Audi S8:S-Kalation

Mächtig und dennoch leicht im Auftritt: So oder ähnlich dürften die stilistischen Vorgaben für die S-Modelle von Audi lauten. Die Aussage trifft jedenfalls auf den neuen S8 zu. Er sieht fast wie ein A8 aus - aber unter der Haube tönt was ganz Neues.

Andreas Schätzl

In der High-End-Luxusklasse scheint es kaum Grenzen zu geben: weder technische noch preisliche und offensichtlich auch nicht im Absatz. Anders ist es nicht zu erklären, dass Mercedes-Haustuner AMG, die BMW-M-Klasse und eben auch die S-Modelle von Audi richtig reüssieren. Und schon lange kommt diese Klientel äußerlich sehr zurückhaltend daher. Dezenz ist geil.

s8; audi

Dezenz im Antritt: Audi S8

(Foto: Foto: Audi)

Dezenz war ganz offensichtlich auch Programm für die Designer des S8. Alles kennt man irgendwie vom A8, aber das Irgendwie hat so seine Gründe: Der Singleframe-Grill ist da, jedoch teilweise in Chrom-Optik gehalten, drei flache Lufteinlässe sitzen - dezent - darunter, daneben setzen Wabengitter sportlich anmutende Akzente. Überall gibt es Hinweise auf den S-Status: am Heck mit dem integrierten Spoiler, an den Türeinstiegsleisten, an den vorderen Bremssätteln (Keramik ist übrigens zahlungspflichtige Option).

Und dann findet sich noch ein besonderes Emblem an den vorderen Kotflügeln: V10. Ja, Leute, erraten: Das hat mit dem Motor zu tun, und der hat - wieder richtig - zehn Zylinder in V-Form anzubieten. Das Aggregat lehnt sich an den Zehnzylinder des firmeneigenen Lamborghini Gallardo an, ist aber letztlich doch eine Neuentwicklung: Es hat 5,2 Liter Hubraum, verfügt - neben anderen technischen Differenzierungs-Merkmalen - über die FSI-Benzin-Direkteinspritzung, die im siegverwöhnten Le-Mans-Rennwagen Audi R8 zum Einsatz kam, und ist sowohl auf Leistung als auch auf Durchzugskraft ausgelegt: 450 PS bei immerhin 7000 U/min stehen 540 Nm Drehmoment gegenüber.

Rumms, garantiert!

Diese liegen bei 3500 U/min an - ziemlich hoch, möchte man meinen. Und ändert diese Meinung, wenn man mitkriegt, dass 90 Prozent davon schon bei 2300 U/min verfügbar sind. Das spricht für viel Rumms in jeder Lebenslage, und in der Tat (sic!) geht der S8 ab wie Jimi Hendrix an der Stratocaster. Gasbefehle werden sehnsüchtig bis gierig angenommen und ultraspontan umgesetzt.

Das ist allerdings nichts Besonderes in dieser Liga. Was indes heraussticht, sind die Rahmen-/Karosserie-Konstruktion aus Aluminium und der permanente Vierradantrieb Quattro. Ersteres sorgt für ein vergleichsweise niedriges Leergewicht von laut Audi 1940 Kilogramm, das ohne Quattro noch einmal etwa 80 Kilo niedriger ausfiele. Dessen Beitrag zu Fahrstabilität und Grip ist hinlänglich bekannt und wird funktionell flankiert durch die elektronische Differenzialsperre und das abschaltbare ESP.

S-Kalation

Im Normalfall fließen 40 Prozent der Kraft an die Vorder- und der Rest an die Hinterachse, aber je nach Fahr- und Straßenbedingungen gehen bis zu 85 % an die hintere und maximal 65 % auf die vordere Achse. Bei sehr ambitionierter Kurvenfahrt merkt man, wie dieses rein mechanische Torsen-Differenzial blitzschnell arbeitet.

Luftikus

Das alles trifft beim S8 auf jene automatische Luftfederung, die im A8 als preisintensive Sportzutat erhältlich ist. Sie verfügt über vier verschiedene Kennlinien, mittels derer die Härtegrade der Luftfedern und Dämpfer variiert werden können, ebenso ist die Bodenfreiheit darübr wählbar.

Trotz seiner Gen-bedingten Größe (mehr als fünf Meter lang, einsneunzig breit) machen sich all diese elektronisch abrufbaren, aber letztlich mechanischen Einflüsse stets sehr deutlich bemerkbar im Sport-A8: Der Motor schnappt, Quattro werkelt, die Federungsgrade sind deutlich voneinander unterscheidbar.

Die Sechsstufen-Tiptronic-Automatik wurde ebenfalls an das Auto angepasst, sie dreht in jedem Modus höher aus, und die Lenkung agiert direkter als im A8 - könnte indes noch etwas direkter sein, finden wir. Und bei aller kontrollierenden, mäßigenden und Einhalt gebietenden Technik bleibt stets das Gefühl, dass man als Fahrer hier schon noch ein ordentliches Quäntchen Mitfahrrecht hat.

S-Kalation

Sportsmann

Haben sich die 265/35-R-Walzen auf den riesigen 9-x-20-Zoll-Felgen erst einmal warmgelaufen, ist der Dynamik-Modus des Fahrwerks angewählt und steht die Automatik auf S wie Sport, dann mutiert der Zweitonner zunächst in ein erstaunlich behändes und agiles Sportgerät und sodann - bei Bedarf - in ein Geschoss, das sich kaum noch von einem veritablen Supersportwagen unterscheidet.

Richtungs- und Kurvenstabilität beeindrucken ebenso wie die Bodenhaftung, und die Fahrleistungen sowieso: 5,1 Sekunden gibt man für null bis 100 km/h an, bei 250 wird elektronisch abgeregelt - sanft zwar, aber doch. Viele Kunden werden das nicht lieben - aber Audi bleibt hier hart.

Ein ständiger Begleiter ist der kernige Sound, dem das mit gut 6000 Euro Aufpreis zu Buche schlagende Bang-&-Olufsen-Soundsystem allerdings in jeder Phonlage Paroli bietet: Zwei Verstärker, 14 Lautsprecher und 1100 Watt tönen für sich, und Vierzonen-Klimaautomatik und Sitzheizung halten alles stets wohltemperiert.

Kein Klavier, kein Klavier

Die Monierliste ist kurz, aber vorhanden: Die Carbon-Applikationen vermochten uns nicht so recht zu überzeugen - wir hätten uns stattdessen so etwas wie schwarzen Klavierlack oder sehr dunkles Holz gewünscht. Die Ledersitze sind sehr gut, auch in ihrer Verstellbarkeit, und doch könnten sie noch etwas mehr Seitenhalt anbieten. Und eben die Lenkung: gut, indes dürfte sie noch etwas spontaner, direkter agieren.

Der S8 wird voraussichtlich von Mitte 2006 an lieferbar sein, zu einem Grundpreis von 97.600 Euro. Spielraum nach oben bleibt auch in dieser Höhe noch, etwa für die Keramikbremserei, Edel-Beschallung, Schiebedächer, Standheizung, Heckjalousie, Anhängerkupplung (!) und dergleichen. Aber an solchen Zusatzkosten dürfte ernsthaftes Kaufinteresse nicht wirklich scheitern.

Auch nicht am Durchschnittsverbrauch von laut Werk 13,4 Litern SuperPlus / EuroSuper, den wir mit Verlaub für knäpplich kalkuliert halten.

Ansonsten hat dieses Attribut bei diesem Auto praktisch nichts verloren.

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