AMI Leipzig 2009:Ruhe an der Ostfront

Eine Messe als Feldlazarett einer kränkelnden Industrie: Noch wirkt die Droge Abwrackprämie - aber was kommt danach? Ein erster Rundgang.

Sebastian Viehmann

Wenn die Autokrise irgendwo mit Händen zu greifen ist, dann auf der AMI. Die Branche hängt am Tropf der Abwrackprämie, tritt aber trotzdem vors Krankenzimmer und lächelt optimistisch in die Kameras. Denn die Verkaufszahlen sind zurzeit atemberaubend: Mehr als eine halbe Millionen Neuwagen wurden im Februar in Deutschland verkauft, Opel fährt im März mit 120.000 Verkäufen das beste Ergebnis seit 10 Jahren ein, Hyundai, Suzuki und Chevrolet profitieren ebenfalls massiv von der Abwrackprämie. Und Fiat verkauft zurzeit sogar mehr Autos in Deutschland als in Italien. Doch abseits des Scheinwerferlichts geben viele Hersteller zu, dass man nicht so recht weiß, wie es nach der Umweltprämie weiter gehen soll.

AMI Leipzig 2009: Chevrolet HHR Capone im zweifarbigen "Old School"-Design - eine Erinnerung an Gangsterautos der 30er-Jahre.

Chevrolet HHR Capone im zweifarbigen "Old School"-Design - eine Erinnerung an Gangsterautos der 30er-Jahre.

(Foto: Foto: Pressinform)

Leere Hallen gibt es auf der AMI nicht, aber der Freiraum zwischen den Ständen ist größer denn je. Das Publikum wird's freuen, denn das dürfte das Gedränge reduzieren. Schließlich empfiehlt sich die AMI als Besucher- und Mitmach-Messe: Mehr als 50 verschiedene Autotypen kann man Probe fahren. Kostenlose Spritspar-Trainings und andere Aktionen laden zum Verweilen ein, wenn man sich an den wenigen Neuheiten satt gesehen hat. Das geht in diesem Jahr noch schneller als sonst, denn manche Hersteller sind erst gar nicht vertreten - BMW, Fiat, Mitsubishi, Jaguar und Saab zum Beispiel.

Zu den Neuheiten, die in Leipzig Premiere feiern, zählt der VW Golf GTD. Den gab es schon einmal in den 80ern - ein Diesel mit Turboaufladung war damals bei Volkswagen noch eine kleine Sensation. Der neue GTD hat einen Zweiliter-TDI-Motor mit 125 kW / 170 PS unter der Haube, sprintet in 8,1 Sekunden auf 100, ist 222 Km/h schnell und soll im Schnitt 5,3 Liter Diesel pro 100 Kilometer verbrauchen. Serienmäßig sind Sportfahrwerk und Leichtmetallfelgen an Bord, die Optik erinnert ein bisschen an den echten Golf-Sportler GTI. Auf reges Interesse wird bei den Besuchern der neue Polo stoßen, der erstmals in Deutschland gezeigt wird. Preis- und verbrauchsbewusste Autokäufern dürften die City-Flöhe Suzuki Alto und Nissan Pixo ins Herz schließen.

Bei Chevrolet steht der kompakte Cruze im Mittelpunkt. Fürs Auge gibt es außerdem den Chevrolet HHR Capone im zweifarbigen "Old School"-Design. Der von Heartbeat Motors veredelte Ami-Kreuzer soll an Gangster-Autos der 30er-Jahre erinnern und beim Chevrolet-Händler in mehreren Zweifarb-Lackierungen zu haben sein.

Eine Messe wie immer. Und danach?

Peugeot betreibt in Leipzig Reste-Verwertung der besonderen Art: Der Peugeot 206+ passt als Neuwagen zum Sparpreis perfekt in die Abwrack-Welle. Es handelt sich um ein Facelift des erfolgreichen 206 - obwohl der Nachfolger 207 schon lange auf dem Markt ist. Der aufgepeppte 206 ist ab 9950 Euro zu haben und zweifellos Peugeots Reaktion auf die Erfolge, die Konkurrent Renault mit der Billig-Marke Dacia hat. Das Interieur des 206+ wirkt ein wenig hausbacken, aber solide. Im Detail freilich schimmert der Sparstift durch - zum Beispiel an den Fensterheber-Schaltern, die sich ungünstig erreichbar zwischen den Sitzen befinden.

Audi zeigt den TT RS Roadster, der die berühmte Audi-Tradition des Fünfzylinder-Turbomotors fortführt. Für Porsche ist die AMI quasi eine Heimatmesse, denn im Leipziger Werk laufen der Cayenne und demnächst der neue Viertürer Panamera vom Band. Der wäre sicher ein gewaltiger Publikumsmagnet auf der Messe gewesen, wird aber erst im April auf der Autoshow in Shanghai der Öffentlichkeit präsentiert. Stattdessen zieht der 911 GT3 (435 PS) leistungshungrige Blicke auf sich - und das Sondermodell Cayenne GTS Edition 3, das mit seiner mausgrauen Optik und den seltsamen Zierstreifen auf der Haube aber nicht gerade vom Hocker reißt.

Wie jedes Jahr spielen alternative Antriebe eine große Rolle in Leipzig, allen voran die Umrüstung auf Autogas oder Erdgas. Auf dem großen Stand für Erdgasfahrzeuge steht der Passat TSI EcoFuel, mit dem der Mannheimer Rainer Zietlow in einer Marathonfahrt alle 815 Erdgastankstellen Deutschlands besucht hat. Rund um die Messe finden Informationsveranstaltungen zum Thema Sprit Sparen und Alternative Mobilität statt. Und auch für den Teil der Damenwelt, die sich nicht für Autos interessiert, ist gesorgt: Während Er seinen PS-Träumen nachjagt, kann Sie im "Ladies Corner" bei einer Tasse Kaffee klönen oder den Nachwuchs in die Spielecke verfrachten.

Eine Messe als Feldlazarett einer kränkelnden Industrie: Noch wirkt die Droge Abwrackprämie, und die Besucher können die Messe immerhin als Entscheidungshilfe für den Neuwagenkauf und zur Information über Spritspartechniken nutzen.

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