Alternativer Antrieb:Erdgas feiert ein unverhofftes Comeback

Die Technik des Audi A3 g-tron

Solide Hausmannskost: Der A3 g-tron ist mit 110 PS kein Kraftprotz. Mehr Fahrspaß verspricht der neue Audi-Erdgasmotor mit zwei Litern Hubraum.

(Foto: Audi AG)
  • Während sich Elektroautos leicht im Aufwind befinden, wirken Modelle mit Erdgasantrieb wie ein alter Hut. Dabei steckt in der CNG-Technik noch viel Potenzial.
  • Schon jetzt können CNG-Autos sehr sauber sein. Das zeigt aktuell der Škoda Octavia G-Tec mit seiner Bestmarke im ADAC-EcoTest.
  • VW entwickelt einen kräftigeren Erdgasantrieb, der künftig im Audi A4 und VW Passat zum Einsatz kommt.

Von Joachim Becker

Das ist der Gipfel! Beim G-7-Treffen in Elmau feierte die Kanzlerin vor wenigen Tagen den Abschied von Kohle, Öl und Gas. "Dekarbonisierung" haben sich die führenden westlichen Industriestaaten auf die Fahnen geschrieben.

Solche Globalvisionen über 2050 hinaus übersehen bisweilen, wie viele kleine Schritte zur Klimarettung nötig sind. Während die Staatenlenker Erdgas langfristig auf den Index setzen, könnte der relativ günstige fossile Brennstoff kurz- und mittelfristig erhebliche Mengen CO₂ einsparen helfen. Das gilt erst recht, wenn man den Anteil von rund 20 Prozent Biogas an deutschen Zapfsäulen einrechnet. Doch die angekündigte Fortschreibung des Steuervorteils für Erdgasautos über 2018 hinaus kommt nicht in die Gänge.

Während im Raum Asien-Pazifik fast zehn Millionen Erdgasfahrzeuge unterwegs sind, stagniert die Zahl in Europa bei etwas mehr als einer Million. Schon vor Jahren hatte die Kraftstoffstrategie der Bundesregierung ein Ziel von vier Prozent Erdgas für das Jahr 2020 vorgegeben. Umgerechnet müsste der Bestand von Fahrzeugen mit CNG-Antrieb (Compressed Natural Gas) allein in Deutschland auf rund 1,4 Millionen anwachsen, rechnet die deutsche Energieagentur Dena vor. Das wären etwa 1,1 Millionen Pkw, 250 000 leichte und 30 000 schwere Nutzfahrzeuge. Doch statt jährlich mit zweistelligen Zuwachsraten zu glänzen, dümpelt die Anzahl der CNG-Pkw seit Jahren unter 100 000 Stück. "Solange die Politik nur auf Elektroautos als Lösung für die CO₂-Frage fixiert ist, werden die Autohersteller eher ihre Elektro- als ihre Erdgasfahrzeuge bewerben", sagt Timm Kehler, Geschäftsführer von Erdgas Mobil, einer Initiative deutscher Energieversorger.

Es geht um gefühlten Fortschritt

Es geht in der Politik wie beim Autokauf viel um den gefühlten Fortschritt: Im vergangenen Jahr wurden jeweils über 9000 Erdgas- und Elektroautos in Deutschland zugelassen. Die Stromer wirken visionär, weil sie scheinbar emissionsfrei fahren und damit das fossile Energiezeitalter hinter sich lassen. Dass der besonders klimaschädliche (Braun-)Kohleanteil bei der deutschen Stromerzeugung mittlerweile auf die 50-Prozent-Marke zumarschiert, gerät dabei in Vergessenheit.

Experten warnen auch davor, dass viel Klimagas bei der Batterieherstellung anfällt: "Bei sehr großen Batterien wird der CO₂-Fußabdruck nur dann über die Lebenszeit positiv, wenn man die Fertigung mit regenerativem Strom antreibt. Der BMW i3 braucht 50 000 Kilometer für eine ausgeglichene Klimabilanz", erklärte der frühere BMW Entwicklungsvorstand und künftige VW-Markenchef Herbert Diess auf dem Wiener Motorensymposium 2014.

Nur 900 CNG-Zapfsäulen in Deutschland

Während sich die Stromer im Aufwind befinden, wirken Erdgasautos als alter Hut. Außerdem gibt es viel mehr Möglichkeiten, ein E-Mobil zu laden als ein Gasauto zu tanken. Nach Jahren des Wachstums kommt die Zahl der CNG-Zapfsäulen nur zögernd über 900 Stück hinaus - kein Wunder bei den überschaubaren Zulassungszahlen. Da hilft es wenig, dass vier von fünf Spitzenreitern der VCD-Umweltliste 2014/2015 Erdgasfahrzeuge sind. Ohne großes Medienecho verpuffte auch die Nachricht, dass der Škoda Octavia G-Tec jüngst einen historischen Bestwert im praxisnahen ADAC EcoTest erreicht hat: Der Octavia lässt sogar nominell abgasärmere Elektrofahrzeuge hinter sich, weil die gesamte Energiebilanz von der Quelle bis an die Räder bewertet wird.

Drehmomentstarke Batteriefahrzeuge haben den unschlagbaren Vorteil, dass sie so spritzig durchstarten wie kaum eine andere Antriebsalternative. Dagegen wirken CNG-Autos als schwerfällige Spaßbremse. Sowohl der Škoda Octavia G-Tec als auch der neue VW Caddy TGI Blue Motion sowie der zwei Jahre alte Audi A3 g-tron ziehen mit ihrem 81 kW (110 PS) starken 1,4 TSI-Turbomotor nicht gerade die Wurst vom Teller.

