Alternatives Fliegen:Wasserstoff verleiht Flügel

Brennstoffzellen treiben bereits erste Flugzeuge an. Bald könnten sie die Effizienz großer Verkehrsflieger steigern - und den Lärmpegel auf Flugplätzen senken.

Alexander Stirn

Der stille Star der Berliner Luftfahrtausstellung ILA muss warten. Erst darf ein Eurofighter am Himmel über Schönefeld seine Mätzchen machen. Laut, martialisch, furchteinflößend. Dann kommt ein Airbus A380 an die Reihe. Er lärmt, er stinkt, und trotzdem ist er der ganze Stolz der europäischen Luftfahrt. Irgendwann bekommt schließlich der kleine Motorsegler seine Starterlaubnis fürs Showprogramm. Pilot Axel Lange gibt Gas, doch kaum etwas passiert: Kein Motor heult auf, keine Turbine dröhnt - und niemand nimmt das unscheinbare Gefährt zur Kenntnis.

Alternatives Fliegen: Der Motorsegler Antares H2 fliegt mit Wasserstoff, der eine Brennstoffzelle antreibt. Das Flugzeug macht deshalb keinen Lärm, produziert keine Abgase und ist äußerst effizient.

Der Motorsegler Antares H2 fliegt mit Wasserstoff, der eine Brennstoffzelle antreibt. Das Flugzeug macht deshalb keinen Lärm, produziert keine Abgase und ist äußerst effizient.

(Foto: DLR)

Dabei steht die Maschine, deren Tragflächen lautlos im Wind wippen, wie kein anderes Flugzeug für die Zukunft der Luftfahrt: Antares H2, so der Name des Motorseglers, fliegt mit Wasserstoff. Er ist das erste bemannte Flugzeug, das sich allein mit der Energie des farblosen Gases in die Luft erheben kann. Er macht keinen Lärm, er produziert keine Abgase, er ist effizient.

Seine Entwickler, die Ingenieure des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), hoffen, dass ihr kleiner Motorsegler die Luftfahrtbranche verändert. Sie wissen aber auch: Wasserstoff allein wird die Verkehrsfliegerei nicht aus ihrer Umweltkrise retten.

Dabei sieht das Gas auf den ersten Blick wie ein idealer Treibstoff aus: Verglichen mit der gleichen Menge Kerosin enthält eine Tonne Wasserstoff fast dreimal so viel Energie. Das Gas erzeugt (sofern es klimaneutral hergestellt wird) kein schädliches Kohlendioxid, und es pustet auch keine Rußpartikel in die Atmosphäre.

Allerdings ist Wasserstoff ziemlich sperrig. Selbst in flüssiger Form hat er ein etwa viermal so großes Volumen wie eine vergleichbare Menge Kerosin. Zudem lässt er sich - anders als Flugbenzin - nicht in den Tragflächen unterbringen. Das flüssige Gas benötigt zylinderförmige Drucktanks, die auf den Rumpf der Maschine gepackt werden müssen. Das erhöht den Luftwiderstand.

Die erste Testmaschine startet bald zum Langstreckenflug

Eher niederschmetternd sind daher auch die Ergebnisse einer europäischen Studie, an der drei Dutzend Luftfahrtfirmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen mitgearbeitet haben. Aufgrund der größeren Fläche steigt demnach der Energieverbrauch eines Wasserstofffliegers um neun bis 14 Prozent. Die Betriebskosten werden um vier bis fünf Prozent klettern. Fazit der mittlerweile acht Jahre alten Studie: Flugzeuge, durch deren Turbinen Wasserstoff fließt, sind schlichtweg "unattraktiv".

Antares schlägt daher einen anderen Weg ein. 20 Meter lang ist seine schmale Tragfläche, eine dünne, fast schon zerbrechlich wirkende Konstruktion. Entscheidend aber ist, was unter den Flügeln baumelt: Rechts haben die DLR-Techniker einen Tank für 4,9 Kilogramm Wasserstoff montiert, links hängt eine Brennstoffzelle.

Durch eine Öffnung an der Vorderseite kann der Luftsauerstoff in die Zelle strömen und dort elektrochemisch mit dem Wasserstoff reagieren. Es entsteht Wasser und gleichzeitig genügend Strom, um den Propeller anzutreiben. Rund 44 Prozent der im Treibstoff gespeicherten Energie setzt das System in Antriebskraft um; ein herkömmlicher Verbrennungsmotor schafft nur 25 Prozent.

Fünf Stunden kann die Antares damit in der Luft bleiben. Maximal 2558 Meter Höhe hat sie bislang erreicht - ohne dass der Brennstoffzelle der Sauerstoff ausgegangen ist. Doch noch sind die Systeme nicht für die Luftfahrt optimiert. Das soll erst bei der Antares H3 der Fall sein, deren Erstflug im kommenden Jahr geplant ist. 50 Stunden soll sich das Nachfolgemodell am Himmel halten können. Flugstrecken von bis zu 6000 Kilometern sind geplant. Das würde beinahe von München nach New York reichen.

