Audi R8 V12 TDI:Dieselrenner auf Schleichfahrt

Dieser Morgen auf Watson Island in Miami hat etwas Geheimnisvolles, Konspiratives. Der rote Renner, der da heranrollt, ist der coolste Audi, den es je gab: ein R8 V12 TDI.

Stefan Grundhoff

Von dem 500 PS und 1000 Nm starken Rennwagen gibt es gerade einmal diesen einen Prototypen. Sein Wert liegt irgendwo zwischen 1,5 und 2 Millionen Euro - vielleicht auch etwas mehr. In den USA, quasi automobiles Feindesland, lassen die Ingolstädter Autobauer den Testballon starten. Hat der R8 eine reelle Chance auf einen Dieselmotor mit Doppelturbolader?

Audi R8 V12 TDI: Imposanter Auftritt des R8 V12 TDI: Kühleinlässe auch seitlich der Motorhaube

Imposanter Auftritt des R8 V12 TDI: Kühleinlässe auch seitlich der Motorhaube

(Foto: Foto: Pressinform)

Ein imposanter Auftritt

Dass das ganze kein wirres Gedankenspiel unterforderter Ingenieure ist, zeigt die seit dem Genfer Salon in kraftvollem Rot lackierte Flunder eindrucksvoll. Fest steht: Die One-Man-Show Audi R8 wird zeitnah Familienzuwachs bekommen. Zunächst dürfen sich Kunden, die derzeit bereits mehr als 18 Monate Wartezeit überbrücken müssen, auf den leistungsstärkeren Zehnzylinder im R8 freuen; bis 2010 dürfte auch der sehnlichst erwartete Roadster in Serie gehen.

Doch so spannend die Erweiterungen der Modellpalette auch sein mögen. Sie sind ein kühles Nichts gegen einen R8 mit Zwölfzylinder-Diesel. Es ist Frühling in Florida und die Sonne strahlt mit Entwicklungsleiter Thomas Kräuter um die Wette. Der braun gebrannte Entwickler ist mit dem Prototypen des R8 V12 TDI seit Wochen auf Werbetour in den USA.

Das Publikum auf Watson Island, einer der Luxusinseln vor Miami, lässt nicht lange auf sich warten. Zwei Amerikaner pirschen sich an den Rennwagen heran. Als sie von den Audi-Leuten im Zusammenhang mit dem R8 Begriffe wie "Diesel", "Doppelturbo" und "500 PS" hören, bekommen sie es mit der Angst zu tun. Die heimische Autoindustrie steht am Abgrund, Promis und Geldadel setzen nicht nur in Miami Beach schon lange auf europäische Luxuslimousinen und Sportwagen. Jetzt noch ein Porsche- und Corvette-Jäger mit Dieselmotor. Es reicht. Die beiden ziehen verwirrt und verängstigt ab.

Dieselrenner auf Schleichfahrt

Endlich geht es auf die erste Testfahrt. Ein Druck auf den Starterknopf im Lenkrad und der rote Baron erwacht kaum spürbar zum Leben. Der Selbstzünder ist kaum zu vernehmen, von Vibrationen ganz zu schweigen - nichts. Immerhin gibt der Drehzahlmesser ein Lebenszeichen vom Kraftprotz hinter den Sitzen: 600 Touren im Stand. Es geht los.

Audi R8 V12 TDI: Eine Schaltkulisse wie im Ferrari. Den italienischen Rennern könnte der R8 V12 TDI auch durchaus Konkurrenz machen.

Eine Schaltkulisse wie im Ferrari. Den italienischen Rennern könnte der R8 V12 TDI auch durchaus Konkurrenz machen.

(Foto: Foto: Pressinform)

Kupplung dringend gesucht

Das Drehmoment ist gewaltig. Schnell ist man im dritten, vierten Gang. Der Zwölfender ist unbeirrt mucksmäuschenstill, Kraftfluss und Tatendrang enorm. Doch der Prototyp ist eben auch nur ein solcher. Ausdrehen der Gänge, eine kurze Vollgas-Attacke - nichts dergleichen. Thomas Kräuter hebt mahnend den Zeigefinger. Doch auch im sanften Galopp zeigt der 1,9 Tonnen schwere Renner sein Potenzial. Der Drehzahlmesser erzieht den Piloten auf ungewöhnliche Art. Trotz kraftvoller Beschleunigungen zeigt der Drehzahlmesser kaum mehr als 2500 Touren. Boliden von Maserati, Ferrari oder Lamborghini würde schon über 6000 U/min drehen und wild krawallen.

