Autodesigner Lutz Fügener:"Da geht noch viel, viel mehr"

Die schönsten Design-Ideen auf dem Fahrzeugmarkt werden aus Marketinggründen nicht verwirklicht, kritisiert Automobil-Design-Professor Lutz Fügener. Den neuen Jaguar F-Type meint er damit nicht. Süddeutsche.de sprach mit Fügener über den legendären E-Type und seinen Nachfolger, der im Frühsommer 2013 erscheint.

Ruth Schneeberger

Als in München zuletzt der neue Sportwagen von Jaguar vorgestellt wurde, waren die Erwartungen der zahlungskräftigen Kundschaft hoch. Würde sich das Versprechen von Jaguar, mit dem neuen F-Type an den legendären E-Type aus den 60er Jahren anzuknüpfen, erfüllen? Als der Nachfolger des ehemals "schönsten Autos der Welt" dann enthüllt wurde, reagierten die Gäste: abwartend. Ihre Neugier hat der Wagen trotzdem geweckt. Hat der F-Type das Zeug zur E-Type-Nachfolge? Nachgefragt bei einem der renommiertesten Professoren für mobiles Design, Lutz Fügener von der Hochschule Pforzheim.

Süddeutsche.de: Herr Fügener, es gibt in allen möglichen Bereichen eine Retro-Welle. Ausgerechnet der Jaguar F-Type aber, der kommenden Frühsommer erscheint und als Nachfolger des legendären E-Type auftritt, ist nun so gar nicht Retro, erinnert optisch kaum noch an den Vorgänger. Chef-Designer Ian Callum hat das bewusst so gestaltet, er wollte dezidiert kein Retro-Auto bauen. Wie groß ist die Gefahr, dass er damit Jaguar-Fans enttäuscht?

Lutz Fügener: Ich finde, da stecken schon eine Menge Retro-Elemente drin. Man muss dabei beachten, dass die Kunden inzwischen an Retro-Elemente gewöhnt wurden. Retro ist jetzt fester Bestandteil der Design-Mode. Das hat mit dem PT Cruiser angefangen und wurde so kultiviert, dass wir es kaum noch merken. Wenn wir uns aber erinnern, sehen wir: Die Concept Cars etwa aus den 80er Jahren sahen viel moderner aus als das, was wir heute auf den Straßen sehen, der Lancia Stratos Concept zum Beispiel. In diesem Geist der 80er Jahre gab es gar kein Retro-Element.

Sie meinen also, der F-Type ist ohnehin wie fast alle anderen Wagen schon Retro genug, auch wenn er ständig an dem legendären E-Type gemessen werden wird?

Jaguar hat das eigentlich ganz gut gemacht. Denn gerade beim E-Type ist das ziemlich schwierig. Vom Marketing her hat man natürlich den Anspruch, so eine Historie zu optimieren, die beim E-Type unbestritten groß ist, um darüber ein neues Auto zu vermarkten. Das ist schon nachvollziehbar. Citröens DS hat das auch versucht - und hat sich darüber verkauft. Obwohl die neue Citröen DS erstaunlich weit weg ist vom Original.

Sieht der neue F-Type nicht eher aus wie ein asiatischer Wagen als wie ein Jaguar?

Das sind nun mal die Sportwagen der heutigen Zeit, das ist alles technisch erklärbar.

Die Sportwagen müssen also jetzt alle so aussehen, das ist nicht der fehlenden Kreativität der Hersteller geschuldet?

Sie müssten nicht so aussehen, aber es ist logisch, dass der Wagen so ist, wie er ist. Es gibt inzwischen einen Wettkampf zwischen der Gesetzgebung für Autohersteller weltweit auf der einen und den Ansprüchen der Designer auf der anderen Seite. Das führte über Jahrzehnte hinweg zu solchen Autos - und manchmal zu dem Eindruck, dass sie alle ähnlich aussehen.

Was genau ist das für ein Wettkampf?

Zwischen den gesetzlichen Vorgaben und der designerischen Umsetzung. Es gibt inzwischen ein riesiges Repertoire an Regularien, die es zu E-Type-Zeiten noch nicht gab. Zum Beispiel den Fußgängeraufprallschutz. Spitze Fronten kann man deshalb inzwischen nicht mehr machen, auch ein großer Kühlergrill geht nicht mehr, weil Fußgänger sich bei einem Aufprall daran zusätzlich verletzen würden.

