Autofahren in China:Irrsinn mit Methode

Von Peking nach Shanghai: Audi stellte seinen neuen Q3 im Boommarkt China vor und schickte ein paar davon durchs Land. Eine 2000 Kilometer lange Fahrt, die zum Selbstversuch und Lehrstück in Sachen Verkehr geriet.

Günther Fischer

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Autofahren in China Bejing Shanghai

Quelle: Günther Fischer/Bernhard Santer

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Von Peking nach Shanghai: Audi stellte seinen neuen Q3 im Boommarkt China vor und schickte ein paar davon durchs Land. Eine 2000 Kilometer lange Fahrt, die zum Selbstversuch und Lehrstück in Sachen Verkehr geriet.

Von Günther Fischer

Ist es nun die reine Asphalt-Anarchie oder doch das bessere Autofahren? Selbst wenn dieses Bild den Eindruck eines aggressiven automobilen Straßenkampfes erweckt, so ist es im Grunde nur der Versuch, noch das letzte Quentchen Platz auf der Autobahn auszunutzen.

Dennoch passiert es zumindest in Megacities wie Peking oder Shanghai regelmäßig, dass ...

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... man auf dreispurigen Autobahnen in fünfspurigen Kolonnen im Stau landet. Dass wir da bald die weiße Fahne hissten, wurde allerdings geflissentlich ignoriert.

Erstaunlicherweise bleibt der Verkehr dennoch immer im Fluss, man rückt stetig vorwärts - so brauchten wir für einen 16-Kilometer-Stau in Shanghai "nur" eine Dreiviertelstunde.

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Was auch erstaunt: Trotz der drangvollen Nähe auf den Stadtautobahnen (im Bild: die Fahrt ins Zentrum von Shanghai) oder dem konfusen Verkehr in den Innenstädten war kaum ein Auto zu sehen, das eine Delle oder auch nur einen Kratzer aufwies.

Dieser Beobachtung stehen allerdings offizielle Zahlen entgegen: Rund 100.000 Menschen starben 2010 auf Chinas Straßen (das allerdings bei einer Einwohnerzahl von rund 1,4 Milliarden).

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Bei all dem muss man darüber hinaus auch hinzufügen, dass erst zehn (!) Prozent aller Chinesen ein Auto besitzen - allerdings fast jeder eines haben möchte.

Städte wie Shanghai schließen zudem bereits um 16.00 Uhr ihre "Stadttore" - das heißt: Die letzten Mautstationen vor der eigentlichen Stadtautobahn werden zu diesem Zeitpunkt geschlossen und lassen kein Auto mehr durch. Anders ist der Verkehr in der Innenstadt nicht zu bewältigen. Weswegen auch wir ganz schnell lernten, noch die letzten Lücken auszunutzen, um rechtzeitig drinnen zu sein.

Was aber ...

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... passiert erst, wenn irgendwann 20 Prozent aller Chinesen ein Auto besitzen?

Schon jetzt ist es so, dass der Verkehr in den Innenstädten der chinesischen Megacities mehrstöckig geführt wird. Wie an den Baumwipfeln auf diesem Foto unschwer zu erkennen ist, fuhren auch wir nicht im Erdgeschoss - und über uns stapelten sich weitere Stadtautobahnen.

Und das ...

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... sieht dann mitunter so wie auf diesem Bild aus.

Wobei wir an dieser Stelle dem Audi-ITC-Team (Infotainment Tec Center China) unter der Leitung von Roland Pfänder ein ganz besonderes Lob aussprechen müssen: Nie hat uns ein Navigationssystem narrensicherer ans Ziel geführt - obwohl in China rund drei Millionen Kilometer an Straßen und zehn Millionen sogenannter "Point of Interests" digitalisiert werden mussten.

"Lost in China" - diese Angst verloren wir schnell. Bis zum Schluss blieb es uns aber ein Rätsel, wie ein GPS-basiertes Navigationssystem mit seiner vorgegebenen Mess-Unschärfe erkennen konnte, in welchem Stockwerk der Stadtautobahn ("Elevated Road" genannt) wir uns gerade befanden.

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"In China", so erklärte Roland Pfänder später, "orientiert man sich weit mehr als in Europa an eindrucksvollen Gebäuden oder erinnerungswürdigen Plätzen. Die genauen Straßennamen sind weit weniger wichtig, wenn es darum geht, eine Route zu planen."

