Alternative Antriebe: Erdgasautos:Nicht sexy, aber gut

Erdgasautos beeindrucken nicht gerade durch ihr Temperament. Doch sie sind sparsam und machen auch in puncto Klimaschutz eine gute Figur. Noch viel sauberer wird's, wenn das Gas nicht aus der Erde, sondern vom Misthaufen stammt.

S. Kilimann

Vor ein paar Jahren konnte man die Werbetrommeln für Autos mit Gasantrieb kaum überhören. Die Benzinpreise erreichten Rekordhöhen und das Ausweichen auf Erdgas oder Autogas wurde als Alternative für kühle Rechner propagiert.

Um mit Gas zu fahren, müssten zwar zunächst einmal ein paar tausend Euro für ein teureres Serienfahrzeug beziehungsweise in die Umrüstung eines Benziners investiert werden. Anschließend aber spare man mit jedem Kilometer, rechneten die Autoren etlicher Ratgeberartikel vor. Nach zweieinhalb bis drei Jahren - je nach Jahreslaufleistung und Kraftstoffverbrauch des Wagens - könne sich die Investition möglicherweise bereits amortisieren.

Dann aber rollten Elektroautos auf die großen Bühnen und stehen seither samt der "Nationalen Plattform Elektromobilität" im Zentrum der politischen und öffentlichen Aufmerksamkeit.

Um Fahrzeuge mit Gasantrieb dagegen ist es dagegen ziemlich still geworden. Anders als die kleinen Stromer, die jetzt in den Startlöchern stehen, können sie sich nicht mit der Aura bahnbrechender Zukunftstechnologie schmücken. Mit Gas werden Autos ja schon seit Jahrzehnten angetrieben. Weit verbreitet ist die Alternative zu Diesel und Benzin beispielsweise in Italien, in Russland und in Lateinamerika.

Während es sich beim sogenannten Autogas um ein Abfallprodukt handelt, das bei der Herstellung von Benzin aus Erdöl entsteht, ist Erdgas ein fossiler Bodenschatz, von dem noch unbekannte Mengen unter den Landmassen und Meeresböden dieser Erde lagern.

Ein Produkt für kühle Rechner

Autogas wird durch geringen Druck in den flüssigen Zustand versetzt und kommt als Flüssiggas LPG ( steht für Liquefied Petroleum Gas) in den Fahrzeugtank. Erdgas wird auch CNG genannt (steht für "Compressed Natural Gas") und wird gasförmig in den Tank gebracht.

Wahlweise einmal LPG und ein andermal CNG zu tanken, verbietet sich schon aufgrund der unterschiedlichen Druckeigenschaften beider Gase. Gefährliche Verwechselungen am Zapfhahn werden aber von vornherein durch unterschiedliche Tankverschlüsse und Stutzen ausgeschlossen.

Sowohl Erdgas als auch Autogas in Deutschland sind bis 2018 steuerbegünstigt - der Geldbeutel wird also in beiden Fällen beträchtlich entlastet. Durch Erdgas allerdings noch etwas mehr. Im Erdgasbetrieb ist das Fahren nur etwa halb so teuer wie mit einem vergleichbaren Benziner und im Vergleich zum Diesel reduzieren sich die Tankkosten um ein Drittel.

Die Zeitschrift Firmenauto (Ausgabe September 2010) hat einen Vergleichstest durchgeführt und den erdgasbetriebenen Mercedes B 180 NGT als sparsamsten Vertreter seiner Klasse ausgezeichnet. Mit Netto-Kraftstoffkosten von 3,84 Euro pro 100 Kilometer habe der kleine Erdgas-Benz sämtliche Konkurrenten auf die Plätze verwiesen - auch solche mit Hybrid- oder Autogasantrieb .

Unter Umweltaspekten schneiden Erdgasautos besser ab als vergleichbare Fahrzeuge mit Diesel-, Benzin- oder Autogasantrieb. So werden bei der Verbrennung von Erdgas deutlich weniger Kohlenmonoxide und Kohlenwasserstoffe ausgestoßen als bei herkömmlich betankten Verbrennern.