Sex, Lügen und Jaguar

Gilt als legendär: der E-Type. Nun will Jaguar die Ikone wiederbeleben - mit dem F-Type.

(Foto: SV2)

Ist das auch der Grund, warum es die schönen Jaguar-Kühlerfiguren nicht mehr gibt?

Genau, der bei Jaguar so genannte Leaper wurde in den Siebzigern deshalb schon abgeschafft. Kühlerfiguren gibt es nur noch bei Mercedes, Maybach und Rolls-Royce ab Werk. Es gibt aber bis heute Käufer, die ein Loch in einen neuen Jaguar bohren, um die Kühlerfigur zu haben. Mercedes experimentiert ständig mit dem Stern, es gab ihn auch mal als Prototyp aus Gummi. Das ist ein Wettrennen mit dem Gesetzgeber. Designer versuchen immer wieder, vorzupreschen und Lücken zu finden, die der Gesetzgeber dann wieder schließt. Das Problem haben alle Autohersteller.

Das heißt, den E-Type, wie er damals war, könnte man heute, selbst wenn man wollte, gar nicht mehr bauen?

Nein. Hinzu kommt noch, dass die geringe Stückzahl, in der man solche Wagen produziert, dazu führt, dass der Hersteller so viele Teile wie möglich aus dem Bauteilsortiment der Großserienmodelle übernehmen muss. Und dann müssen diese Autos ja noch im Fahrtest bestehen, sie müssen aerodynamisch funktionieren. Da hat sich viel geändert in den vergangenen Jahrzehnten. Das hat Auswirkungen auf die Lastverteilungen, die Achsen, sogar auf die Abstrahlwinkel von Scheinwerfern. Es gibt inzwischen enorme Regularien, die Designer zwingen, ein Auto auf ganz bestimmte Weise zu bauen.

Es sind also nicht nur Designer, die das Aussehen eines Autos bestimmen, sondern zum gleichen Anteil auch der Gesetzgeber?

Absolut. Ich finde das aber auch eine spannende Herausforderung für die Designer. Das ist ein Wettkampf, der sich noch weiter hochschaukeln wird.

"Jaguar hat das noch ganz gut gemacht"

Werden die Autos dadurch wirklich sicherer?

Natürlich. Vor allem die passive Sicherheit eines Neuwagens ist mit der eines E-Type gar nicht mehr zu vergleichen. Wenn ein Unfall passiert, bin ich als Insasse heute sehr viel besser geschützt, etwa durch bessere Bremsen und aktive Fahrzeugstruktur. Es wird ja viel bedauert, dass es zum Beispiel diese filigranen Dachaufbauten nicht mehr gibt. Aber wenn Sie sich mit einem alten E-Type überschlagen, ist von Ihnen nicht mehr viel übrig. Auch wenn das sehr hübsch aussah beim E-Type: Wir haben heute viel weniger Unfalltote bei vergleichsweise vielen Unfällen. Weil wir in den neuen Autos einfach besser geschützt sind.

Gerade vielen Männern gilt trotzdem der E-Type, selbst wenn sie sonst der Marke Jaguar nicht unbedingt nahestehen, als das schönste Auto der Welt. Können Sie diese Faszination verstehen?

Ja, absolut, das ist ein faszinierendes Auto. Die Proportionen sind sehr ungewöhnlich, man hat es auf die Spitze getrieben mit der Länge der Motorhaube. Und dann auch noch die Frontscheibe so steil gestellt, dass der Vorderwagen noch mehr verlängert wurde. Das hat es später so nie wieder gegeben. Vorher gab es einige Vorkriegssportwagen, die auch lang waren, aber der E-Type war schon außerordentlich. Und im Detail sehr gut gemacht. Er lebt nur von der Form und von seinen Proportionen, da gibt es keinen Schnickschnack, da wurde nicht viel rumgestylt. Einfach ein gutes Auto.

Alphabet-Renner

Der neue F-Type von vorne: Der Buckel ist noch ansatzweise da, aber die Schnauze ist längst nicht mehr so lang wie die des E-Type.

(Foto: STG)

Wenn es aber beim E-Type rein auf die Form ankam, wie kann der Designer des Nachfolgers da sagen, ihm komme es mit dem F-Type mehr auf technische und mechanische Nachfolge an als auf optische? Was hat er dann überhaupt übernommen?

