ADAC-Pannenhelfer:"Bei so alten Autos lässt sich noch viel improvisieren"

Lesezeit: 3 min

Pannenhelfer wie Manfred Kaiser (Mitte) und Oskar Schokiwicz haben genügend Erfahrung, um die alten Fahrzeuge wieder flottzukriegen. (Foto: oh)

Bei vielen Oldtimer-Rallyes kümmert sich der ADAC um liegengebliebene Autos. Für die Pannenhelfer ist es eine willkommene Abwechslung vom Alltag. Andere unterbrechen sogar ihren Ruhestand dafür.

Reportage von Marco Völklein

Nach etwas mehr als einer halben Stunde Bastelei ist sich Jürgen Kowallick sicher: "Anschieben brauchen Sie den heute nicht mehr", ruft er. "Sicher?", fragt Fahrer Wolfgang Heubeck. "Ganz sicher", schallt es von unter dem Auto zurück. Kowallick hat eine Matte ausgebreitet und sich tief unter den Porsche 914 von Wolfgang Heubeck gelegt. Der 100-PS-Wagen, Baujahr 1974, hat einen Mittelmotor; der sitzt irgendwo zwischen den Sitzen und der Hinterachse. Um an den Anlasser heranzukommen, muss Kowallick einige Verrenkungen vollführen. Immer wieder kriecht er unter dem Auto hervor, holt Werkzeug aus seinem gelben ADAC-Straßenwacht-Fahrzeug. Und schiebt seinen langen, schlaksigen Körper dann wieder unter den Oldtimer. Am Ende, nach einer guten halben Stunde Bastelei, ist er zufrieden. "Der läuft", sagt er.

Normalerweise schraubt Jürgen Kowallick nicht an solch alten Kisten herum. Der 54-Jährige absolviert für die Straßenwacht rund um München seinen Pannenhelfer-Dienst. Bleibt ein Mitglied liegen, schickt die Notrufzentrale des Automobilklubs Mitarbeiter wie Kowallick los. Die versuchen dann, das Auto wieder flott zu machen. Das Problem ist nur: Bei vielen modernen Fahrzeugen können selbst Mechaniker-Profis wie Kowallick kaum mehr etwas ausrichten. Bei Oldtimern wie dem Porsche 914 sieht es da ganz anders aus. Und das wiederum mag Jürgen Kowallick. "Bei so alten Autos", sagt er, "da lässt sich noch viel improvisieren."

Bedrohte Einsatzkräfte
:"Unsere Pannenhelfer müssen mental robust sein"

Die "Gelben Engel" werden immer öfter beleidigt, wenn sie ein Auto flottmachen wollen. Welche Gründe das hat und wie sich das auf die Personalplanung auswirkt, schildert der Chef der ADAC-Pannenhilfe.

Interview von Thomas Harloff

Das zeigte sich auch bei der "Bavaria Historic", einer zweieinhalbtägigen Oldtimer-Ausfahrt mit Wertungsprüfungen des ADAC Südbayern. Von Bad Aibling aus gehen mehr als 70 historische Fahrzeuge auf die Strecke. Und die hat es in sich: 265 Kilometer sind allein am Samstag zu absolvieren, die Route führt unter anderem über den Achenpass tief hinein in die österreichischen Alpen. Teils relativ steile Anstiege wechseln sich ab mit rasanten Abfahrten.

Für so manchen Oldtimer ist das eine Herausforderung. Heubecks Porsche 914 zum Beispiel hatte bereits am Tag zuvor bei der ersten Etappe durch das westliche Oberbayern Probleme mit dem Anlasser. Mehrmals mussten Fahrer und Beifahrer das Auto anschieben oder nach der Mittagspause eine Strecke bergabwärts nutzen, um den Wagen wieder zum Laufen zu bringen. Nun also soll Pannenhelfer Kowallick das Problem lösen. Und tatsächlich: Den Anlasser selbst kriegt er zwar nicht wieder hin; aber mit einem langen Kabel und mehreren Klemmen fertigt er eine Überbrückung: Nun müssen Fahrer oder Beifahrer das Kabel nur noch an die Batterie halten, um den Motor zu starten. "Bei solchen Autos", sagt Kowallicks Kollege Manfred Kaiser, "kann man noch richtig was machen."

