Autokauf:Ganz nah am Mythos

Jedes Jahr holen sich Tausende Amerikaner ihren neuen Sportwagen in Deutschland persönlich ab - und erfüllen sich anschließend auf der Autobahn einen Traum.

Karl-Heinz Büschemann

Schade, dass es heute regnet. Frank Schmuttermair, 52, kann nicht erwarten, sich endlich in seinen neuen Fünfer-BMW zu setzen und über die Autobahn nach Berchtesgaden und Österreich zu brettern. "Salzburg, das ist mein Traum", sagt der Amerikaner.

7-er BMW

Der 7-er BMW gibt Gas.

(Foto: Foto: BMW)

Dort will der Unternehmer aus San Diego in Kalifornien mit Ehefrau Debra und seinen drei Töchtern Andrea, 22, Nicole,15, und Lisa, 13, ein paar Tage Urlaub machen. Danach steht noch Neuschwanstein auf dem Programm, der Schwarzwald und ein paar Tage in der Schweiz.

Frank Schmuttermair, der vom Vertrieb der lokalen Zeitung in San Diego lebt und ein Autonarr ist, hatte "schon einige Porsches", wie er erzählt. Aber er habe schon immer einen BMW besitzen wollen.

Deshalb bestellte er sich einen 525 i, mit 218 PS - die Außenfarbe so silbergrau wie die Ledersitze. Und als Clou beschloss die Familie, das Auto selbst in München abzuholen, zwei Wochen in Europa herumzukutschieren und sich dann den neuen Wagen nach Hause liefern zu lassen.

Die Kleine ruckelt ungeduldig

An diesem verregneten Nachmittag sitzen die Schmuttermairs in Freizeitkleidung in der schmucklosen Cafeteria des Auslieferungszentrums von BMW in München-Freimann.

Bei einer Tasse Cappuccino für die Eltern und Wasser für die Töchter sind die BMW-Helfer damit befasst, die Familie in ihr neues Auto einzuweisen, auf die deutschen Verkehrsregeln hinzuweisen und zu erklären, wo genau sie in zwei Wochen das Auto wieder abgeben können.

Die Kleinste fängt bereits an sich zu langweilen und ruckelt ungeduldig auf ihrem Stuhl herum. Gut, dass der Vater das Angebot abgelehnt hat, auch noch das Münchner BMW-Werk zu besichtigen. Endlich kommt die Übergabe, eine Etage tiefer in einem kahlen Raum, der einer Tiefgarage ähnelt.

Den Kunden macht die graue Beton-Schlichtheit des Ambientes nichts aus. "Sieht er nicht toll aus?", schwärmt Frank von dem Auto mit dem vorläufigen Kennzeichen "M4914Z" und lässt sich gleich hinter dem Lenkrad nieder.

Die Mädchen reißen die restlichen Türen auf, um sich mit der Weichheit der Sitze und der Größe der Make-up-Spiegel vertraut zu machen. Tochter Nicole hat es sich still auf dem Rücksitz bequem gemacht: "Ich liebe den Geruch von neuen Autos."

"Das Gaspedal durchtreten"

Täglich kommen etwa 15 amerikanische Kunden nach Freimann, um sich aus Europa einen BMW als Souvenir mitzubringen. 1500 sind es im ganzen Jahr, besonders viele kommen im Sommer. Sie nutzen ein Angebot, das amerikanischen Kunden einen Kaufanreiz bieten soll.

Der Käufer bekommt einen Rabatt in Höhe von sieben Prozent, dafür übernimmt BMW einen Teil der Flugkosten sowie für maximal vierzehn Tage die Versicherung und die Zulassung des neuen Autos. Am Ende des Urlaubs wird der Wagen zum zuständigen Händler nach Amerika geschickt.

So erfahren die fünf Schmuttermairs, dass sie wahrscheinlich 90 Tage warten müssen, bis ihr neues Auto den weiten Weg bis nach Südkalifornien hinter sich hat. "Das macht nichts, wir haben ja noch den großen Familien-Van in der Garage", sagt der strahlende BMW-Käufer.

Ganz nah am Mythos

Deutsche Hersteller von Luxusautos bieten ihren Kunden die Abholung ihrer Wagen so selbstverständlich an wie heizbare Lenkräder oder Pappelholzmaserung auf dem Armaturenbrett. Auch Mercedes hat ein "European Delivery Program" - und das schon seit 40 Jahren.

100.000 Mercedes-Autos für Amerika sind erst einmal durch Europa gerollt, bevor sie über den Atlantik verschifft wurden. In diesem Jahr waren schon 1500 Kunden im Sindelfinger Auslieferungszentrum. Mercedes übernimmt für die Selbstabholer aus Übersee eine Hotelübernachtung, eine Taxifahrt vom Flughafen zum Werk sowie die Versicherung für 14 Tage.

Das Schwarzward-Alpen-Ralleypaket

Wer will, kann sich von dem Autohersteller auch noch die Reise organisieren lassen: Zum Beispiel das "Schwarzwald-Alpen-Rallyepaket" mit vier Übernachtungen zu 1300 Euro für zwei Personen.

Wer als Amerikaner einen Porsche abholen will, kann sich am Leipziger Werk sogar auf der benachbarten Rennstrecke in die Finessen des schnellen Fahrens einweisen lassen - mit einem von Porsche gestellten Auto mit Fahrlehrer.

So etwas nennen die Sportwagenbauer, die jedes Jahr etwa 200 Kunden aus Amerika begrüßen, die "dynamische Fahrzeugerklärung". Eine sinnvolle Instruktion für die Amerikaner, die daheim maximal mit 110 Kilometern pro Stunde fahren dürfen.

Gabriele McFarland von der Porsche-Vertretung in Atlanta weiß, dass Sportwagen-Fans gern mal auf die Autobahn wollen, "wo sie richtig das Gaspedal durchtreten können".

Doch einen Rabatt bekommen die Porsche-Kunden nicht. Wer seinen Carrera im Werk Leipzig abholt, muss für diesen Spaß mehr als 4000 Euro bezahlen, inklusive Versicherung und Unterkunft, die Kosten für den Flug noch nicht gerechnet.

"Die Reaktionen sind eindeutig positiv", sagt ein Vertreter des Porsche-Kundenzentrums in Leipzig, das sogar über eine Formel-I-tüchtige Teststrecke verfügt. "Hier kommen die Kunden ganz nah an den Mythos heran."

Romantik in der Tiefgarage

Oder sie verbinden die Begeisterung für ein deutsches Luxusauto mit der ganz großen Liebe. Ein Kunde, so erinnert sich Georg Schmitz, der bei BMW in München für Amerika zuständig ist, hat die bayerische Kulisse zum gemeinsamen Besuch mit seiner Verlobten genutzt - für seinen Heiratsantrag mitten in der Tiefgarage vor dem nagelneuen 750-Achtzylinder. "Der Ring lag im Handschuhfach."

Ganz so romantisch geht es bei den Schmuttermairs nicht zu. Sie drängen zum Aufbruch in den verregneten Nachmittag. Ein BMW-Helfer karrt noch schnell das Gepäck der Familie heran, das dem Vater einen Stoßseufzer über die Mühen des Reisens mit vier Frauen entlockt.

Das Verstauen dauert, und die Ungeduld des Vaters wächst. Den gut gemeinten Vorschlag eines BMW-Mannes, auf dem Weg nach Salzburg unbedingt noch der verträumten Fraueninsel im Chiemsee einen Besuch abzustatten, lehnt der Amerikaner freundlich ab: "Da kann man nicht Auto fahren", sagt er mit der Hand am Zündschlüssel.

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