Gute Frage. Es ist ein Zweisitzer. Und ein Sportwagen. Die Form der Rücklichter vielleicht, obwohl ich die beim F-Type eher italienisch finde, was ja nicht schlecht ist. Der Kühlergrill wurde ansatzweise übernommen, soweit es eben ging, wobei das Gesicht des E-Type anders war. Die Augen, also die Scheinwerfer, lagen wesentlich tiefer. Damit sah er viel animalischer aus. Was beim E-Type außerdem das Besondere war: Von der Seite betrachtet, wölbte er sich über den Vorderrädern gar nicht, der Muskel lag nur über den Hinterrädern. Das hat man versucht zu kopieren, erinnert damit aber eher an Nissan. Immerhin: Der berühmte Buckel auf der Motorhaube ist ansatzweise wiederzufinden.

Und die technischen Ähnlichkeiten?

Technisch gesehen ist der F-Type am E-Type so nah dran und so weit weg wie andere Sportwagen auch. Da könnte man schon eher behaupten, dass der E-Type die Ur-Mutter vieler späterer Sportwagen war.

Was sind Ihrer Meinung nach Eigenschaften, die die Marke Jaguar repräsentieren? Werden sie im F-Type eingelöst oder sind sie hier überhaupt noch erkennbar?

Jaguar hat es durchaus geschafft, über die Jahrzehnte hinweg noch eine Identität zu behalten und mitzunehmen aus der Vergangenheit. Das stand mal ganz schön auf der Kippe und wurde auch nicht bei allen Modellen gleich gut gemacht. Aber zumindest die Coupés haben immer als Jaguar funktioniert.

Welche Jaguar-Modelle haben nicht funktioniert?

Der neue XJ ist eher Jaguar-untypisch. Der XF ist ein Jaguar geworden, der aktuelle XJ aber ist nicht mehr elegant genug, etwas zu wuchtig. Trotzdem hält die Marke sich ganz gut. Das ist ja gar nicht so einfach. Neue Besitzer wollen die Marke verändern, die Gefahr besteht immer, dass man damit viel kaputt macht. Ich habe für beide Seiten Verständnis, neue Geldgeber wollen sich ja auch einbringen. Aber meistens geht es um Rationalisierung, und das tut den Autos nicht gut. Jaguar hat das noch vergleichsweise gut hinbekommen.

Wer nicht?

Lancia, das ist kein Geheimnis. Das war mal eine tolle Marke, aber inzwischen schraubt man einfach das Logo auf ein anderes Auto und macht daraus Lancias. Ein Trauerspiel. Der Kunde kriegt das ja mit. Man sollte den Kunden nicht für dumm halten.

Kommt es auch vor, dass Designer so eitel sind, dass sie eine Marke kaputt machen? Weil sie einfach alles anders machen wollen als ihre Vorgänger?

Ja sicher, das gibt es.

Können Sie Beispiele nennen?

Lieber nicht.

"Die Retro-Welle geht zurück"

Welchen Automarken und -typen ist es gelungen, ein Design jahrzehntelang zu erhalten, zu verjüngen, aber trotzdem wiedererkennbar zu bleiben? Wie etwa beim Porsche 911?

In der Form nicht, aber der Markenkern wurde des Öfteren erhalten, etwa beim Volvo, der immer noch dieselbe Zielgruppe hat. Eine Retro-Sonderform ist tatsächlich der Porsche, den gab es ja immer, und er wurde immer weitergebaut. Citröen hat das beim C6 versucht, was aber von den Verkaufszahlen her nicht funktioniert hat. Trotzdem war das sehr ehrenwert und respektabel, auch wenn der C6 nicht in Massen abgesetzt wurde. Am Ende bauen alle Autos, um sie zu verkaufen. Als Designer habe ich eine etwas andere Sicht von außen, das ist ein Luxus.

Wie kann man eine spezielle Formensprache wie etwa die von Jaguar überhaupt weiterentwickeln und modernisieren, ohne den Bezug zum Original zu verlieren?

Bestimmte Details sind ja heute einfach nicht mehr machbar. Etwa die extrem kurzen Türen, die waren beim Ein- und Aussteigen schon sehr unangenehm. Auch ergonomisch gibt es inzwischen ganz andere Vorgaben, Sie müssen mit viel größeren Körpern berechnen, was sich auch auf die Anforderungen in Bezug auf Verstellbarkeit auswirkt.

