Autodiebstahl:Den Schiebern auf der Spur

Die Banden sind mittlerweile hochspezialisiert und gehen neue Wege: Immer öfter klauen sie Fahrzeuge, um sie auszuschlachten und Einzelteile zu verkaufen - auf bisher wenig beachteten Absatzmärkten.

Marion Zellner

Die gute Nachricht zuerst: Es werden in Deutschland immer weniger Autos gestohlen. Nach den jüngsten Zahlen des Gesamtverbandes der deutschen Versicherer (GDV) wechselten im Jahr 2004 knapp 30.000 Autos unfreiwillig ihren Besitzer. Anfang der neunziger Jahre waren es noch etwa 140.000 Fahrzeuge.

Autodiebstahl: Das Risiko für Diebe, bei einer Kontrolle an der Grenze entlarvt zu werden, ist nach Expertenansicht relativ gering.

Das Risiko für Diebe, bei einer Kontrolle an der Grenze entlarvt zu werden, ist nach Expertenansicht relativ gering.

(Foto: Foto: dpa)

Allerdings zeigen die bloßen Zahlen nur die halbe Wahrheit. Denn die Diebe haben es auf immer teurere Automodelle abgesehen. Entsprechend hoch fällt die Schadensumme aus: Zirka 285 Millionen Euro mussten die Versicherer 2004 an Geschädigte zahlen.

Den Grund für den Rückgang der Diebstahlzahlen sehen Experten vor allem in der Einführung der elektronischen Wegfahrsperre (EWS), deren Einbau von 1995 an für neue Fahrzeugmodelle vorgeschrieben wurde. "Danach fielen Phänomene wie Joy-Riding, also Gebrauchsdiebstähle, weitgehend weg", erinnert sich Josef Erhardt, beim bayerischen Landeskriminalamt (LKA) Sachgebietsleiter für Kraftfahrzeug-Diebstähle und -Verschiebung.

Und: Die Wegfahrsperren galten lange als unüberwindbar. Die Folge davon war, dass sich bestohlene Autobesitzer dem Verdacht aussetzten, selbst am Verschwinden beteiligt gewesen zu sein. Oft sei dann der Verlust von den Versicherungen nicht bezahlt worden, weiß Erhardt.

"Für Profis eine Sache von fünf Minuten"

Doch im Jahr 2001 wendete sich das Blatt. Organisierte Banden, damals aus Ungarn, so Erhardt, überwanden das Steuergerät der Wegfahrsperre mit elektronischen Hilfsmitteln. "Für Profis eine Sache von fünf Minuten." Der Wettlauf zwischen immer aufwendigeren Sicherungen der Hersteller und dem Knacken der Anlagen durch hoch spezialisierte Banden begann; meist mit einem Zeitvorsprung der Autobauer von ein bis zwei Jahren.

Allerdings, räumt Erhardt ein, gehe es manchmal auch deutlich schneller. Vor allem bei Herstellern, die Automobil-Produktionsanlagen in osteuropäischen Ländern haben, gebe es offensichtlich immer wieder undichte Stellen.

Neben dem Diebstahl teurer Modelle ist noch ein neuer Trend beim Autoklau zu beobachten: Die Fahrzeuge werden nicht gestohlen, um sie komplett ins Ausland zu verschieben, sondern um sie auszuschlachten. "Die Nachfrage nach Ersatzteilen und Ausstattungsdetails ist gewaltig", so Karsten Linke, Versicherungsexperte beim GDV in der Abteilung Kriminalitätsbekämpfung und Geldwäsche.

Ebenfalls seit etwa 2001 sei in Deutschland das Phänomen der so genannten Zerlegehallen zu beobachten. Dabei handelt es sich um abgelegene Gebäude, meist in der Nähe von Ballungsräumen, die rund um die Uhr zur Demontage von Autos genutzt werden.

Vorne fahren Autos rein, hinten kommt aber nichts mehr raus", beschreibt Linke die Vorgehensweise. Das heißt, in den Hallen werden die Fahrzeuge fein säuberlich in ihre Bestandteile zerlegt. "Das geht so weit, dass Karosserien zersägt werden, um am Bestimmungsort wieder zusammengeschweißt zu werden", so Linke.

Der Abtransport erfolgt in Containern oder Lastwagen. Die Geld bringenden Teile liegen dabei gut geschützt in der Mitte, am Rand verdeckt von wertlosem Schrott. Das Risiko, bei einer Kontrolle - etwa an der Grenze - entlarvt zu werden, ist laut Linke so relativ gering. Ebenso wie die Aufdeckung der Hallen, die laut Polizeierkenntnissen auf die komplette Republik verteilt sind.

