(SZ vom 21.09.1994) Understatemanet macht in der heutigen Zeit immer gut - Bescheidenheit nach außen, aber genau zu wissen, was man da so hat. Unter diese Kategorie fällt ganz eindeutig der Audi Avant RS2 - und die Fahrzeugpapiere verraten, was sich dahinter versteckt: eine Koproduktion von Audi und Porsche. Auf dem Wagen selbst muß man schon sehr genau hinschauen, um zu erkennen, wer hinter diesem Auto steckt. Lediglich ein kleines Emblem am Heck verrät es, und - das darf nicht unterschlagen werden - die in leuchtendem Rot lackierten Bremssättel, die hinter den Felgen hervorblinzeln.
Damit aber nicht genug der ungewöhnlichen Kleingkeiten, sie setzten sich im Innenraum fort. Unser Modell war mit königsblauen Alcantara-Recaro-Sitzen bestückt, die einen perfekten Seitenhalt bieten und bei denen nach Belieben auch noch die Sitzfläche verlängert werden kann - bequeme Sportlichkeit. Um den guten Geschmack abzurunden, prangte aus dem Sport-Leder-Lenkrad ein ebenfalls blau überzogener Aufpralltopf, in dem allerdings der Airbag fehlte. Ein Manko, das bei einem Auto, das immerhin knapp 100 000 Mark kostet, schwer wiegt. In diesem Zusammenhang sei auch gleich noch die fehlende Klimaanlage erwähnt, die ein solches Auto einfach verdient hätte.
Was dem modifizierten Audi 80 Avant ein wenig an Ausstattung fehlt, macht er bei der Leistung wieder leicht wett. Hat doch Porsche den herkömmlichen 2,2- Liter-Fünfventil-Turbo-Motor, der bei Audi noch 169 kW (230 PS) geleistet hat, mit Turboladern und sonstiger verfeinerter Technik auf 232 kW (315 PS) Leistung gebracht. Dennoch verhält sich das Aggregat nicht überzüchtet; in den unteren Drehzahlen scheint er fast ein bißchen saft- und kraftlos, allerdings nur so lange bis er die Marke bei 3500/min erreicht - dann entwickelt er eine beeindruckende Kraft. Ein solches Leistungspotential kann aber auch durchaus moderat gesteuert werden, was sich auch angesichts des getesteten Benzinverbrauchs von etwa 17 Liter auf 100 Kilometer sehr empfiehlt - das ergibt eine durchaus unbefriedigende Reichweite von nur 350 Kilometer. Die Angaben von Werksseite mit 10,4 Liter Super Plus dürften auch bei feinsinnigster Fahrweise eher Ausdruck einer Illusion sein - und dabei vorbei an jeder gebotenen Realität. Für die Statistiker seien noch die Höchstgeschwindigkeit (262 km/h) und die Beschleunigung von Null auf 100 km/h (5,4 Sekunden) erwähnt. Das Fahrwerk, das naturbedingt straff ausgelegt ist, ist bei allen Geschwindigkeiten gut beherrschbar.
Der Audi RS2 ist sicher kein Auto, daß in jeden Haushalt gehört, wie ein begeisterter Passant feststellte, dafür ist er aber bei einem Preis von exakt 99 600 Mark auch nicht gedacht. Zumal die Praxisnähe des RS2, der von der Karosserie her nunmal ein Audi 80 ist und als Avant doch auch ein Kombi sein möchte, nicht überwältigend ist. Aber in dem schmalen Kofferraum könnte die Golfausrüstung Platz finden.
Von Marion Zellner