Auto-Kennzeichen in China:Kostbar wie Gold

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Chinas Metropolen verlosen und versteigern Autokennzeichen: In Peking muss ein Autofahrer im Schnitt 72 Monate warten. Knapp 9000 Euro kostet ein Kennzeichen in Shanghai. Dauerstau und Rekordsmog bekommt China damit trotzdem nicht in den Griff.

Von Kai Strittmatter, Peking

Man kann sich das Kennzeichen natürlich auch sparen. Aber das ist in Peking oder Shanghai eigentlich nur dann eine gute Idee, wenn man eine jener teuren Limousinen mit abgedunkelten Scheiben fährt, die kein Polizist anzuhalten wagt. Bei allen anderen Bürgern von Chinas Metropolen steht vor dem Traum vom eigenen Auto ein viel kühnerer Traum: der vom eigenen Nummernschild. Ein solches nämlich, stellte Shanghais Vizebürgermeister Shen Jun jetzt fest, sei hier mittlerweile "so kostbar wie Gold".

Die Euphorie deutscher Autohersteller über die explodierenden Absätze in China hat eine Kehrseite: Chinas große Städte werden begraben unter einer Pkw-Lawine. Allein im Jahr 2010 wurden in Peking 800.000 neue Autos zugelassen. Die mittlerweile 5,2 Millionen Wagen haben der Stadt nicht nur Dauerstau beschert, sie tragen auch eine Mitschuld an dem Rekordsmog, der Peking nun schon die dritte Woche in eine giftige Suppe taucht.

Notbremse kam 2011

Die Stadtregierung tat erst Anfang 2011 das, was Shanghai schon fast zwanzig Jahre zuvor eingefallen war: Sie zog die Bremse bei den Neuzulassungen. Seither geht es den Pekingern wie den Shanghaiern: Es nützt gar nichts, wenn einer das Geld fürs Auto zusammenhat - er braucht erst einmal ein Nummernschild, und die sind, wie ein chinesisches Sprichwort sagt, "so selten wie das Horn des Einhorns".

Die beiden Städte gehen verschiedene Wege. Die 23-Millionen-Einwohner-Stadt Shanghai verteilt seit 1992 ihre Zulassungen bei Auktionen. Knapp 21.000 Bieter stritten sich in diesem Monat um 9000 Kennzeichen - und wieder schoss der Preis in die Höhe. Im Durchschnitt zahlten die Käufer mehr als 75.000 Yuan, knapp 9000 Euro, die Hälfte mehr als noch vor einem Jahr. Dafür kriegt man in China schon einen brandneuen Kleinwagen mit allen Extras. Um Spekulanten abzuschrecken, hatte Shanghai im Juli erst eine neue Regel eingeführt, wonach der Weiterverkauf einer Zulassung erst nach drei Jahren möglich ist, dennoch stiegen die Preise weiter. Sich das Nummernschild in einer Nachbarstadt zu besorgen, hilft nicht: Viele Stadtautobahnen sind für Autos aus anderen Städten gesperrt.

In Peking wird nicht versteigert, hier wird verlost, genau wie in der Stadt Guangzhou. Und das Ganze hat verrücktere Dimensionen: Um die monatlich 20.000 Zulassungen bewarben sich im Januar fast 1,5 Millionen Pekinger. Das heißt: Im Durchschnitt wartet hier einer 72 Monate auf sein Schild. Sechs Jahre. Kein Wunder, dass einige die Hintertür suchen.

Einen Aufschrei löste im Dezember die Meldung aus, der Direktor der Verkehrsbehörde, Song Jianguo, habe Nummernschilder unter der Hand verkauft. Peking dementierte. Aufmerksamen Internetnutzern war aufgefallen, dass eine gewisse Liu Xuemei in der Lotterie sieben Mal hintereinander gewonnen hatte - denselben Namen trägt ausgerechnet die Vizedirektorin der Kfz-Behörde der Polizei. "Zufall", war die offizielle Reaktion. Später berichtete die Presse, Songs Sohn und seine Sekretärin seien die Übeltäter gewesen.

Bis zu 200000 Yuan (24.000 Euro) sollen die beiden pro Kennzeichen kassiert haben. Tatsächlich käme man da billiger davon, würde man sich sein Schild aus Gold (aktuell knapp 40 Euro das Gramm) selbst hämmern.

© SZ vom 30.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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