Lukrative Geschäfte mit hochwertiger Ware

Allerdings konnten bereits mehrere solcher illegaler Verwerter ausgehoben werden. Typisch sei, dass dort meist nur die Zerleger - Männer, die extra dafür im Ausland angeheuert wurden und die Drahtzieher meist nicht kennen - angetroffen werden. Diese Hallen werden nur etwa drei Monate genutzt, in dieser Zeit werden rund um die Uhr zwischen 30 und 50 Fahrzeuge demontiert. "Die Zerlegung eines Autos dauert mit zwei bis fünf Leuten zirka zwölf Stunden", berichtet Linke aus einem Polizeibericht.

Geht die heiße Ware allerdings unentdeckt ins Ausland, lassen sich über Teilemärkte und vor allem das Internet lukrative Geschäfte machen. Gerade Hochwertiges wie Navigationsgeräte, Scheinwerfer, Sitze und Lenkräder mit Airbag finden über Internet-Auktionsbörsen reißenden Absatz; und kehren so teils nach Deutschland zurück.

Allerdings sollte man tunlichst die Finger von solchen auffällig günstigen Angeboten lassen, sagt Josef Erhardt vom LKA: "Hier ist gesundes Misstrauen angesagt." Am glimpflichsten geht die Sache noch aus, wenn einem die gestohlene Ware einfach nur abgenommen wird, denn in Deutschland gibt es "keinen gutgläubigen Erwerb".

Das heißt, auch wenn Gestohlenes bezahlt wurde, darf man es nicht behalten. Hat jemand mehrere solcher Billig-Teile erworben und weiterverkauft, wird er zum Hehler.

Den Schiebern auf der Spur

Wenn einem das Auto gestohlen wird - ob als Komplettverschiebung oder als Teilespender -, ist das immer unangenehm. LKA-Experte Erhardt rät, gerade teure Modelle nicht in einsamen Gegenden stehen zu lassen, sondern sie aus dem Blickfeld potenzieller Diebe zu entfernen: "Eine Garage ist da immer noch das Beste."

Denn oft schicken Banden Spione aus, die - mit einem Fotohandy ausgerüstet - beim Abnehmer per MMS anfragen, ob "er gerade Bedarf" habe. Nach wie vor ist aber auch die Methode beliebt, die Originalschlüssel des Fahrzeugs zu entwenden. "Wer seinen Autoschlüssel im Gang der Wohnung am Schlüsselbrett hängen hat, macht es den Dieben wirklich leicht", so Erhardt.

Effektiver Schutz vor Diebstahl

Aber auch mit Zusatz-Technik kann ein Auto heute schon ganz gut gegen Diebstahl nachgerüstet werden. Eine einfache, aber effektive Art ist, ein elektrisches Kabel mit einem Kippschalter, der gut im Auto versteckt ist, zu versehen. Diebe wüssten dann nicht gleich, wo sie hingreifen müssen, um den Wagen zum Laufen zu bringen, meint Erhardt.

Und alles, was länger als üblich dauere, sei Dieben lästig. Auch elektronische Satelliten-Ortungssysteme, wie sie etwa Autovermieter schon für ihre wertvolleren Modelle verwenden, seien für Privatleute bereits erschwinglich und durchaus hilfreich zur Sicherung des Fahrzeugs, so der LKA-Mann.

Neue Absatzmärkte

Da Autodiebstahl heute fast ausschließlich im Umfeld organisierter Kriminalität passiert - "im Sommer werden Autos geklaut, im Winter wird mit Menschen oder Drogen gehandelt", weiß Josef Erhardt -, werden die Autos auch international verschoben.

Die Absatzmärkte reichen weit über die östlichen Nachbarländer hinaus, denn: "Länder wie Polen oder Tschechien sind gesättigt." Heute gehen die Wagen nach Russland, Weißrussland, Ukraine, aber auch in den Nahen Osten und Afrika. Dabei wird nicht nur der Landweg gewählt, sondern immer öfter auch der Seeweg über Häfen wie Amsterdam oder Marseille.

Werden Fahrzeuge kontrolliert, können Polizei und Zoll auf die Europäische Fahrzeug-Identifizierungs-Datei (Eufid) zurückgreifen - ein Nummern-Katalog in zehn Sprachen. Moderne Autos haben laut Erhardt bis zu einem Dutzend Stellen, an denen individuelle Nummern angebracht sind.

Fahrzeugidentifizierungsnummer, Motornummer, Produktionskennziffern: Viele können gefälscht werden, doch nicht alle. Denn manche Stellen sind Geheimnis der Hersteller und nur der Polizei bekannt - bis die Diebe wieder aufgeholt haben.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: