Alternative Antriebe:Vor Bio-Träumen wird gewarnt

Der Anteil alternativer Antriebe weltweit ist gering: weniger als ein Prozent. Dennoch erweist sich die Herstellung von Biosprit schon als klimaschädlich.

Joachim Becker

Alle sprechen vom umweltweltfreundlichen Auto, aber kaum einer schafft sich eines an. Lediglich 232.000 Pkw mit alternativen Antrieben sind auf deutschen Straßen unterwegs. Die grüne Flotte macht erst 0,6 Prozent des Pkw-Gesamtbestands aus. Grund des Nischendaseins sind unter anderem die höheren Anschaffungskosten für Erdgas- oder Hybridfahrzeuge.

Alternative Antriebe: Ein Fahrzeug wird in Freiberg mit SunDiesel befüllt. Die ersten Tests waren erfolgreich. Im sächsischen Freiberg haben Spezialisten von Choren Industries bewiesen, dass sich aus Holzresten, Stroh oder Getreide ein hochwertiger synthetischer Diesel herstellen lässt.

Ein Fahrzeug wird in Freiberg mit SunDiesel befüllt. Die ersten Tests waren erfolgreich. Im sächsischen Freiberg haben Spezialisten von Choren Industries bewiesen, dass sich aus Holzresten, Stroh oder Getreide ein hochwertiger synthetischer Diesel herstellen lässt.

(Foto: Foto: DaimlerChrysler/ddp)

Weltweiter Anteil an alternativen Antrieben: unter ein Prozent

Dass die Spritsparer im Unterhalt günstiger sind als gleich starke Benziner, ist vielen Kunden zunächst egal. Für das Gros der Privatkäufer sind niedrige Neuwagenpreise wichtiger als Innovationen - so sieht es zumindest Deutschlands Autohandel: Mehr als 70 Prozent der Verkäufer von Volumenmarken bewerten aufwendige technische Neuerungen in einer aktuellen Studie als "weniger/nicht bedeutend". Klimadiskussion schön und gut, aber wenn es um den eigenen Neuwagen geht, sind PS und Klimaanlage wichtiger als ein besonders niedriger CO2-Ausstoß.

Bei Umfragen geben sich Autofahrer gerne umweltbewusst, beim Autokauf ist das Spritsparen aber eher Last als Lust. Statt auf Drei-Liter-Autos sparen die meisten Kunden lieber auf Gelände- und Crossoverfahrzeuge. Die Allradkraxler machen alle Effizienzfortschritte in der Flotte zunichte, selbst wenn traditionelle Modellvarianten bei ihrer Neuauflage im Schnitt rund zehn Prozent weniger Sprit verbrauchen als die Vorgänger. Mit einem Flottenausstoß von 170 g/km Kohlendioxid liegen Neuwagen in Deutschland derzeit weit über den 130 g/km, die von der EU-Kommission als Ziel für 2012 genannt wurden. Erst eine Kraftfahrzeugsteuer auf CO2-Basis wird dem Boom der bulligen Offroader wohl Grenzen setzen und zu nachhaltigem Wachstum in der Öko-Nische führen.

Selbst wenn Neuwagen sparsamer werden, können sie den CO2-Flottenausstoß aber nur langfristig senken. "Weltweit liegt der Anteil an alternativen Antrieben heute unter einem Prozent. Es wird mehr als zehn Jahre dauern, bis wir durch Hybrid- und Elektrofahrzeuge einen Effekt auf den Flottenverbrauch spüren", sagt GM-Boss Rick Wagoner und ergänzt: "Wer etwas für das Klima tun will, muss Ethanol fördern. Allein in den USA könnte die Treibstoffalternative ein Drittel des fossilen Kraftstoffs ersetzen."

Vor Bio-Träumen wird gewarnt

Ganz so optimistisch sind die Prognosen der Europäischen Union nicht: Bis 2010 soll der Anteil von Biokraftstoffen am europäischen Energieverbrauch auf 5,75 Prozent steigen, 2020 sollen es dann zehn Prozent sein. In Deutschland stillen Energieträger vom Acker bereits mehr als fünf Prozent des Kraftstoffverbrauchs. Bis 2020 sehen die Pläne der Bundesregierung einen Anteil von 17 Prozent nachhaltig erzeugter Biokraftstoffe vor.

Alternative Antriebe: Brasiliens VW Gol: Acht von zehn brasilianischen Neuwagen sind mit Flexfuel-Motoren ausgestattet, sie vertragen gleichermaßen Benzin, Ethanol oder eine beliebige Mischung aus beidem. Der billige und abgasarme Biotreibstoff wird aus Zuckerrohr destilliert, Brasilien ist dabei führend.

Brasiliens VW Gol: Acht von zehn brasilianischen Neuwagen sind mit Flexfuel-Motoren ausgestattet, sie vertragen gleichermaßen Benzin, Ethanol oder eine beliebige Mischung aus beidem. Der billige und abgasarme Biotreibstoff wird aus Zuckerrohr destilliert, Brasilien ist dabei führend.

(Foto: Foto: o.h.)

Biotreibstoffe sind nicht zwingend umweltfreundlicher

Vorteil des grünen Treibstoffs: Im Gegensatz zu Benzin, Diesel und Gas aus fossilen Quellen setzt der Extrakt aus Feldfrüchten bei der Verbrennung das CO2 frei, das beim Anbau aufgenommen wurde. Zudem macht der Öko-Sprit die produzierenden Länder unabhängiger von Erdölimporten. Brasilien deckt mittlerweile 40 Prozent des nationalen Kraftstoffbedarfs durch hausgemachten Zuckerrohrschnaps. Schweden will den fossilen Treibstoff bis 2020 durch Ethanol auf Zellulose-Basis, also aus Holzabfällen, ersetzen.

Doch Biotreibstoffe sind nicht zwingend umweltfreundlicher als fossile Energieträger. Bei der Herstellung von Biodiesel und Bioethanol werden erhebliche Ressourcen für Landmaschinen, Pflanzenschutz- und Düngemittel gebraucht. Zudem steht die landwirtschaftliche Energieproduktion in Konkurrenz mit dem Anbau von Nahrungsmitteln und dem Erhalt natürlicher Flächen.

Vor Bio-Träumen wird gewarnt

"Essen statt Fahren" ist eine Parole der Biokraftstoff-Kritiker. Aufgrund der knappen Anbauflächen steigen die Preise für Lebensmittel unaufhaltsam. Seit 2000 ist Weizen um das Dreifache teurer geworden, der Reispreis hat sich fast verdoppelt. Schuld daran ist auch die Verwendung von Getreide als Energielieferant für den Straßenverkehr. Die Nachfrage nach Ethanol könnte Mais bis 2020 um mehr als zwei Drittel verteuern, heißt es in einer aktuellen Studie des Internationalen Instituts für Ernährungspolitik. Der Markt tendiere zu einer "bushel-to-barrell convergence", also einer Annäherung der Preise von Zucker, Getreide und Benzin.

Besonders schlecht: Biodiesel aus Rapsöl

"Die Welt verzehrt und verfährt derzeit mehr, als sie produziert", bilanziert Studienautor Joachim von Braun. Die erneuerbaren Rohstoffe im Tank werfen nicht nur soziale, sondern auch ökologische Fragen auf. "Die derzeitigen vielfältigen Bemühungen zur Einführung alternativer Kraftstoffe scheinen manchmal mehr kommerziellen oder politischen Interessen zu entspringen als Anliegen des Umweltschutzes", meint Hans Peter Lenz, Vorsitzender des Österreichischen Vereins für Kraftfahrzeugtechnik (ÖVK).

In einer ÖVK-Studie listet Bruna Illini eine Vielzahl von Umweltsünden auf: Überdüngung, Bodenversäuerung und hoher Wasserbedarf, bei der tropischen Landwirtschaft auch Verlust von Artenvielfalt sowie Luftbelastung durch Brandrodung und Pestizide. "Generell können Biokraftstoffe nicht als umweltfreundlicher angesehen werden als Kraftstoffe fossilen Ursprungs, dies hängt viel mehr von Fall zu Fall ab", so das Fazit der Studie.

Besonders schlecht schneidet der aus Rapsöl hergestellte Biodiesel ab: Der dafür verursachte Treibhauseffekt sei Berechnungen des Nobelpreisträgers Paul Crutzen zufolge mindestens 1,7-mal höher als der von herkömmlichem Diesel. Auch der aus Mais destillierte Alkohol habe bis zu 50 Prozent mehr Treibhauswirkung als eine vergleichbare Menge Normalbenzin, heißt es in der ÖVK-Studie. Schuld daran sei unter anderem das bei der Düngung freigesetzte Lachgas, das 300-mal treibhauswirksamer sei als CO2.

Vor Bio-Träumen wird gewarnt

Problematisch sind auch Zuckerrohr- und Palmölplantagen in den Tropen, für die Teile des Regenwalds gerodet werden. Bioethanol aus Deutschland ist schon im Anbau rund 50 Prozent teurer als der Sprit vom Amazonas. Um Kosten zu sparen wird Deutschlands größte Ethanol-Anlage in Zeitz/Sachsen-Anhalt mit Braunkohle beheizt. Sind Biokraftstoffe also insgeheim Klimakiller?

Die indirekten Treibhausemissionen bei der Produktion von Biokraftstoffen verschlechtern die ökologische Gesamtbilanz erheblich. Wirklich Bio werden erst nachwachsende Rohstoffe der zweiten Generation sein: Nur wenn sich Holzreste und Pflanzenabfälle effizient zu Energie machen lassen, wird der grüne Sprit zu einer echten Alternative. VW und Daimler bereiten als Teilhaber von Choren Industries deshalb die großindustrielle Produktion von Kraftstoff aus Biomasse vor. Für 800 Millionen Euro soll ein Werk in der Uckermark entstehen, in dem ab 2012 jährlich 250 Millionen Liter sogenannter Sundiesel produziert werden könnten. General Motors beteiligte sich vor wenigen Wochen am Ethanol-Start-up Coskata. Die Amerikaner wollen durch Fermentation von Gras, Stroh und Holzresten 100 Tonnen Ethanol aus 1000 Tonnen Biomasse gewinnen.

Experten sind zuversichtlich, dass Bakterien künftig alle möglichen Rohstoffe in Alkohol verwandeln können. Wann der Produktionspreis auf die von Coskata angekündigten zehn Cent pro Liter sinkt, bleibt allerdings abzuwarten. Noch fehlen Erfahrungen in der großindustriellen Spritproduktion aus Pflanzenabfällen. Doch die Vision, Mist in flüssiges Gold zu verwandeln, befeuert derzeit Forscher aus aller Welt.

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