Autoland Indien (10): Suzuki Alto:Mobil für Millionen

Aus Indien nach Europa: Marktführer Suzuki bringt den preisgünstigen kleinen Alto im kommenden Februar auch zu uns.

Michael Specht

Eine Stunde Neu Delhi reicht. Spätestens dann hat man den Glauben an die - geordnete - menschliche Mobilität verloren. Was sich täglich auf den maroden Straßen der indischen Altstadt abspielt, wäre ein Dorado für Verhaltensforscher und Soziologen, für den mitteleuropäischen Touristen ist es das pure Chaos. Es übersteigt seine Vorstellungskraft, dass sich bei elf Millionen Menschen und 38 Millionen zugelassener Fahrzeuge überhaupt noch etwas bewegt. Autos, dreirädrige Mopeds und Fahrrad-Rikschas, Laster, Motorräder, Fuhrwerke und Traktoren, sie alle drängeln und schieben sich unter ständigem Hupen im Schritttempo vorbei an Garküchen, Verkaufsständen, Handkarren und Fußgängern. Darüber breiten sich Abgase und Feinstaub in einer Konzentration aus, dass auch bei Sonnenschein der Himmel über Neu Delhi selten blau ist.

Autoland Indien (10): Suzuki Alto: Und es bewegt sich noch: elf Millionen Menschen und 38 Millionen zugelassene Fahrzeuge

Und es bewegt sich noch: elf Millionen Menschen und 38 Millionen zugelassene Fahrzeuge

(Foto: Foto: phalanx)

Das Chaos wäre vermutlich noch schlimmer, wenn die Autos europäische Maße hätten. Dass jedoch mehr als zwei Drittel der indischen Autofahrer hinter dem Lenkrad eines Klein- oder Kleinstwagens hocken, ist hauptsächlich auf Japan zurückzuführen. Vor mehr als 25 Jahren trat Suzuki mit der Regierung Indiens in Verhandlung und man gründete in einem Joint Venture den Autokonzern Maruti Suzuki Ltd. Gemeinsam wurde der Bau kleiner und sparsamer Fahrzeuge festgelegt - bis heute ein Erfolgsmodell. Noch immer produziert Suzuki das damalige Basismodell Maruti 800, ein 3,33-Meter-Wägelchen, das umgerechnet weniger als 4000 Euro kostet.

Nochmals unterbieten will diesen Preis der Tata-Konzern. Der Nano soll rund 2000 Euro kosten. Doch als Konkurrent sieht Suzuki das kleine Modell nicht an. Das Billigauto ist gedacht für Millionen indischer Familien, die sich bislang höchstens ein Motorrad leisten können. Tatas Projekt findet in der Branche durchaus Bewunderung. "Wir könnten dieses Auto nicht zu so einem Preis herstellen", sagt Maruti-Kommunikationschef Puneet Dhawan. Ursprünglich sollte der Nano Anfang 2009 auf den Markt kommen, doch verzögert sich die Produktion auf unbestimmte Zeit, da Tata die geplante Fabrik nicht errichten durfte.

Maruti Suzuki ist in Indien mit knapp 55 Prozent unangefochtener Marktführer. Erst weit dahinter folgt Hyundai mit 18 Prozent. Die deutschen Hersteller kommen zusammen nicht einmal auf ein Prozent. Aus den beiden Suzuki-Werken in Manesar und Gurgaon rollen jährlich mehr als 760.000 Autos. Für 2010 liegt das ambitionierte Ziel bei einer Million. Helfen soll da vor allem der A-Star, ein weiterer Kleinwagen in der Produktpalette von Suzuki, dessen Serienanlauf im Oktober begann. Bei uns kommt der Wagen unter dem Namen Alto im April 2009 in den Handel - etwas später auch als technisch identischer Nissan Pixo. Damit lässt Nissan erstmals von Suzuki einen für Europa bestimmten Kleinwagen bauen. Beide Modelle werden voraussichtlich knapp unter 9000 Euro starten.

Mobil für Millionen

Der 3,50 Meter kurze Alto wird sich von seinem indischen Bruder hauptsächlich durch eine straffere Fahrwerksabstimmung und eine geringere Bodenfreiheit unterscheiden. Wer die indischen Straßen kennt, weiß warum. Auch beim Thema Sicherheit gibt es Unterschiede. Nur rund zehn Prozent der indischen Kunden wählen bei Suzuki in dieser Klasse einen Airbag, nach ESP fragt gar niemand. In Deutschland wird es den Alto schon ab der Basisversion mit sechs Airbags geben, ESP allerdings erst ab der mittleren Ausstattungslinie.

Autoland Indien (10): Suzuki Alto: Raum-Teiler: Der neue Suzuki Alto, der in Indien unter dem Namen A-Star verkauft wird, ist nur 3,50 Meter lang, 68 PS stark und ebenso sparsam wie umweltfreundlich.

Raum-Teiler: Der neue Suzuki Alto, der in Indien unter dem Namen A-Star verkauft wird, ist nur 3,50 Meter lang, 68 PS stark und ebenso sparsam wie umweltfreundlich.

(Foto: Foto: Suzuki)

Simpel hält es Suzuki mit dem Antrieb des Alto: Ein Motor muss reichen. Der Dreizylinder-Benziner hat einen Liter Hubraum und leistet 68 PS. Eine erste Fahrmöglichkeit auf dem Werksgelände zeigte: Das quirlige Motörchen hängt gut am Gas, der Alto lässt sich handlich und wendig fahren, ist angenehm leise und zumindest auf den Vordersitzen geräumig. Auch die Fünf-Gang-Schaltung gibt keinen Anlass zur Kritik. Ebenso wenig der Verbrauch. Suzuki verspricht 4,5 Liter pro 100 Kilometer. Das wäre ein CO2-Ausstoß von nur 103 Gramm pro Kilometer. Diese Werte schafft derzeit kein anderer Benziner im A-Segment.

So etwas freut auch die Inder. "Selbst Kunden, die eine große Limousine kaufen möchten, fragen immer zuerst nach dem Verbrauch", sagt Puneet Dhawan. Der Grund ist jedoch weniger das Ökogewissen als vielmehr der hohe Spritpreis. Das Benzin kostet in Indien umgerechnet einen Euro pro Liter; ein Vermögen angesichts des durchschnittlichen Einkommens von etwa 200 Euro im Monat.

Doch Dhawan ist sich sicher, dass der Boom am Automarkt in Indien anhält, trotz weltweiter Rezessionsängste. Zwei Millionen Neuzulassungen sollen es schon in zwei Jahren sein. Und in den kommenden fünf Jahren wird seiner Meinung nach die Mittelschicht von jetzt fünf auf mehr als 20 Prozent wachsen.

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