Der Testfahrer des E-Type soll sehr klein gewesen sein, weshalb Fahrer mit großen Füßen bis heute Probleme mit den Pedalen haben.

Das war hin und wieder auch noch viel später so, wie beim Alfa 164. Ein extrem modernes Auto, wunderschön - aber man konnte die Kopfstützen nur richtig einstellen, wenn man nicht über 1,70 m groß war. Das ist also sogar damals noch passiert. Inzwischen gibt es viel größere Beispielschablonen. Auch aerodynamisch muss heute alles optimiert sein. Der E-Type hatte etwa eine Karosserie, die über den Rädern hing. Heute wird einem dabei ganz anders, wenn man andere Autos gewohnt ist.

Aber der E-Type galt doch damals schon als ganz besonders aerodynamisch, es wurde extra ein Flugzeugingenieur damit betraut.

Was man eben damals für Aerodynamik hielt. Das hat nichts mehr mit den heutigen Ansprüchen zu tun. Der E-Type ist aerodynamisch besser als ein Bus. Aber heute kommt es selbst auf die Windgeräusche im Inneren an, da kommt eine Menge zusammen. Das Design ist auf heutige Wagen nicht mehr übertragbar, manches schließt sich einfach aus.

Alphabet-Renner

Alphabet-Renner Jaguar F-Type

(Foto: STG)

Wie könnte man denn den E-Type überhaupt in die Neuzeit übersetzen?

Komplett geht das gar nicht mehr. Man könnte ein Auto mit diesen gewaltigen Proportionen bauen, aber das wäre von der Fahrdynamik her eher schwierig. Mit Elektronik kriegt man heute einiges geregelt, und das wird ja auch gemacht. Aber je eher er am Original ist, desto eher treten die Fehler und Unzulänglichkeiten auf, die das Auto hat. Die fehlende Aerodynamik, die fehlende Ergonomie, der Umstand, dass man fast auf der Hinterachse sitzt und ein sehr langes Auto vor sich hat.

Unabhängig von der Nachfolger-Diskussion: Ist der F-Type in Ihren Augen gelungen?

Das ist ein interessantes Auto. Ganz sicher nicht die Revolution des Sportwagens. Da wurde viel gemacht, was man schon kennt. Das aber auf gestalterisch hohem Niveau, ohne Experimente. Man überfordert die Kunden nicht. Was gemacht wurde, ist vernünftig gemacht worden. Na ja, die Lufteinlässe unter den Scheinwerfern - vielleicht war der E-Type da etwas eleganter, hat sich nicht so wichtig gemacht. Und man darf auch nicht jedes Auto in jeder Farbe verkaufen. Ich kenne ihn bisher nur von Fotos und müsste ihn mal im Original sehen. Diese Pressefotos werden heutzutage im Studio gemacht, mit ganz weichem Licht, das ist manchmal bis zur Unkenntlichkeit entstellt.

Wie bei menschlichen Models.

Ganz genau so. Bei Autos bin ich aber oft überrascht, dass sie in Wirklichkeit viel besser aussehen als auf den Bildern, die oft sehr unnatürlich wirken, das tut den Autos gar nicht gut. Aber das ist nur die Art, wie man heute Bilder macht, und hat mit Jaguar gar nichts zu tun. Das machen alle.

Ist der Preis Ihrer Meinung nach angemessen, je nach Modell von knapp 74.000 bis knapp 100.000 Euro? Manche sprechen von einem Schnäppchen oder einem Kampfpreis für den F-Type.

Die Konkurrenz zu einem solchen Auto ist ja kein Auto, sondern eine Yacht, oder vielleicht eine Stereoanlage.

Das sehen die Hersteller aber anders. Mir wurde von Jaguar stolz erklärt, dass der F-Type genau in die Lücke zwischen Porsche Boxster, Audi TT, Mercedes SLK von unten und Porsche Carrera, Audi R8, und Mercedes SL von oben platziert wurde.

Dass die Konkurrenz zu einem Sportwagen ein Sportwagen ist, sehen vielleicht die Hersteller so, ich aber nicht. Das mag bei einem Transporter funktionieren. Aber diese Autos sind klassische Drittwagen. Da überlegt man sich: Kaufe ich mir den, oder mache ich eine Weltreise?