Erdgasautos rechnen sich erst spät

Der höhere Kaufpreises gegenüber vergleichbaren Benzinern schreckt zusätzlich Käufer ab. Die meisten CNG-Fahrzeuge können den Kostenvorteil des steuerbefreiten Erdgases nur mittelfristig ausspielen. Ein Blick auf die ADAC-Autokostenliste zeigt, dass viele CNG-Brenner erst oberhalb von 15 000 Kilometer Laufleistung pro Jahr günstiger fahren. Deshalb zielten CNG-Autos bisher eher auf kostenbewusste Vielfahrer als auf die "Ich geb' Gas-, ich will Spaß"-Fraktion. Das soll sich zumindest schrittweise ändern.

Der Volkswagen-Konzern will sein Angebot an CNG-Fahrzeugen kontinuierlich ausbauen. Nicht nur des Klimas wegen, sondern auch, um die europäischen CO₂-Ziele für 2021 zu schaffen: Keine andere Effizienzmaßnahme ist bei überschaubaren Kosten so wirksam. "Aufgrund des höheren Heizwerts und des günstigen Kohlenstoff-Wasserstoff-Verhältnisses von Erdgas kann der CO₂-Ausstoß im Vergleich zum Betrieb mit Benzin um etwa 25 Prozent verringert werden", unterstreicht VW-Entwicklungsvorstand Heinz-Jakob Neußer, "beim Einsatz von Biomethan, das aus Pflanzenresten gewonnen wird und nicht mit der Nahrungsmittelproduktion konkurriert, sind es sogar bis zu 80 Prozent."

Erdgasantriebe für VWs Mittelklasseautos

Sparen ohne Verzicht verspricht der neue A4 g-tron, den Audi nun vorgestellt hat. Die Erdgas-Variante soll als Technik-Demonstrator auch auf der Frankfurter IAA im September stehen. Statt des 1,4 TSI steckt ein Turbomotor mit zwei Liter Hubraum unter der Motorhaube, der auch den kommenden VW Passat TGI befeuern soll. Mit 125 kW (170 PS) Leistung und 280 Nm Drehmoment ist Audis Mittelklasse-Limousine deutlich dynamischer unterwegs als der A3 g-tron. Allerdings fällt die bivalente Reichweite von 1000 Kilometer mit Erdgas- und Benzintank nicht ganz so üppig aus wie beim kleineren Konzernbruder.

Ein sogenanntes E-Gas-Angebot soll die beiden CNG-Fahrzeuge zu Nullemissionsautos machen: Die Ingolstädter finanzieren eine Pilotanlage, die Methan aus überschüssigem Windstrom sowie Kohlendioxid aus einer Biogasanlage erzeugt.

Trotzdem wird der CNG-Antrieb im A4 auch auf der IAA im Schatten eines neuen Zwei-Liter-Benziners von Audi stehen. Der weltweite Volumenmotor soll durch ein spezielles Brennverfahren (Miller-Zyklus) effizienter werden. Hinter den Kulissen mühen sich die Entwickler jedoch mit immer strengeren Normzyklen und Abgastests herum: Unter realistischen Fahrbedinungen (Real-Driving Emissions, RDE) stoßen Benziner mehr Partikel, Kohlenmonoxid und Stickoxide aus als auf dem Prüfstand.

Das alles kann moderne Erdgasmotoren nicht schrecken. Aufgrund ihres geringeren Kohlenstoffanteils und der Gasdynamik im Zylinder verbrennen sie sauberer als jeder andere fossile Kraftstoff. "Die derzeit attraktivste Lösung in Hinblick auf ein günstiges RDE-Emissionsverhalten, niedrigste CO₂-Werte und attraktive Kosten stellen CNG-Fahrzeuge dar", stellt Günter Fraidl, leitender Antriebsentwickler des Entwicklungsdienstleisters AVL fest.

Die Benzin-Direkteinspritzer haben vorgemacht, wie es geht

Fragt sich nur, wie die Gasmodelle ihr Langweiler-Image loswerden. "Mit der CNG-Direkteinblasung wollen wir CO₂-Werte wie beim Dieselmotor erreichen - und auch beim Fahrspaß zu den Turbo-Direkteinspritzern aufschließen", erklärt Günter Karl, Leiter der Mercedes-Vorentwicklung Ottomotoren.

Beim Fortschritt sind Gasantriebe derzeit noch Spätzünder: Anders als moderne Otto- und Dieselmotoren werden sie immer noch über das Saugrohr gefüttert. Bei dieser Kanaleinblasung verdrängt der gasförmige Kraftstoff die benötigte Frischluft, was zu erheblichen Drehmomenteinbußen führt. Dagegen erreichen selbst Downsizing-Benzinmotoren mit Turbo-Direkteinspritzung bis zu 60 Prozent mehr Drehmoment im unteren Drehzahlbereich. Dasselbe sollen künftige Gas-Direkteinblaser auch schaffen.

Noch halten die entsprechenden Einblasventile aber nicht ein ganzes Autoleben lang durch. Mit Hochdruck und öffentlichen Fördergeldern arbeiten die Entwickler an Ventilen, die hohe Brennraumtemperaturen und große Fördermengen des wenig energiedichten Gases ertragen. "Bis 2020 sind wir serienreif", glaubt Günter Karl, "es gibt kein grundsätzliches Argument, das dagegen spricht."

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