Als europäischer Autofahrer stellt man dann bald erstaunt und ein wenig fassungslos fest, dass man sich mitunter in der Höhe eines 20. Stockwerks fortbewegt. Auch wenn der angrenzende Wolkenkratzer ein wenig Durchsicht gewährt - es ist gewöhnungsbedürftig.

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Ein völlig anderes Bild bietet sich dann bei Überlandfahrten: Die Autobahnen sind meist autoleer - wie sonst nur manche Rennstrecken.

Obwohl im Prinzip auch die gleichen Verkehrsregeln wie bei uns gelten, hat eine leere Autobahn doch zur Folge, dass man sukzessive die Geschwindigkeit erhöht - bewegen sich die ...

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... Distanzen zwischen den chinesischen Großstädten doch im Maßstab von mehreren hundert Kilometern.

Vielleicht hat die Leere aber auch damit zu tun, dass das ...

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... Fahren auf der Autobahn ziemlich teuer ist: Der Kilometer kostet im Schnitt rund sechs Cent Mautgebühr (rund 0,5 Yuan in chinesischer Währung). Das sind für die Strecke Peking-Shanghai circa 75 Euro.

Zum Vergleich: Die Eigentümerin einer der in China so typischen Garküchen verdient durchschnittlich am Tag, nach Abzug aller Unkosten, 20 bis 30 Yuan. Das sind zwei bis drei Euro ... !

Im Bild: eine typische Mautstation. Hier wird auch jedes Auto fotografiert - wir konnten nie herausfinden, warum.

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Auch das gehört zu einem gewissen Erkenntnisprozess: Autobahnausfahrten sind spärlich gesät. Wer eine verpasst, darf mit einem gehörigen Umweg und dem entsprechenden Zeitverlust rechnen.

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Tja, meistens sind die Lkw Sechsachser, überladen und das Ladegut schlecht gesichert. Und wie bei uns liefern sie sich gerne ein "Elefantenrennen".

Der Gegensatz zu uns: Wie dieser chinesische Toyota Landcruiser vormacht, hält man sich nicht lange mit dem Hinterherfahren auf, sondern ...

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... man benutzt einfach die Pannenspur, um in flottem Tempo vorbeizufahren. Selbst dann, wenn es aus der Perspektive des Co-Piloten dramatisch eng aussehen mag. Diese Fahrweise hat aber einen großen Vorteil: Keiner drängelt, keiner wird bedrängt.

Dieser bei uns absolut verbotene, auf Chinas Autobahnen aber völlig normale Überholvorgang ...

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... wurde nicht nur zu einer gern gelernten Fahrweise, sondern ging uns so schnell und so völlig in Fleisch und Blut über, dass wir uns bald wie in einem Computerspiel vorkamen. "Need for Speed" ließ grüßen.

Allerdings war es auch eine Möglichkeit, gewisse Gefahren schnell ...

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... hinter sich zu lassen. Die Ladung dieses Papierlasters war immerhin mit Seilen gesichert (ob die im Ernstfall halten?), andere Lkw zum Beispiel hatten ihre Baumstämme einfach so obenauf liegen.

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Manchmal war es auch der schiere Größenvergleich, der uns um unsere Sicherheit bangen ließ.

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Radfahrer auf der Autobahn? Nicht deklarierte Busstationen? Fußgänger? Alles völlig normal. Wobei uns dieser Blätter aufspießende Arbeiter daran denken ließ, dass über eine Milliarde Menschen eben auch eine Arbeit und ein Einkommen haben wollen.

Genauso wie die beiden ...

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... Chinesinnen, die zwischen den Leitplanken Unkraut jäteten und Blumen pflanzten.

Um dieses Foto machen zu können, hielten wir doch glatt auf der Überholspur - bei uns undenkbar, auf einer Autobahn, die seit mehr als einer Stunde kein anderes Auto als unseres gesehen hatte, irgendwie auch völlig normal.

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Nach der Übernachtung in der "deutschen" Stadt Qingdao (Tsingtau als Hauptstadt des früheren Deutschen Schutzgebietes Kiautschou) folgte dieser Superlativ: Wir fuhren auf die ...

