Autofahren:Fahrschulsimulatoren sollen die Umwelt schonen

Svitlana Magazova am Steuer des Fahrschulsimulators

Fahren im Stillstand: Mit dem Simulator können Fahrschüler den Umgang mit dem Auto lernen - ohne drängelnden Verkehr und ohne Hupkonzert von hinten.

(Foto: S. Przybilla)
  • Fahrschulsimulatoren sollen Schülern die Angst vorm Autofahren nehmen und gleichzeitig durch Benzinsparen die Umwelt schonen.
  • Durchgesetzt haben sie sich bisher nicht: 600 bis 900 Geräte stehen in 10 000 deutschen Fahrschulen.
  • Der Nutzen ist umstritten, aussagekräftige Studien gibt es bisher nicht.

Von Steve Przybilla

Das Lenkrad fest in der Hand, der Blick starr geradeaus: Svitlana Magazova ist ein bisschen nervös. Die fremde Umgebung, die vielen Knöpfe, das ungewohnte Armaturenbrett. Und dann auch noch Schalten! Alles ist neu für die 22-Jährige. Wenige Tage zuvor wusste sie noch nicht einmal, wie viele Pedale ein Auto hat - nun soll sie das Abbiegen üben. "Wird schon", sagt sie beim Losfahren, mehr zu sich selbst. Als sich die erste Kreuzung nähert, macht sie alles richtig. Blinken, bremsen, kuppeln, schalten - "und den Schulterblick nicht vergessen", erinnert sie Simon über Kopfhörer. Man kann schließlich nicht an alles denken, gerade am Anfang.

Simon ist kein Fahrlehrer, sondern der Name des gleichnamigen Simulators, in dem die Studentin an diesem Tag sitzt. Simon sieht einem echten VW Golf innen zum Verwechseln ähnlich. Er umfasst drei Flachbildschirme, ein Armaturenbrett, einen Schaltknauf und einen Sportsitz mit Sicherheitsgurt. Eine Webcam behält die Fahrschülerin stets im Blick. Von außen sieht Simon ziemlich unspektakulär aus, etwa so wie ein Spielhallen-Automat, den man mit einem Euro füttert, um sich eine Verfolgungsjagd mit der Polizei zu liefern. Doch der erste Eindruck täuscht. 21 000 Euro hat die High-Tech-Maschine gekostet, so viel wie ein kleiner Neuwagen.

Die Reaktionen des Autos lassen sich leichter lernen

Ralph Walz hat Simon in diesem Mai erworben. Der Inhaber einer Tübinger Fahrschule ist von seiner Investition voll und ganz überzeugt: "Das ist die Zukunft", sagt er. "In zehn Jahren wird das jeder so machen." Walz ist begeistert vom technischen Fortschritt, schwärmt von digitalen Autobahn-Fahrten und 3D-Brillen, die schon bald auf den Markt kämen. Bisher kann Simon nur den Stadtverkehr abbilden - und kommt ausschließlich freiwillig zum Einsatz. Wenn Fahrschüler in der Theorie fortgeschritten sind, aber noch nicht im realen Verkehr unterwegs waren, können sie den Simulator nutzen. Sechs Einheiten à 45 Minuten sollen helfen, sich schneller an die grundlegenden Funktionen eines Autos zu gewöhnen. Vor allem aber Benzin soll Simon sparen. Sogar Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer hat deshalb schon eine Runde gedreht und das Foto hinterher bei Facebook gepostet.

Auch die Fahrschüler profitierten von dem neuen Gerät: "Gerade am Anfang muss ich niemandem unnötig den Schweiß auf die Stirn treiben", sagt Walz. Lenken und Bremsen könne man viel besser in Ruhe lernen, ohne Fußgänger, Gegenverkehr und - wie in Tübingen üblich - unzählige Radfahrer. Er schaut zu Svitlana hinüber, die gerade den Motor abgewürgt hat. "Im richtigen Verkehr würden die Leute jetzt schon hupen", sagt Walz. Simon hingegen wiederholt seine Anweisungen mit der Gelassenheit eines Computers. "Du hast den falschen Gang eingelegt", sagt er im Ton eines Navis. "Zum Anfahren brauchst zu den ersten."

Nur 600 bis 900 Simulatoren in 10 000 Fahrschulen

Noch sind solche Unterrichtseinheiten eher selten. Rund 10 000 Fahrschulen gibt es in Deutschland. Simulatoren setzen aber nur 600 bis 900 Betriebe ein, schätzt die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF). Ihr Vorsitzender Gerhard von Bressensdorf spricht von einem "enormen Zuspruch" und "interessanten technischen Möglichkeiten". Bei der neuesten Generation sei die Bildqualität beeindruckend, die Haptik realistischer, als es jeder Film in der Theoriestunde vermitteln könne. Dennoch: "Eine echte Fahrstunde wird man dadurch nie ersetzen", betont von Bressensdorf. Auch wisse man noch nicht, wie störanfällig die Geräte seien - und wann sich die Anschaffung amortisiere.

John Lepine, Präsident des europäischen Fahrlehrerverbandes EFA, ist noch skeptischer. Die klassische Ausbildung habe sich bewährt, warum also Simulatoren einsetzen? "Man löst hier ein Problem, das es nicht gibt", sagt Lepine. Vor allem in Frankreich, Portugal und der Slowakei seien die Geräte beliebt, in Großbritannien hingegen äußerst selten. "Als Fahrlehrer kann man natürlich einen Profit aus solchen Anschaffungen schlagen", vermutet Lepine. "Wenn Sie zehn Geräte aufstellen, brauchen Sie nur einen echten Fahrlehrer, der das Ganze beaufsichtigt." Ob es den Schülern etwas bringe, wisse man wegen fehlender Studien bisher nicht. Und das Öko-Argument? "Halte ich für Unsinn", sagt Lepine. "Die Simulatoren verbrauchen schließlich auch Strom."

Ersetzen kann der Simulator eine echte Fahrstunde nicht

Ganz anders die Meinung der Automobilklubs. Der AvD begrüßt den "zusätzlichen Trainingseffekt für Fahrschüler"; der ADAC spricht von "einem geeigneten Mittel", um Sprit zu sparen und den Fahrschulwagen zu schonen. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) meint: "Fahrsimulatoren eignen sich gut, um Situationen nachzustellen, die sich nur schwer im Realverkehr darstellen lassen." Einig sind sich aber alle: Ersetzen kann der Simulator eine echte Fahrstunde nicht.

So sieht es freilich auch Fahrschul-Inhaber Walz. Bei ihm zählt der Simulator weder als offizielle Theorie- noch als Praxisstunde. Eine Runde mit Simon (27 Euro) kostet weniger als eine "echte" Fahrstunde (41 Euro). "Einen messbaren Erfolg gibt es nicht", räumt Walz ein. Vom Gefühl her bewegten sich viele Fahrschüler nach ihren Übungen im Simulator aber deutlich sicherer im echten Verkehr. Dadurch sparten sie mitunter sogar Geld, weil sie am Ende weniger Praxisstunden bräuchten. Vor allem Frauen nutzten den Simulator. Auch Svitlana Magazova ist mit ihrem Roboter-Auto zufrieden. Zu Hause wird sie sich später noch einmal an ihrem eigenen PC einloggen, um die Lektion nachzuvollziehen - inklusive aller Fehler. Und wie real fühlt sich das Ganze an? "Wie in einem echten Auto", sagt die Fahrschülerin - aber das hat sie schließlich auch noch nie gesteuert.

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