Audi TT:Ein Spiegelbild der emotionalen Kraft

Ein erstaunlich agiles Gefährt mit erstaunlicher Optik zu einem erstaunlich günstigen Preis

(SZ vom 29.08.1998) Audi hatte ja bislang mit seinen Styling-Studien kein so großes Glück - der Spyder, der auf der IAA 1991 für spitze Schreie des Entzückens sorgte, wurde nach nur sechs Monaten dem Porsche Boxster geopfert (und hinterließ gut 3000 enttäuschte Interessenten, die sich bereits in die Wartelisten eingetragen hatten), während der zwei Monate später in Tokio präsentierte futuristische Avus mit seinem W12-Triebwerk (von dem zehn Exemplare für jeweils eine Million Mark angedacht waren) ebenfalls im Museum endete. So war denn auch die Vorfreude auf den TT, der auf der IAA des Jahres 1995 erstmals zu betrachten war, eher gedämpft: "Wieder eine tolle Studie für das Museum", dachten viele. Doch sie sollten sich täuschen - denn nur drei Monate später fiel die Entscheidung zugunsten des TT (und des TT-Roadsters, der von April 1999 an bei den Händlern stehen wird).

Wie ein Fels in der Brandung

Mittlerweile ist die Studie zu einem fertigen Auto gereift - und sie hat in diesen 36 Monaten erfreulicherweise nur wenig von ihrem spröden Charme verloren. Noch immer steht die Frontpartie wie ein Fels in der Brandung - und auch das Heck wölbt sich dem Betrachter so keck entgegen, daß man zuerst darüber nachdenken muß, wo denn nun eigentlich die Front- und wo die Heckpartie beheimatet ist. Wer die damalige Studie und das heutige Serienmodell nebeneinanderstellt, wird denn auch den Unterschied zunächst nur anhand des zusätzlichen Seitenfensters erkennen.

"Audi ist unberechenbar", verkündet Peter Schreyer, der Chef-Designer der Ingolstädter stolz - und in der Tat ist der TT (wie auch der TT-Roadster) ein derart unverwechselbares Fahrzeug geworden, daß man kein Prophet sein muß, um zu ahnen, wohin die großen Design-Preise der nächsten Monate wandern werden.

Unter der sympathischen Karosserie ist aber auch eine der dynamischen Form adäquate Technik gelandet. Zwei Motorisierungsvarianten sind erhältlich: der 132 kW (180 PS) starke TT mit Frontantrieb (Höchstgeschwindigkeit: 228 km/h, Null auf 100 km/h in 7,4 Sekunden, Verbrauch: 8,0 Liter Super Plus im EU-Zyklus) und ein 165 kW (225 PS) starker TT mit quattro-Antrieb, der 243 km/h erreicht, nach 6,4 Sekunden die 100 km/h-Grenze durcheilt und 9,2 Liter Super Plus auf 100 Kilometer verbraucht - wer weniger Leistung plus Allradantrieb haben möchte, kann auch zum 180 PS starken quattro greifen.

Zur großen Freude der 10 000 Bürgerinnen und Bürger, die bereits ihren Kaufvertrag unterschrieben haben, hat Audi auch faire Preise bekanntgegeben: Mit 52 800, 57 000 und 62 000 Mark gehören die TT-Modelle - in Relation zur Leistung - zu den günstigeren Coupés im Angebot. Und da sich unter der polarisierenden Hülle auch ein adäquates Fahrwerk befindet, werden sich zu den 10 000 Käufern auch rasch Interessenten finden, die die Produktionsziffern (und Umsatzzahlen) der Ingolstädter weiter ansteigen lassen werden.

War der BMW Z 3 als liebliche Design-Übung, der Mercedes SLK dank seines versenkbaren Dachs als Gag-Mobil und der Porsche Boxster als kleiner Bruder des Elfers angelegt, so überrascht der TT als Design-Objekt der anderen Art: Er wirkt nüchtern und sachlich, als spröde Interpretation des Coupé-Themas mit der tiefen Überzeugung, daß der Slogan Vorsprung durch Technik noch immer seine Berechtigung hat. Allerdings könnte diesem Satz noch die Variante Vorsprung durch Design hinzugefügt werden, denn Audi will mit diesem Coupé - so jedenfalls die Aussage des Vorstands-Vorsitzenden Franz-Josef Paefgen - "ein Spiegelbild der emotionalen Kraft unseres Unternehmens geben".

Daß die runde, geduckte Form des TT Attribute wie "rasender Panzerspähwagen" oder "rollender Alessi-Toaster" provozierte, nahm man dabei gerne in Kauf. "Die Hauptsache, der Wagen wurde klar und absolut", definiert Peter Schreyer den TT. "Wir wollten einen Sportwagen schaffen, der durch Echtheit und Liebe zum Detail eine Faszination ausstrahlt, wie wir sie bei Automobilen aus der modernen Massenfertigung nur noch selten empfinden".

Aber unabhängig davon, wie man zu der Form stehen mag, wird sich der TT auch wegen seines Temperaments und wegen seiner Fahrdynamik einen soliden Ruf verschaffen. Selten war die Meinung aller anwesenden Motorjournalisten derart einhellig: Vom Fahrwerk, den Bremsen und der Fahrfreude her gibt es derzeit auf dem Markt nur wenig Vergleichbares - und wenn, dann nur zu deutlich höheren Preisen.

Mit seinen kompakten Abmessungen (knapp vier Meter Länge, 1,76 Meter Breite und 1,34 Meter Höhe), einem zwar straffen, aber dennoch erstaunlich komfortablen Fahrwerk und den beiden drehfreudigen Triebwerken hat Audi eine gute Basis für die hohe Agilität des TT gelegt - der mit den hervorragenden Bremsen und dem quattro-Allradantrieb noch zwei zusätzliche Sahnehäubchen aufgesetzt wurden. Zwar ist bereits die Einstiegsversion mit ihren 180 PS und dem Frontantrieb mehr als ausreichend motorisiert, aber die zusätzlichen 45 PS der Top-Version und der Allradantrieb machen aus der beeindruckenden Basis einen Sportwagen der Extraklasse, der sich weder hinter dem Z3 M coupé noch dem Boxster zu verstecken braucht - und dies zu einem deutlich niedrigeren Preis. Dazu kommt, daß der TT als 2+2-Sitzer über einen vollwertigen und großzügigen Innenraum mit einem beachtlichen Gepäckabteil verfügt, in dem auch größeres Urlaubsgepäck problemlos mit auf die Reise gehen kann.

Der gerechte Lohn für Mut

Schwächen zeigt der TT nur wenige: Durch die hohe Seitenlinie und die kleinen Scheiben wirkt der Ausblick nicht eben großzügig, die Front- und Heckpartie muß beim Einparken eher erahnt werden, und manche Bedienungsknöpfe (wie die der elektrischen Fensterheber) sind eher schön als praktisch. Für den Wagen sprechen hingegen das Temperament, die Fahrfreude, die moderaten Verbrauchswerte und der (wahrscheinlich) nur geringe Wertverlust. Audi wird mit dem TT viel Geld verdienen - aber das ist der gerechte Lohn für den Mut, dieses Design-Objekt serienreif zu machen.

Von Jürgen Lewandowski

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