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... die Quingdao-Hawain-Brücke (korrekt Qingdao-Haiwan- oder auch Jiaozhou-Bucht-Brücke; auf englische Rechtschreibfehler muss man in China vorbereitet sein). Das Monstrum ist mit einer Länge von 42,5 Kilometern ist die bisher längste über Wasser gebaute Brücke der Welt.

Sie wurde im Januar 2011 fertiggestellt und verbindet die Altstadt von Qingdao an der Südküste der Shandong-Halbinsel mit der westlich der Jiaozhou-Bucht gelegenen Stadt Huangdao und verkürzt von dort die Verbindung zum Flughafen Qingdao-Liuting.

Die Eröffnung und Freigabe für den Autoverkehr erfolgte allerdings erst ...

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... am 30. Juni 2011, das heißt: drei Monate, bevor wir sie benutzten. Sie ist noch so neu, dass sie noch nicht einmals fürs Navigationssystem digital erfasst werden konnte.

Für die Brücke, die Erdbeben der Stärke 8, Taifune und Schiffskollisionen aushalten soll, wurden rund 450.000 Tonnen Stahl und 2,3 Millionen Tonnen Beton verbaut. Die Bauzeit? Lächerliche vier Jahre, und das mitten auf dem Meer ...

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Die Landstraßen im Hinterland wiederum sind äußerst reizvoll angelegt. Doch hier ist Vorsicht geboten: Hinter jeder Kurve können Gefahren lauern, etwa in Form  ...

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... dieses Bauern, der mit seinem überladenen Karren erst mal die ganze Breite der Straße benötigte, bevor er lachend dann doch etwas Platz machte.

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Man sieht Verkehrsschilder, deren Bedeutung wir nicht enträtseln konnten ("Achtung: Baum vor dem Haus"?) und ...

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... einmal mehr völlig überladene Kleintransporte, die wie in diesem Fall uns auch noch auf der eigenen Spur entgegenkamen. Da wurde zum ersten Mal eine Vollbremsung fällig.

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Situationen wie diese sind es aber, die wirklich Nerven kosten (in diesem Fall in Qufu, der Geburtstadt von Konfuzius) und Konzentration brauchen: Von allen Seiten drängeln zweirädrige Gefährte heran, die meisten von ihnen elektrisch angetrieben und damit fast lautlos. Es wurlt und wuselt wie in einem Ameisenhaufen.

Ampelsignale werden dabei eher als Vorschläge angesehen, Vorfahrtsregeln missachtet, jede Spur so benutzt, wie man sie gerade benötigt (was übrigens generell für den Verkehr in China gilt - auch in den Großstädten). Rechtsabbiegen bei Rot ist zudem immer erlaubt.

All das zwingt uns geradezu zu einem hochgradig voraussschauenden Fahren, was uns ...

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... kurz überlegen ließ, ob der Irrsinn auf Chinas Straßen nicht vielleicht doch die bessere Methode der Verkehrslenkung ist. Denn irgendwie bleibt alles im Fluss.

Die Situation auf diesem Bild zeigt ein typisches Beispiel: Die Familie auf dem Zebrastreifen quert gerade eine vierspurige Bundesstraße, auf der Tempo 100 erlaubt ist. Wir wiederum wollen nach links abbiegen.

Kommt schneller Querverkehr, verlangsamt man einfach seinen Schritt oder das Tempo, bis er vorbeigeschossen ist, dann geht oder fährt man weiter. Mit Hupe, Hirn und Mut gelingt die Übung meistens ziemlich gut.

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Zu guter Letzt ein Blick in Audis zweite Heimat, in die Stadt Changchun, wo Audi seine Autos für China produziert.

Mehr als acht Millionen Menschen leben hier - und trotzdem hat die Stadt nicht mehr Charme als das nordkoreanische Pjöngjang (das im übrigen nicht allzuweit entfernt ist, wenn man chinesische Maßstäbe zugrundelegt).

Dass sich Kraftwerke direkt neben Wohnblöcken befinden, ist nicht nur hier Usus - das ist in fast allen chinesischen Großstädten so. Immerhin ...

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... ist der Straßenschmuck dem wichtigsten Industriezweig der Stadt angepasst: Changchun ist mit First Automotive Works, Volkswagen/Audi, ZXauto und Toyota ein wichtiger Produktionsstandort und soll zur größten Autostadt Chinas ausgebaut werden.

© sueddeutsche.de/gf
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