Was für eine Positionierung sehen Sie für den F-Type? Für wen ist er gemacht?

Bei Cabrios ist oft die Frage, ob das eher ein Männer- oder ein Frauenauto ist. Hier würde ich sagen: beides. Das ist immer gut für ein Auto. Von der Zielgruppe her ist er da, wo alle anderen Sportwagen auch sind. Sobald das Coupé auf den Markt kommt, ändert sich das Auto noch mal in der Wahrnehmung, es kann dann durch Einsatz als Rennfahrzeug zum Rennsportwagen werden.

War der E-Type ein reiner Männerwagen?

Man hat das immer so gesagt, ich bin mir da nicht sicher. Frauen können eigentlich alle Autos fahren, im Gegensatz zu Männern.

Welche Autos fahren Männer nicht?

Na ja, diese eher blumigen Modelle. Fiat Barchetta zum Beispiel, kleine Cabrios, Kompaktwagen, die als Cabrios verkauft werden - das gilt als nicht besonders männlich, da fühlen sich Männer selten wohl drin.

Gibt es Ihrer Meinung nach Grundsätze, nach denen Autodesign ausgerichtet sein sollte?

Es wäre an der Zeit, dass man versucht, wieder vollkommen neue Bilder zu finden für das Auto der Zukunft. Die Retro-Bewegung ist gut und schön, Zitate von ehemaligen Modellen haben ihre Berechtigung. Aber wir stehen jetzt an der Schwelle, vieles in Frage zu stellen. Von einem Autodesigner kann man sicher verlangen, dass er diese Schwelle überschreitet. Natürlich macht er so ein Auto nicht alleine. Aber dass ein neues Auto aussieht wie alle, ist einfach schade. Ein Designer müsste in der Lage sein, das zu tun, etwas offensichtlich Neues zu schaffen. Den Mut zu haben.

Gibt es dafür in Ihren Augen schon Beispiele?

Es gibt neue Konzepte. Zum Beispiel den Renault Twizzy, diese Elektrofahrzeuge. Das ist kein Auto, und es sieht auch nicht aus wie ein Auto, und es versucht auch keins zu sein. Das meine ich. Von diesem Geist bräuchten wir mehr. Designer müssen Mut haben, Ideen, ein tolles Fahrzeug zu machen. Dabei muss man gar nicht die alten Klischees bedienen.

Meinen Sie, die Kunden sind offen genug dafür?

Man muss es ihnen eben hinstellen. Der Kreative kommt nicht drumherum, das Experiment zu machen. Ich glaube nicht, dass die Kunden heute weniger offen sind als früher. Sie sind natürlich verwöhnt. Aber wenn etwas überzeugend ist, funktioniert es auch.

Schwimmen nicht gerade die meisten ganz gemütlich mit auf der Retro-Welle? Wann kommt der Peak?

Wir hatten im Design einen extremen Retro-Trend. So hat sich Retro einen festen Platz im Automobildesign geschaffen. Niemand findet Retro-Elemente mehr seltsam, neben anderen Stilelementen werden sie noch lange existieren. Die große Retro-Welle ist aber schon zurückgegangen.

Kann man denn heute überhaupt noch überraschen im Design?

Selbstverständlich! Die Regale sind leer! Man kann die tollsten Sachen machen. Die oft verbreitete Attitüde, es sei schon alles dagewesen, ist Unfug. Es ist so viel Schönes nicht gemacht worden. Konzepte für Marken weiterzuentwickeln, kann eine überaus spannende Sache sein. So viele innovative Ideen sind abgelehnt worden - aus Marketinggründen. Ob berechtigt oder unberechtigt, weiß man nicht. Es geht noch viel, viel mehr!

Lutz Fügener, Jahrgang 1965, ist Professor für "Transportation Design" an der Hochschule Pforzheim. Der international beachtete Studiengang lässt nur 20 Studenten pro Semester zu. Die meisten von ihnen werden später weltweit als Designer in der Autoindustrie eingesetzt. Fügener hat Maschinenbau in Dresden und Industrial Design in Halle studiert und unter anderem den Sportwagen Melkus RS 2000 entworfen und ist Ko-Autor des Buches "Von der guten Form zum guten Leben".

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