Auto-Köpfe (2): Niki Lauda:Der Mann mit der Mütze

Formel-1-Weltmeister, Mützenmann, Werbestar, Pilot: Niki Laudas Karriere hat einen Namen - Pragmatismus.

Oskar Weber

Die Mütze macht aus Männern Marken. Der eine ein Fußballtrainer, wie es ihn heute nicht mehr gibt: Helmut Schön schützte mit der Schieberkappe den kahlen Schädel vor Sonne, Regen, Wind und Kälte. Der andere ein Kanzler aus dem Bilderbuch der jüngeren Geschichte: Helmut Schmidt präsentierte seinen Prinz Heinrich als Geste hanseatischer Gelassenheit über preußischer Pflichterfüllung. Der Dritte schließlich das wandelnde Beispiel für die These, dass Eitelkeit vielleicht schöner, ein eigener Stil auf jeden Fall aber unverwechselbar macht.

Auto-Köpfe (2): Niki Lauda: Nach einem Zusammenstoß in der zweiten Runde des Grand Prix auf dem Nürburgring brennt der Ferrari von Niki Lauda. Er erlitt schwere Verbrennungen.

Nach einem Zusammenstoß in der zweiten Runde des Grand Prix auf dem Nürburgring brennt der Ferrari von Niki Lauda. Er erlitt schwere Verbrennungen.

(Foto: Foto: dpa)

Der Mützenmann als König des Geldverdienens

Von ihm, heute 59 Jahre alt, soll hier die Rede sein. Das Kapperl ist seit mehr als 30 Jahren Niki Laudas ständiger Begleiter. Im Sommer 1976 hatten Chirurgen Hautpartien vom Gesäß an den Kopf des seinerzeit amtierenden Formel-1-Weltmeisters verpflanzt, um die schlimmsten Spuren eines fürchterlichen Sturzes am Nürburgring wenn nicht zu tilgen, so doch zu mildern. Aber Lauda ist keiner, der lamentiert: Der vom Feuer gezeichnete Rennfahrer erkannte rasch, dass eine feuerrote Mütze gut für die Optik und noch besser fürs Geschäft sein würde.

Wenige Wochen nach dem Horrorcrash saß er wieder in seinem Ferrari, den Kampf um die Verteidigung der Formel-1-Krone fortzusetzen. Das Publikum war verwirrt und fasziniert zugleich, aber der eigensinnige Held toppte seine Courage, als er im letzten Saisonrennen bei strömendem Regen aufgab: "Es ist zu gefährlich", so Lauda lakonisch. Weltmeister wurde James Hunt auf McLaren.

Der Mann mit der Mütze

Den Rennfahrer Lauda kennt bis heute jedes Kind, die Mütze als Symbol für die Unbeugsamkeit eines Mannes hat die Legende frisch gehalten. Aber das Stückchen Stoff mit Schild ist mehr als ein optischer Erinnerungsspeicher für die Massen. Die Mütze ist auch Zeichen für ein zweites großes, wenn auch profaneres Talent des Helden: das Business. Denn die Mütze, normalerweise die Erwerbsquelle der Zukurzgekommenen am Rande der Fußgängerzonen, brachte dem Geschäftsmann Lauda Millionen.

Auto-Köpfe (2): Niki Lauda: Niki Lauda in seinem Formel-1-Renner Ferrari 312 T.

Niki Lauda in seinem Formel-1-Renner Ferrari 312 T.

(Foto: Foto: www.lugnutsracing.com)

Zunächst und für viele Jahre schmückte sich die italienische Großmolkerei Parmalat mit dem prominenten Kopf, jetzt ist es der Schweizer Maschinenbauer Oerlikon. Und Lauda tut nichts dazu, was er nicht sowieso täte: Präsenz zeigen, für RTL die Formel 1 kommentieren, Mütze tragen, Niki Lauda sein. Die Kappe eine Krone. Der Mützenmann König des Geldverdienens.

Die perfekte Selbstinszenierung

Sportsmann oder Showmaster? - Das ist eine Frage, die Freunde und Gegner entzweit. Klar ist: Niki Lauda hat aus der Formel 1 seine ganz persönliche Business-Bühne gemacht. Klar ist auch: Nur wenige ehemalige Profisportler haben und hatten ein ähnliches Haltbarkeitsdatum wie der Ex-Rennfahrer aus Österreich. Die Fußballer Franz Beckenbauer und Pelé zum Beispiel. Die Boxer Max Schmeling und Muhammad Ali. Die Tennisspieler John McEnroe und Boris Becker vielleicht.

Dass der dreifache Formel-1-Weltmeister Lauda die Selbstinszenierung zwischen Charisma und Chuzpe zur Perfektion entwickelt hat, steht außer Frage. Zweimal trat er zurück ("Es gibt Wichtigeres, als im Kreis herumzufahren"), zweimal kam er zurück, und obwohl er seine letzte offizielle Zielflagge vor 22 Jahren sah, ist er bis heute in der Öffentlichkeit präsenter als die meisten aktiven Formel-1-Fahrer.

Der Mann mit der Mütze

Auto-Köpfe (2): Niki Lauda: Der Ex-Formel 1-Pilot Niki Lauda an Bord eines Airbus A320 seiner Fluglinie Niki.

Der Ex-Formel 1-Pilot Niki Lauda an Bord eines Airbus A320 seiner Fluglinie Niki.

(Foto: Foto: ddp)

Der Mann mit der Mütze ist ein Magier der eigenen Marke. Sein Zauber ist ein Gebräu aus Individualismus, Kompromisslosigkeit und Willenskraft. Eine Mischung, die auch den Geschäftsmann Lauda treibt, seit er 1979 - im vergleichsweise zarten Alter von 30 - die Fluggesellschaft Lauda-Air gründete.