Gute "well-to-wheel"-Bilanz

Laut einer aktuellen Studie der deutschen Energieagentur (dena) bläst ein Erdgasfahrzeug rund 25 Prozent weniger Kohlendioxid in die Luft als ein vergleichbarer Benziner. Noch besser sieht die Bilanz aus, wenn dem fossilen Erdgas Biogas beigemischt wird. Dieser erneuerbare Treibstoff wird durch die Vergärung von landwirtschaftlichen Abfallprodukten gewonnen - aus pflanzlichen Abfällen, Mist und Gülle.

Werde Erdgas also ein 20-prozentiger Biogasanteil beigemischt, könnten die Emissionen in der Gesamtbilanz sogar um bis zu 40 Prozent gesenkt werden, heißt es in der Studie. Ein Fahrzeug, das reines Biogas tankt, würde demnach "well-to-wheel" - also in der Gesamtbilanz vom Acker bis zum Asphalt - sogar bis zu 97 Prozent weniger CO2 verursachen als ein vergleichbares, herkömmlich betanktes Auto mit Ottomotor.

Deutschlands erste Biogasanlagen haben den Betrieb aufgenommen. Laut Erdgas Mobil, einer Initiative führender Gasunternehmen, wird Biogas inzwischen schon an mehr als 120 der rund 900 deutschen Erdgastankstellen in unterschiedlichen Beimischungsquoten angeboten. Stünde der Stoff in ausreichenden Mengen bereit, könnten sämtliche Erdgasfahrzeuge auch mit 100-prozentigem Bio-Erdgas betankt werden. Denn anders als beim Biodiesel stehen dem Biopurismus keine materialbedingten Unverträglichkeiten im Wege.

Die Bundesregierung hat kürzlich ihr strategisches Bekenntnis zum Erdgas bekräftigt. Die Steuerbefreiung für Biogas soll demnach unbefristet gelten. Das freut natürlich die Erdgastankstellenbetreiber und ihre größer werdende Klientel.

Ohne viel Aufsehen zu erregen sind in Deutschland inzwischen rund 90.000 Erdgasfahrzeuge an den Start gegangen. Im öffentlichen Nahverkehr werden Diesel- durch Erdgasbusse ersetzt, tausende Taxis bringen die Kunden im Erdgasbetrieb ans Ziel und immer mehr Flottenbetreiber entscheiden sich ebenfalls für die wirtschaftliche und Erdgasalternative.

Mit etwas weniger Temperament kann man gut leben

Trotz alledem haftet den Erdgasautos ein gewisses Fahrspaßverderber-Image an. Wirklich flott ist der Antrieb eben nicht. Es sei denn, man hilft ihm mit einem Turbolader auf die Sprünge. VW und Opel haben das gemacht und bieten Erdgasfahrern auch einen turbogeladenen Antrieb ab.

Im Passat TSI EcoFuel leistet der Motor 110 kW (150 PS), entwickelt ab 1500 Touren ein maximales Drehmoment von 220 Newtonmetern und beschleunigt den Passat in 9,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Mit einer Füllung seiner Erdgastanks kommt der Wagen rund 450 Kilometer weit. Ist der Vorrat erschöpft, stellt der Motor automatisch auf Benzinbetrieb um. Die 31 Liter im Benzintank sollen für weitere 450 Kilometer reichen.

Opel hat bei seinem Zafira ecoflex Turbo die Prioritäten anderes gesetzt und dem Erdgasauto lediglich einen 14-Liter-Benzintank für den Reserve-Betrieb mitgegeben. Bei Mercedes lässt man dem Fahrer die Wahl: Der B170 NGT ist ein bivalentes Fahrzeug, behält dank der Unterflur-Gastanks seinen kompletten Benzintank und der Fahrer kann jederzeit von Gas- auf Benzinbetrieb umschalten.

Eine Gasflasche mehr an Bord und dafür einen schmaleren Benzintank hätte Rekordsparfahrer Reiner Zietlow, der den Erdgas-Turbo von VW zum Jahresbeginn auf einer großen Tour quer durch Deutschland getestet hat, auch beim Passat begrüßt. "Selbst bei knackigen Minustemperaturen gab es an den Erdgastankstellen keinerlei Probleme", berichtete der Automobil-Sparmeister.

Angesichts des deutschlandweit bereits gut ausgebauten Erdgastankstellennetzes sei die Entscheidung der VW-Aggregat-Entwickler nicht ganz nachvollziehbar. Erklären lässt sich die Entscheidung trotzdem: Autobauer schielen eben nicht nur auf den deutschen Markt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: