Autoklassiker (2): 40 Jahre Jaguar XJ:Schöne schwarze Katze

Walter Richter ist Obergerichtsvollzieher in Bayreuth - es gibt sicher emotionalere Jobs. Die Leidenschaft des 50-Jährigen jedoch gehört einer schwarzen Katze: einem Jaguar XJ 6 aus dem Jahre 1968.

Von Stefan Grundhoff

Für viele gilt der E-Type als der schönste Jaguar aller Zeiten. Doch die wahren Enthusiasten denken bei dieser Einstufung eher an die gleichermaßen grazile wie sportliche Luxuskatze Jaguar XJ. Der schneidige Luxusliner aus der Feder des Firmengründers Sir William Lyons feiert in diesem Herbst seinen 40. Geburtstag.

Autoklassiker (2): 40 Jahre Jaguar XJ: Die Schokoladenseite des ersten XJ ist seine Front: vier runde Augen, imposanter Chromkühler und die zentrierte Stoßstange

Die Schokoladenseite des ersten XJ ist seine Front: vier runde Augen, imposanter Chromkühler und die zentrierte Stoßstange

(Foto: Foto: Pressinform)

Auf ein Fahrzeug wie den XJ warteten einst nicht nur britische Landlords

Der XJ 6 4.2 von Walter Richter ist ein Frühserienfahrzeug aus der ersten Serie. Der XJ feierte offiziell erst auf dem Pariser Salon am 27. September 1968 seine Weltpremiere, das schwarze Schmuckstück von Walter Richter jedoch wurde bereits drei Wochen vorher zugelassen - im sonnigen Italien. Daher blieb ihm auch der gewöhnliche Rosttod erspart, den die meisten Jaguar XJ der ersten und zweiten Serie in nördlichen Breiten oft erleiden mussten. 4,81 Meter lang, stattliche 1,75 Meter breit und rund 1,7 Tonnen schwer - Richters XJ 6 steht da, als sei er gestern erst vom Band gerollt.

Ende der 60er Jahre war die britische Automobilwelt noch in Ordnung. In der Liga der Luxuslimousinen gab es in Europa nur eine Hand voll Konkurrenten. Hier ein BMW 2500, da eine Mercedes S-Klasse, ein Rover 3500 oder eine Citroen DS - auf ein Fahrzeug wie den XJ hatten nicht nur die britischen Landlords gewartet.

So schön wie der XJ war kein anderer. "Ich wollte schon immer anders sein als die anderen, schon damals in der Schule", erzählt Richter. "BMW, Mercedes, Porsche - war alles schon vergeben. Deshalb hab ich mein Herz an den Jaguar XJ verloren." Der XJ galt als Zukunftsvision des Firmengründers Sir William Lyons. Die Bezeichnung "XJ" stand intern für "Experimental Jaguar".

Schöne schwarze Katze

Ein Roadster oder ein Cabriolet kam für den Bayreuther, der in einer hübschen Eigenheimsiedlung am Stadtrand wohnt, nicht in Frage. Schließlich sollten bei aller Liebe zum Automobil auch seine Frau und die drei Kinder mit in sein automobiles Hobby passen. Dank 2,76 Metern Radstand kein Problem.

Vor knapp 16 Jahren tätigte Richter dann den ersten Lustkauf: ein Jaguar XJ 12. "Den hatte ein Kollege gepfändet und versteigert. So billig, da konnte man nicht nein sagen", erinnert sich Richter. Vor rund zehn Jahren wurde er auf den Jaguar XJ 6 aus der ersten Serie aufmerksam. Ein Händler am Bodensee hatte die schwarze Katze für rund 10.000 Mark angeboten.

Schon 1990 hatte der XJ 6 - noch in Italien - eine Vollrestaurierung bekommen und wurde anschließend nach Deutschland exportiert. Hier wurde er lange Zeit für Hochzeiten verliehen. 1998 gab es nochmals eine komplette technische Überholung für Motor und Getriebe - Walter Richter hatte die Einkaufstour vom Bodensee nach Bayreuth nicht ohne Zwangsstopp geschafft. Kurz vor der Haustür verreckte die betagte Katze - ein kapitaler Motorschaden.

In Sachen Technik und Verarbeitung gibt es denn auch weitaus bessere Fahrzeuge als ausgerechnet einen Jaguar aus den späten 60ern. Auch in den 70er und 80er Jahren hatten die britischen Luxuslimousinen immer wieder mit kleineren und größeren Problemen zu kämpfen. Richter: "Ich hatte immer wieder eine Panne, das macht es spannend. Mal war der Gaszug ausgehängt, mal die Benzinpumpe defekt, ein anderes Mal streikte die Lichtmaschine", zählt er auf. "Ich bin kein Techniker und kein Mechaniker, aber man wächst nun mal mit seinen Aufgaben."

Eine Angst hat er im Laufe der Jahre verloren: dass etwas kaputt geht. Für Richter heute mehr als unwahrscheinlich. Bei der Hochzeit der Tochter wäre es beinahe aber doch zur familiären Katastrophe gekommen. Doch der geliebte Jaguar XJ 6 streikte nicht bei der Fahrt zur Kirche, sondern erst danach, am Sonntagmorgen, um fünf Uhr früh auf der Heimfahrt.

Schöne schwarze Katze

Als der XJ Anfang 1969 auf den Markt kam, gab es ihn mit einem 2,8 und einem 4,2-Motor, die beide der XK-Baureihe entnommen wurden. Erst knapp vier Jahre später folgte der legendäre 5,3-Liter-Motor mit zwölf Zylindern, der den XJ mit über 240 km/h zur schnellsten Limousine der Welt machte.

Der XJ 6 von Walter Richter wird von einem 4,2 Liter großen Sechszylinder mit 245 PS und 390 Nm bei 3750 U/min angetrieben. Verdichtet ist der Motor gerade einmal im Verhältnis 7:1. Den Spurt schafft der 1,7 Tonnen schwere Brite in kaum mehr als neun Sekunden. Und die 200 km/h Spitze sind auch heute noch drin.

Zu seinem Jubiläum steht der Erstserien-XJ besser da denn je: Walter Richter hegt und pflegt die Katze. Bis auf das Konglomerat von Zierplaketten auf dem Kühlergrill und eine von der Versicherung geforderte Wegfahrsperre ist alles original - gebastelt wurde nicht.

Die Schokoladenseite des ersten XJ ist seine Front. Die vier runden Augen, der imposante Chromkühler und die zentrierte Stoßstange. Die Worte von Jaguars Designdirektor Ian Callum bei der Vorstellung der aktuellen XJ-Generation passen auch heute: "Jeder Jaguar muss ein ausdrucksstarkes Gesicht haben. Taucht er formatfüllend im Rückspiegel auf, darf beim Betrachter nicht der geringste Zweifel über die Markenzugehörigkeit aufkommen."

Der Jaguar XJ 6 von Klaus Richter hat heute einen Listenwert von 16.000 bis 21.000 Euro. Doch die Angebote an Erstlings-XJ sind nicht nur dünn - es gibt so gut wie keinen realen Markt. Bis ins vierte Jahrzehnt hat es in unseren Breiten kaum ein Fahrzeug geschafft.

Für einen aktuellen XJ kann sich Richter besonders nach der jüngsten Modellpflege mit den breiteren Schürzen und Schwellern nicht mehr begeistern. Der Jaguar XJ des Modelljahres 2008 ist ihm schlicht und einfach nicht filigran genug.

Ein Blick auf die Chromorgie aus dem Jahre 1968 zeigt, wie recht er hat.

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