"Wir haben im September vergangenen Jahres den Auftrag bekommen, dieses Auto bis zum Genfer Salon in die Tat umzusetzen", erzählt Thomas Kräuter, bei Audi zuständig für die Prototypen, "kurzfristig wurde dann entschieden, das Fahrzeug bereits auf der Detroit Auto Show zu zeigen." Für das knapp 30-köpfige Team rund um Projektleiter Thomas Kräuter hieß das eine heiße Vorweihnachtszeit und zahlreiche Sonderschichten.

Schnell stand fest, dass der 330 Kilogramm schwere V12-Diesel baulich in den R8 passen würde. Doch das Getriebe machte Sorgen - für 500 Doppelturbo-PS und über 1000 Nm Drehmoment gab es keines. Da die Doppelkupplung des konzernverwandten Supersportwagens Bugatti Veyron zu viel Platz benötigt hätte, musste es für den Prototypen erst einmal eine verstärkte Sechsgang-Handschaltung tun. Die mutiert bei dem roten Diesel-Kraftprotz fast zur Stufenautomatik. Bei soviel Leistung kann man die meisten Geschwindigkeiten in fast jedem Gang fahren. Thomas Kräuter: "Selbst knapp über dem Standgas ist man gut unterwegs."

Dieselrenner auf Schleichfahrt

Doch nicht nur die Technik lässt Sportwagenfans Applaus auf offener Szene spenden. Der R8 V12 TDI ist ein echter Hingucker: Zahlreiche Aluminiumelemente verzieren den bereits prächtig ausstaffierten Renner. Glanzstück ist das Glasdach, das von einer Nacka-Düse geteilt wird. Hier holt sich der mächtige Zwölfzylinder seine Luft zum Atmen. Zwischen den gläsernen Dachelementen zischt der Fahrtwind durch zwei Karbonröhren bis zum Mittelmotor. "Es war nicht leicht, dem Motor seinen Sound zu entlocken", erklärt Thomas Kräuter, "wir mussten dem Zwölfzylinder überhaupt erst einen Klang geben - er war nahezu geräuschlos." Nach zwei Tagen harter Entwicklungsarbeit gab es etwas mehr als leichtes Surren. Trotzdem geht der Zwölfender selbst im mittleren Drehzahlbereich noch auf Schleichfahrt.

Im Leerlauf macht der V12-TDI mit sauberer Harnstoff-Einspritzung im Heck gerade einmal 600 Touren. Euro-6 und eine USA-Zulassung sind für den Diesel kein Problem. Bei 1000 bis 1200 U/min lässt es sich kommod reisen. "Die Höchstgeschwindigkeit liegt in jedem Fall weit über 300 km/h Spitze", erzählt der Audi-Entwickler ohne jeden Stolz, "wir müssen erst einmal in den Windkanal. Das haben wir aufgrund des Zeitdrucks noch nicht geschafft. Und der Durchschnittsverbrauch beträgt nicht einmal zehn Liter Diesel auf 100 Kilometern."

Diesel, Sportwagen und Audi - das macht Sinn

Gut, dass kein Ferrari- oder Lamborghini-Pilot in der Nähe ist. Der würde spätestens jetzt seinen Autoschlüssel in das azurblaue Atlantikwasser werfen und seinen Führerschein gleich dazu. 500 PS, über 1000 Nm Drehmoment, über 300 km/h Spitze und versprochene zehn Litern Diesel - das haut auf der automobilen Flaniermeile Nummer eins, dem Ocean Drive, die härtesten Poser um.

Diesel, Sportwagen und Audi - das macht gerade in den USA durchaus Sinn, denn nirgends ist die Aufmerksamkeit für einen Diesel-Kampfjet derzeit größer als in den USA. In Miami Beach, Mekka für automobile Poser und Protzer, muss man schon etwas aufbieten, um Applaus zu ernten. Hier sieht man Gallardos oder F430 so oft wie bei uns einen Golf IV 1.9 TDI in Schwarzmetallic.

Es war kaum eine Überraschung, dass die Ingolstädter nach den dieselgetriebenen Rennerfolgen in der Le-Mans-Serie die Symbiose aus Selbstzünder und Rennflunder wagen würden. "Bisher gibt es genau einen Prototypen", erzählt Audi-Sprecher Josef Schlossmacher mit einem Lächeln, "und es ist noch nicht entschieden, ob der R8 V12 TDI in Serie geht." Doch die Chancen stehen nicht schlecht. Derzeit laufen die Kalkulationen, ob sich das Investment rechnet.

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