit Autos, wie man sie sich bei Audi als Premiumfahrzeuge vorstellt. Auch BMW-Vorstandschef Norbert Reithofer sieht für seinen Konzern die größeren Chancen in den traditionellen Segmenten: "BMW hat sich bewusst im Premiummarkt positioniert, was uns ein doppelt so starkes Wachstum ermöglicht wie im Massenmarkt - trotz der Erstmotorisierung. Wobei wir natürlich im Premiumsegment höhere Deckungsbeiträge erzielen können."

Volkswagen, Marktführer in Europa, entwickelt einen Kleinstwagen, den Konzernchef Martin Winterkorn auch in Indien und China anbieten will. Er soll deutlich weniger kosten als der VW Fox heute. Sein günstigstes Modell bietet der Konzern in Brasilien für umgerechnet 5300 Euro an. Bei dem neuen, sehr kleinen Auto soll es sich dennoch um einen vollwertigen Volkswagen handeln - mit Platz für vier Personen plus Gepäck.

Bei den Projekten wie dem von Tata müssen zumindest die großen Autozulieferer nicht draußen bleiben. Ihr Geschäft wird zwar mühsamer, aber sie sind dabei. Natürlich kann Bosch nicht wie für eine deutsche Oberklassen-Limousine Elektronik im Wert von 2000 Euro liefern. Denn das darf ja das komplette Auto insgesamt nur kosten. Doch auch in ein Billigauto passen Bosch-Teile für immerhin noch 200 Euro.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: