Audi Trans China 2011:Boom, Boom, Boom

China ist für Audi inzwischen der größte Auslandsmarkt. Die VW-Edelmarke hat es aber auch nicht allzu schwer: Man nützt den rasanten Aufschwung der Volksrepublik und wächst mit dem Markt einfach mit.

Günther Fischer

Preisfrage: Wer kennt Changchun? In dieser im Nordosten Chinas gelegenen Stadt leben immerhin fast neun Millionen Menschen - das allein ist schon mehr als Österreich als Ganzes Einwohner hat. In dieser Stadt produzieren VW und Audi ihre Automobile für den chinesischen Markt - 2010 waren es bereits eine Million Exemplare, davon mehr als 600.000 VWs und mehr als 300.000 Audis.

Begonnen hatte die Audi-Produktion vor Ort 1988 mit der Montage von Bausätzen in Lizenz durch den späteren Kooperationspartner des Volkswagen-Konzerns First Automotive Works (FAW). Audi-Entwicklungsvorstand Michael Dick kennt die Stadt von Anfang an - und erkennt sie inzwischen nicht mehr wieder: In ihrem Zentrum zumindest unterscheidet sie sich nicht mehr viel von westlichen Glitzermetropolen. "Aber", so Dick, "ich bewundere unsere Mitarbeiter, die als erstes hierher kamen, schon sehr. Die fanden ja nicht einmal ein Hotel vor, dass auch nur annähernd unsere gewohnten Standards aufwies."

Die ersten Audi-Kunden waren lange Zeit Behörden und Staatsfirmen. Inzwischen stieg der Anteil an Privatkunden auf bis zu 80 Prozent. Meist handelt es sich um mittelständische Unternehmen und erfolgreiche Geschäftsleute - auch das ist ein Unterschied zu Deutschland, wo rund 80 Prozent der gehobeneren Modelle ins Flottenmanagement gehen.

Bei einer Umfrage von J. D. Powers zur Zufriedenheit von Neuwagenkäufern belegte Audi 2011 in China unter 41 Marken auch zum dritten Mal in Folge den ersten Platz - und das in den unterschiedlichsten Kategorien - bei der Qualitätseinschätzung, bei der Kaufzufriedenheit, mit der geringsten Zahl an Beanstandungen und bei der Kundenbetreuung.

Wenn Audi inzwischen von China als seiner "zweiten Heimat" spricht, dann hat das einen guten Grund: Die Volksrepublik ist seit dem vergangenen Geschäftsjahr für Audi der größte einzelne Absatzmarkt - noch vor Deutschland. 23 Prozent ihrer Autos verkauft die VW-Edelmarke in China, 19 Prozent in Deutschland, 58 Prozent im ganzen Rest der Welt.

Anfangs, ab 1988, war es der Audi 100, der noch von Joint-Venture-Partner FAW montiert wurde. 1999 kam der Audi A6L (die Langversion) hinzu, 2003 der Audi A4. 2008 baute Audi seine eigene Montagehalle. Seit 2009 wird der A4 auch in einer Langversion gebaut (plus sechs Zentimeter), seit 2010 der Q5. Im selben Jahr stellte Audi den A6L auch als Elektroauto vor.

Der neue Kompaktvan Q3 wird momentan noch importiert, in naher Zukunft soll auch er in China gebaut werden. Die Montagehalle wurde dafür eigens erweitert - was einen zweimonatigen Produktionsstopp notwendig machte. In China zumindest kann sich Audi das leisten. Wer einen Blick in die modernen Werkshallen wirft, merkt nur dank der chinesischen Arbeiter, dass er sich im Fernen Osten befindet. Ansonsten unterscheiden sich die Montagebänder nicht sonderlich von denen in Ingolstadt.

Audi wächst mit dem Boom einfach mit

Audi profitiert natürlich vom unglaublichen Boom und dem Wirtschaftsaufschwung, der das riesige Land erfasst hat (laut letzter Volkszählung hat China 1,3397 Milliarden Einwohner - die Zahl wurde am 27. April 2011 offiziell bekanntgegeben). Die Folge: 2008 wurden etwas mehr als fünf Millionen Personenwagen in China verkauft, 2009 waren es 8,5 Millionen, 2010 11,4 Millionen, 2011 werden es mehr als 14 Millionen sein.

Übersetzt heißt das: Chinas Automarkt wächst jährlich um rund drei Millionen Exemplare - das ist das Volumen des gesamten deutschen Automarktes! Audi muss im Grunde eigentlich nur mitwachsen und mithalten.

Diese gigantischen Zahlen und Erfolge zeitigen inzwischen aber auch handfeste Nachteile. 90 Prozent aller Chinesen leben im Osten des Landes, jenseits der sogenannten Heihe-Tengchong-Linie - also weit über eine Milliarde Menschen. Und obwohl erst zehn Prozent aller Chinesen über ein eigenes Auto verfügen, hat der Verkehr in Peking, Shanghai und den anderen Megacities so gewaltig zugenommen, dass man auf den Stadtautobahnen und Umfahrungsstraßen fast rund um die Uhr im Stau steht.

Beispiel Shanghai. Die Mega-Stadt an der Mündung von Jangtse und Huang Po zählt inzwischen rund 23 Millionen Einwohner. Sie verfügt mittlerweile über den größten Hafen der Welt und wächst rasant weiter - ein Boom, der aber erst 1990 mit dem Bau der Sonderwirtschaftszone Pudong begann, die mit dem Flaschenöffner-Wolkenkratzer und dem Fernsehturm die berühmte Skyline bildet.

Der Verkehr ist kaum noch zu bändigen, obwohl die Stadtautobahnen manchmal in sechs Stockwerken übereinander verlaufen und man als Fahrer durchaus öfter das kuriose Erlebnis hat, in der Höhe des 21. Stockwerks eines Wolkenkratzers unterwegs zu sein.

Weil das allein aber noch lange nicht reicht, schließt Shanghai täglich um 16.00 Uhr seine "Stadttore" - das heißt: Auf den Einfahrtsautobahnen werden alle Mautstationen geschlossen. Es geht nur noch raus aus der Stadt. Wer nicht rechtzeitig die letzte Mautstation passiert, hat einfach Pech gehabt. Allein durch diese doch eher drastische Maßnahme bleibt das Verkehrsaufkommen im Stadtinneren einigermaßen erträglich.

Ein weitere Maßnahme: Weil der Alltagsverkehr in den vergangenen Jahren derart zugenommen hat, bewilligt die Stadtverwaltung nur noch 5000 Neuzulassungen pro Jahr. So mancher zahlt seither viel Geld (bis zu tausende Euro), um auf der endlos langen Warteliste bis nach oben zu gelangen.

Was wird erst, wenn 20 Prozent aller Chinesen ein Auto besitzen? Es bleibt spannend, gigantisch und manchmal maßlos.

Mehr Infos über Autos, Audi, Land und Leute: www.audi-q3-trans-china-tour.com

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