Audi R8:Acht gegeben!

Mit dem spektakulär schönen R8 spielt Audi von nun an auch in der imagebildenden Liga der Supersportwagen mit.

Jörg Reichle

Brad Johnson ist komplett aus dem Häuschen. Kaum hat der Jungmanager den nagelneuen Audi R8 in der Hotelauffahrt erspäht, parkt er seinen silbergrauen Ferrari 456 mit kühnem Schwung, springt heraus, kreist immer wieder um den dunkelgrauen Sportwagen aus Deutschland, bückt sich hier, streicht dort mit der Hand übers schön gebogene Blech. Der Mann kennt sich aus: ,,Klar, acht Zylinder Vau, 420 PS, gorgeous Engine, klingt wie ein Raubtier und dreht wie verrückt.''

Hochgereckte Daumen in Las Vegas

Las Vegas im Januar. Der Ort für die Vorstellung des R8 ist gut gewählt, das Publikum begeistert. Hochgereckte Daumen auf dem Highway, Passanten bleiben stehen, Fotohandys werden gezückt. Kein Wunder, bei dem Design.

Unter Regie des Spaniers Walter de'Silva entstand der erste entschlossene Schritt der Ingolstädter ins technikverliebte und Markenimage-bildende Segment der Supersportwagen: bloß 1,25 Meter hoch, geduckt und kraftvoll mit seinen betonten Radhäusern, elegant kaschierte Aggressivität; Front und Heck konsequent einander verwandt, fast feminin aus einigen Perspektiven.

Diskussionsstoff: seitliche Blenden

Die großen seitlichen Blenden (Sideblades) sorgen für Diskussion, schaffen aber auch Spannung und Charakter. Außerdem: Bestellt man sie in Wagenfarbe, gehen sie optisch auf Tauchstation, wenn es denn sein soll.

Man mag dem Design auch kleine Brüche nachsehen, wie das verspielt dauerleuchtende Band der LEDs unter den Scheinwerfern, das an eine Christbaum-Deko erinnert.

Oder das etwas verwirrende Nebeneinander von Formen und Funktionen im Cockpit, wo sich wie im Formel-Wagen ein Bogen aus glänzendem Carbon um den Fahrerplatz spannt, sich aber nicht so recht mit dem Verlauf der angrenzenden Mittelkonsole anfreunden mag. Dafür entschädigt wiederum die mechanische Pracht des V8 unterm gespannten Glas der Heckklappe, auf Wunsch des nächtens sogar in sanftes Licht getaucht.

Acht gegeben!

Ein Audi unter den Supersportwagen, das ist neu. Dass der ehemalige Audi-Frontmann und frisch gekürte VW-Chef Martin Winterkorn, der den R8 sichtlich stolz als sein besonderes Ziehkind präsentierte, sagt, das sei ,,ein Sportwagen, mit dem man auch Brötchen holen kann'', stimmt zwar. Es sollte aber nicht über die Entschlossenheit hinwegtäuschen, mit der man den Kampf gegen Platzhirsche wie den Porsche Carrera 4S aufnimmt, dem er in Leistung und Preis offen sichtbar Paroli bietet.

Trockensumpfschmierung und Zweischeibenkupplung

Damit der begeisternd gleichmäßig und spielerisch leicht bis auf 8250/min hochdrehenden 4,2-Liter-V8 mit FSI-Einspritzung aus dem RS4 überhaupt ins flache Heck passt, bekam er eine Trockensumpfschmierung und eine Zweischeibenkupplung mit geringem Durchmesser.

Rund um den 309 kW (420 PS) starken Mittelmotor, der sein maximales Drehmoment von 430 Nm auf dem Hochplateau zwischen 4500 und 6000 Umdrehungen erreicht, organisierte Audi einen Technik-Aufmarsch sondergleichen.

Extrem steif und mustergültig leicht

Unter anderem: permanenter Allradantrieb (Gewichtsverteilung 44:46 Prozent), der per Viskokupplung die Kraft variabel verteilt, aber den Vorderrädern maximal 35 Prozent gönnt, wahlweise ein vorzüglich schaltbares Sechsgang-Getriebe oder eine sequentielle Schaltbox namens R-tronic, die über Paddel am Lenkrad zu bedienen ist; dazu (auf Wunsch) die Magnetic-ride Dämpfertechnologie, die die Fahrwerkscharakteristik in Millisekunden dem Profil der Straße und dem Tempo des Fahrers anpasst.

Verpackt ist das Ganze in einem Aluminium-Gerippe (Space-Frame), das mittels spezieller Fertigungsverfahren von extremer Steifigkeit ist und mit 210 Kilogramm obendrein noch mustergültig leicht.

Acht gegeben!

Trotzdem vermitteln die Fahrleistungen (0 - 100 km/h: 4,6 Sekunden, Vmax: 301 km/h) allenfalls eine Ahnung vom wahren Charakter des R8, seiner Begabung, sich in den Niederungen des ganz realen Bummel-Verkehrs mit derselben Nonchalance zu bewegen wie auf dem schmalen, wenngleich weitaus seltener aufgesuchten Grat scharfer Fortbewegung im Grenzbereich des Möglichen.

Anders als im extremen Gallardo, mit dem er die Gene teilt, genießt man im R8, umgeben von einer dezenten Komposition aus Leder, Klavierlack oder Carbon, für einen Sportwagen großzügigen Raum, bringt hinter den Sitzen sogar Taschen unter, oder - wenn man sich einschränkt - zwei Golfbags.

Bass-Bariton im Rücken

Nochmal 100 Liter Gepäck passen vorn unter die Haube, optimal kann man das aber wohl nur mit dem maßgeschneiderten R8-Gepäck ausnutzen.

Der Rest ist pure Freude am Fahren: präzise, nicht zu leichtgängige Lenkung, Bremsen mit der Konsequenz eines Ankers, höchste Richtungsstabilität bei hohem Tempo dank verkleidetem Unterboden und ausfahrbarem Heckspoiler. Und der Motor im Rücken des Fahrers lässt seinen wunderbaren Bass-Bariton nur vernehmen, wenn er soll, sonst hält er sich zurück und stört nicht weiter. Auch das ist Reisekomfort.

Bis zu 20 Stück R8 sollen vom zweiten Quartal an in Neckarsulm täglich gebaut werden, von kleinen Teams und weitgehend in Handarbeit. 104.400 Euro wird das Auto mindestens kosten, 30 Prozent der Produktion dürften in die USA gehen. Brad wird sich freuen.

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