Diese Geschichte klingt heute wie ein Stück aus dem Kuriositätenkabinett: Der Weltmeister wollte nicht nur Formel-1-Boliden pilotieren, sondern auch Flugzeuge. Und weil Lauda immer alles gibt, solange es nicht das eigene Geld ist, sollte sich das Hobby möglichst sauber refinanzieren. Sparsamkeit als Zündfunke einer Geschäftsidee? - "Die größte Freude kannst Du ihm machen, wenn Du ihn am Flughafen abholst und vorher seinen Wagen vollgetankt hast", sagt Sohn Mathias, 26.

Ein zweites Leben als Flugpilot

Lauda-Air, heute unter dem Dach der Austrian Airlines mit eigenwillig getauften Maschinen unterwegs - Freddy Mercury, Georges Harrison, Gregory Peck, Frank Zappa, Miles Davis, Kurt Cobain, Ray Charles, Frida Kahlo -, fliegt wie ihr Gründer durch die Höhen und Tiefen der griechischen Tragödie: Linienkonzession 1988, Totalverlust einer Boeing 767-300 mit 223 Todesopfern über Thailand 1991, Kooperation mit Austrian Airlines (AUA) und Lufthansa 1996 und 1997, schließlich Komplettübernahme durch die AUA im Jahr 2002. "Sobald Dir ein anderer sagen kann, wo es langgeht, wird es kompliziert", sagt Niki Lauda.

Neben der Sparsamkeit und dem Nonkonformismus pflegt er heute vor allem diese drei Geschäftsprinzipien: Unabhängigkeit, Unabhängigkeit, Unabhängigkeit. Nach dem Kassemachen mit Lauda-Air sitzt er deshalb eine vertraglich festgelegte Sperrfrist als Flugunternehmer ab, um direkt im Anschluss mit der Billig-Airline Niki erneut in die Luft zu gehen.

Lauda ist 55, als er durchstartet, und Niki bedient heute von Wien aus Linien nach Ost-, Mittel- und Südeuropa: neun Flugzeuge, 20 sind geplant. 200 Millionen Euro Jahresumsatz, jährliches Wachstum bei 30 Prozent. 300 Beschäftigte, davon 150 Flugbegleiter und 80 Piloten. Einer davon ist Niki Lauda selbst: "Wann immer es geht, fliege ich in der Früh selbst, meistens nach München oder nach Frankfurt und zurück." Der Niki-Chef ist Frühaufsteher: "Fünf Uhr aufstehen, 6.30 Uhr einchecken, 7.30 Uhr Abflug, direkt im Anschluss zurück; gegen elf bin ich dann in meinem Büro am Wiener Flughafen und kann mich fast einen vollen Tag ums Geschäft kümmern."

Der Mann mit der Mütze

Und Niki-Chef Lauda ist Pragmatiker: "Es ist praktisch, denn erstens spare ich dann einen Piloten und zweitens ist es kostenlose Werbung, wenn die Leute erzählen, heute hat mich der Lauda persönlich geflogen." Der Niki-Chef ist ein Marketingmann: "Die meisten Leute freuen sich, wenn sie etwas zu erzählen haben." Es gebe aber, sagt er dann, einen weit besseren Grund, ein Ticket bei seiner Airline zu kaufen: "Wir sind immer billiger." Der Niki-Chef ist eine Verkäufernatur.

Ein Erfolgsrezept - Direktvermarktung übers Internet -, das auch Laudas zweites Mobilitätsunternehmen treibt. Lauda-Motion vermietet den Smart zum Kampfpreis ("1 Smart, 1 Tag, 1 Euro"). Und die Idee scheint simpel: Nicht der Mietwagenkunde bezahlt die Zeche, sondern ein Werbekunde, der die Autos mit einer Botschaft beklebt. Die einzige Bedingung für den Mieter ist, dass er das Auto pro Miettag wenigstens 30 Kilometer im Stadtverkehr bewegen muss.

Die Wünsche der Kunden immer im Blick

Typisch Lauda, dass er mit dieser kuriosen Idee Gas gibt und mittlerweile in zehn deutschen und österreichischen Großstädten rund 550 Autos am Start hat. Typisch Lauda, dass er jede Idee als kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten begreift. Hier der Mensch, dort seine primären Bedürfnisse als Kunde. Bei seinen Fluglinien ist es die Qualität der Bordverpflegung, bei der Autovermietung ist es die Stadttauglichkeit des Mietwagens: "Die Leute wollen in einer fremden Stadt mobil sein und mobil sein heißt ja auch, nicht stundenlang nach einem Parkplatz zu suchen." Deshalb der Smart: "Für den findest Du immer ein Plätzchen. Die Kunden, die Werbung buchen auf unseren Autos, wollen ja nicht, dass ihre Botschaften in den Parkhäusern verschwinden."

Niki Lauda wirkt jetzt ungeduldig. Er hat keine Lust, viele Worte zu machen. Der Nonkonformismus ist ihm nicht Bedürfnis, er ist seine Natur. Neue Ideen reizen ihn. "Lauda-Motion funktioniert, weil die Idee funktioniert", sagt er, "das ist wie beim Smart - wer das Konzept kapiert hat, findet es genial." Der dreifache Formel-1-Weltmeister Lauda hat der großen PS-Parade längst abgeschworen: "In Wien fahre ich nur den Smart, weil alles andere ein Blödsinn wäre."

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