Sofern sich die Antares H3 bewährt, könnten Brennstoffzellen schon bald kleine Sportmaschinen antreiben. "Aus heutiger Sicht werden das aber allenfalls Flugzeuge sein, die Platz für bis zu vier Personen bieten", sagt Kallo. Für große Jets sind Brennstoffzellen bei weitem nicht leistungsfähig genug: Umgerechnet fast eine halbe Million Kilowatt leisten die vier Triebwerke einer A380 beim Start. Die Brennstoffzelle in der Antares H2 bringt es auf 25 Kilowatt.

Der Spielraum für Einsparungen wird knapp

Dabei könnten gerade die großen Verkehrsflieger eine umweltfreundliche Frischzellenkur gebrauchen. Zwischen zwei und drei Prozent tragen sie zum weltweiten Ausstoß von Kohlendioxid bei. Zudem setzen die Flugzeuge das Klimagas in etwa zehn Kilometern Höhe frei - und damit in besonders empfindlichen Schichten der Atmosphäre.

Noch ist kein Ende des Kohlendioxid-Ausstoßes in Sicht, auch wenn die Flieger in den vergangenen Jahrzehnten deutlich sparsamer geworden sind: Als die Lufthansa Anfang der 1960er-Jahre ihre erste Boeing 707 nach New York schickte, schluckte die Maschine pro Passagier rund 15 Liter Kerosin auf 100 Kilometern. Heute liegt eine voll besetzte A380 bei nur noch drei Litern.

Langsam wird der Spielraum für Einsparungen aber knapp. Nur radikal neue Ideen können helfen - wie etwa die Brennstoffzelle: Gemeinsam mit Airbus entwickelt das DLR ein System, das Fluginstrumente, Küchen, Multimediasysteme und alle anderen elektrischen Verbraucher an Bord mit Strom versorgt. Bislang kommt diese Energie aus den Triebwerken, die über ein Getriebe mit einem Generator verbunden sind.

"Etwa fünf Prozent der Treibstoffmenge wird für die Stromversorgung an Bord benötigt", sagt Kallo. Brennstoffzellen brauchen hingegen kein Kerosin. Bei einem durchschnittlichen Flug in die USA etwa könnten so 2,5 Tonnen Treibstoff eingespart werden. Eine Flotte mit 30 Langstreckenfliegern würde im Jahr mehr als 20.000 Tonnen Kerosin weniger verbrauchen. Zudem könnten die Triebwerke, wenn sie im Nebenjob keinen Strom mehr produzieren müssen, effizienter ausgelegt werden.

Die Brennstoffzelle hat weitere Vorteile: Sie produziert Wasser - bis zu 200 Kilogramm pro Stunde. Während eines Fluges in die USA kommen auf diese Weise rund zweieinhalb Tonnen zusammen. Fast so viel wie die Fluggesellschaften derzeit für die Toiletten und für den Trinkwasserbedarf mitschleppen.

Der Lärmpegel auf Flugplätzen könnte sinken

Im Notfall, wenn alle Triebwerke und Turbinen ausfallen, wäre die Brennstoffzelle zudem ein Sicherheitsfaktor: Sie könnte genügend Energie für den Betrieb der elektrischen und hydraulischen Systeme an Bord bereitstellen. Bislang klappt in solch einem Fall automatisch ein Windrad am Rumpf aus, das Strom und Hydraulikdruck erzeugt. Es funktioniert aber nur in einem engen Geschwindigkeitsbereich; viel Spielraum für Korrekturen bleibt den Piloten bei einer Notlandung nicht.

Eine Brennstoffzelle wäre deutlich flexibler. Erste Tests an Bord des DLR-Forschungsflugzeugs Airbus A320 ATRA verliefen jedenfalls erfolgreich. Weder die dünne Luft in knapp 10.000 Metern Höhe noch Vibrationen oder starke Beschleunigungen konnten dem Notstromsystem etwas anhaben.

Auch am Boden können Brennstoffzellen der Luftfahrt gute Dienste erweisen. Wer schon einmal unter dem Heck eines Airbus A380 stand, während dieser am Terminal abgefertigt wird, behält den vermeintlichen Flüsterflieger als ziemlichen Lärmmacher in Erinnerung. Zwar sind die Triebwerke moderner Jets leiser geworden, die Hilfsturbinen in den Leitwerken machen aber so viel Lärm wie immer. Sie sind nötig, um das Flugzeug bei ausgeschalteten Triebwerken mit Strom zu versorgen. Vor allem aber sind sie laut, schmutzig und wenig effektiv. Eine Brennstoffzelle könnte deren Aufgabe komplett übernehmen.

Nicht einmal zum Rollen in Richtung Startbahn müssten künftig die Triebwerke angeworfen werden. Auf der Luftfahrtmesse in Berlin hat das DLR Anfang Juni ein elektrisch betriebenes Bugrad vorgestellt. Sein Elektromotor ist so stark, dass es einen 70 Tonnen schweren Airbus A320 auf Touren bringen kann.

Bis es serienreif ist, werden dagegen noch viele Jahre vergehen. Schnell geht in der Luftfahrtbranche gar nichts, zu lange sind die Entwicklungszyklen. Josef Kallo hofft, dass die Brennstoffzelle, die künftig den Platz der Hilfsturbine einnehmen soll, bis 2020 flugfertig sein wird. Das würde reichen, um sie in die nächste Generation der A320 einzubauen, die Airbus etwa fürs Jahr 2024 anpeilt.

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