Auto China 2010: Deutsche Hersteller:Neue Heimat

Deutschlands Autobauer fühlen sich im Reich der Mitte pudelwohl und fahren auf der Messe in Peking ein Power-Programm.

Sebastian Viehmann

Peking ist in diesen Tagen der automobile Nabel der Welt. Die Hersteller lassen die riesigen Messehallen mit ihren Neuheiten aus allen Nähten platzen, Massen von Besuchern quetschen sich wie Sardinen durch die Hallen, jede Pressekonferenz gleicht einem Rockkonzert - mit Absperrungen und uniformierten Ordnern. Egal wer vor die Mikrofone tritt, er hat mit Sicherheit steigende Verkaufszahlen und rosige Aussichten zu verkünden.

Auto China 2010: Deutsche Hersteller

Mit einem Gardemaß von 5,27 Metern und zwölf Zylindern unter der Haube soll der lange Audi A8 betuchte Chinesen anlocken

(Foto: Foto: Pressinform)

"Nirgendwo ist das Potenzial für die Zukunft offensichtlicher als hier", freute sich Daimlers Nordostasien-Chef Ulrich Walker beim Premierenabend des Konzerns. Auch bei BMW und Audi ist die Freude dank hervorragender Absatzzahlen groß. In China boomt selbst das Luxussegment noch ungehemmt, nirgendwo werden zum Beispiel mehr S-Klassen verkauft.

Nicht kleckern, sondern klotzen heißt es also bei den deutschen Autobauern, auch wenn das Luftfahrt-Chaos durch die Aschewolke viele Zeit- und Flugpläne durcheinander würfelte und den Organisationsteams schlaflose Nächte bescherte.

Daimler zeigt in Peking seinen aufgefrischten Maybach, präsentiert die Langversion der E-Klasse und gewährt den Besuchern auch noch einen Ausblick auf die Zukunft mit dem CLS Shooting Break. Ob der elegante Kombi Realität wird, bleibt abzuwarten - in China werden schließlich so gut wie keine Kombis verkauft -, aber nicht nur die chinesischen Journalisten drücken sich an der Studie schon einmal die Nasen platt und fotografieren sich die Finger wund.

Vor allem Langversionen sind gefragt

Genau so umlagert ist die Langversion des neuen 5er BMW. Die um 14 Zentimeter gestreckte Limousine wird im BMW-Werk in Shenyang produziert. Bei Audi ist ebenfalls Stretching angesagt, und zwar gleich für das Flaggschiff A8. Mit einem Gardemaß von 5,27 Metern und zwölf Zylindern unter der Haube soll der lange Audi betuchte Chinesen anlocken. In China sind repräsentative Limousinen vor allem als Langversionen gefragt, denn hier fährt der Chef nicht selbst: Die Passagiere strecken sich im Fond aus, während sich ein Chauffeur mit weißen Handschuhen und Freude am Hupen durch das alltägliche Verkehrschaos kämpft.

Bei Volkswagen wird ebenfalls das Flaggschiff an die Front geschickt: Der Phaeton präsentiert sich frisch überarbeitet und mit dem typischen VW-Gesicht. Für den Tiguan hat VW in China bereits zahlreiche Bestellungen, und mit ihren China-Modellen Sagitar, Magotan und Passat New Lingyu bedienen die Wolfsburger die komplette Bandbreite der Mittelklasse. Der Sportwagenbauer Porsche setzt den emotionalen Kontrapunkt zu den gediegenen Limousinen und zeigt in Peking das neue Basismodell des Panamera mit 300 PS starkem Sechszylinder.

Bei Ford dreht sich der neue Focus auf dem Präsentierteller, der zwar schon in Detroit zu sehen war, den man aber zum Beispiel den Besuchern der AMI in Leipzig nicht gönnte. Als Konzeptauto steht der Winzling Ford Start mit Dreizylindermotor und EcoBoost-Technik im Rampenlicht.

Sogar Opel ist in Peking vertreten, wenn auch nur indirekt: Die in China sehr erfolgreiche GM-Marke Buick zeigt den Buick Excelle, hinter dem der Opel Astra steckt, und bei Chevrolet zeigt man das Elektroauto Volt MPV erstmals der Öffentlichkeit. Die vergrößerte Version des Volt dürfte früher oder später auch bei Opel herumstromern, denn schließlich ist der Opel Ampera baugleich mit dem Chevrolet Volt.

China: mehr als 160 Millionenstädte

Die Flut an Neuheiten zeigt den Optimismus der deutschen Autobauer und die Rolle Chinas - eine Art neue Heimat als Zuflucht in der Krise. Für 2010 prognostiziert das Forschungsinstitut Center Automotive Research (CAR) mehr als zehn Millionen Verkäufe, für 2015 sogar 15 Millionen.

Doch Kevin Huang, Analyst beim Marktforschungsinstitut Jato Dynamics, bremst die Hoffnung auf ungehemmtes Wachstum zumindest für 2010: "Im vergangenen Jahr gab es Kaufanreize für Motoren mit weniger als 1,6 Litern Hubraum, das hat die Verkäufe stark gesteigert. Diese Leute haben aber jetzt ihr Auto und kaufen sich nun erst einmal kein neues", sagt Huang.

Er verweist außerdem auf mögliche Regulierungsmaßnahmen auf dem chinesischen Immobilienmarkt, der durch Spekulanten aus dem Ruder zu geraten droht - die ständig steigenden Immobilenpreise nähren die Furcht vor einer Immobilienblase. "Der Immobilienmarkt beeinflusst letzten Endes auch den Automarkt, es könnte also zu einer stärkeren Zurückhaltung der Käufer kommen", glaubt Huang.

Dass Chinas Automarkt langfristig ständig steigende Zuwachsraten haben wird, darin sind sich allerdings die meisten Analysten einig. Das Potenzial ist schließlich riesig: Es gibt mehr als 160 Millionenstädte, die wohlhabende Mittelschicht wächst, und noch haben die allermeisten Chinesen kein Auto - rund 80 Prozent der Käufer sind Erstkäufer und damit offen für Neues. Das Reich der Mitte bleibt ein knallbunter Tummelplatz, in dem jeder seine Nische findet, wenn er nur laut genug trommelt.

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