Mancher Pannenhelfer unterbricht seinen Ruhestand

Und genau das ist es, was den Pannenhelfern bei einer Oldtimer-Rallye soviel Spaß macht. Neben Kowallick und Kaiser sind auch noch Oskar Schokiwicz und Frank Schmuck bei der Bavaria Historic im Einsatz. In drei Pannenhilfe-Fahrzeugen begleiten sie den Oldtimer-Tross. Oskar Schokiwicz, genannt "Ossi", hat bereits seinen 70. Geburtstag gefeiert und war 35 Jahre als Pannenhelfer bei der Straßenwacht - an Autos aber schraubt er noch immer gerne rum. Als "Mechaniker mit Leidenschaft" beschreibt er sich selbst; "wir sind Spinner", ruft später sein Kollege Manfred Kaiser, ebenfalls schon fast 70 Jahre alt und im Ruhestand, zu ihm rüber.

Tatsächlich haben die beiden ihr gelbes Straßenwacht-Fahrzeug mit einer Menge Zusatzmaterial bestückt. Schokiwicz zieht im Fond des Wagens eine Schublade auf; zum Vorschein kommen unzählige Schrauben, Muttern und Klemmen in allen erdenklichen Größen und Längen. In einer Tüte haben die beiden Pannenhelfer ein gutes Dutzend Tank-, Öl- und Kühlerdeckel der verschiedensten Fabrikate gesammelt. "Man weiß nie, was man unterwegs brauchen kann", sagt sein Kollege Kaiser. Und berichtet, dass es schon mal vorkomme, dass er sich bei einem Sonntagsspaziergang nach einer rostigen Schraube bückt, die auf dem Weg liegt.

52 Pannenhelfer-Einsätze an zweieinhalb Tagen

Und tatsächlich dauert es gar nicht lange, da müssen Schokiwicz und Kaiser dem Fahrer eines Ford Taunus P3, Baujahr 1962, mit einem Bauteil aus ihrem Fundus aus der Klemme helfen. Das Auto, von Kennern auch "Badewanne" genannt, hat unterwegs eine Mutter am Auspuffkrümmer verloren, der Motor macht einen Riesenlärm. "Und er zieht nicht mehr richtig", sagt dessen Besitzer Michael Mertens. Schokiwicz kramt in seiner Schublade und findet schließlich eine passende Mutter, um die Schelle wieder zu befestigen. "Fall erledigt", ruft Kaiser. Und wendet sich bald darauf dem nächsten Pannenfall zu, einem Mercedes 220 SE Coupe von 1961.

Auf insgesamt 52 Pannenhelfer-Einsätze kommen die vier Mechaniker allein an den zweieinhalb Tagen rund um Bad Aibling. Ihr Fachwissen ist aber auch andernorts gefragt: Schokiwicz etwa war schon bei Oldtimer-Veranstaltungen in Berlin und Hamburg im Einsatz, ebenso bei Rundfahrten im Schwarzwald oder in Italien. Dort trifft er stets auf alte Bekannte: "Da sind ja viele Autos dabei, auf denen ich gelernt habe", erzählt er. Über die Zeit habe er einiges an Erfahrung gesammelt. "Wir haben gewusst, wie anfällig die waren."

Kurz darauf treffen Schokiwicz und Kaiser erneut auf Mertens und seine "Badewanne". Die steht am Straßenrand, Mertens berichtet von lauten Geräuschen an der Hinterachse. Pannenhelfer Kaiser legt sich unter den Ford und ertastet auslaufendes Öl am Differenzial. Machen kann man da nichts mehr, ein Abschleppwagen muss kommen. Schokiwicz kennt das: "Das hatten die alten Straßenwacht-Fords in den Sechzigerjahren auch." Wenn da das Öl auslief, "hörten die sich an wie eine alte Kaffeemaschine".

© SZ vom 09.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Sachsen Classic und Espresso Rallye
:Oldtimerfahren, ein Hightech-Sport

Wenn alte Autos auf Ehrgeiz und Unterbodenkameras treffen, kann aus einer gemütlichen Ausfahrt eine verbissene Angelegenheit werden. Ein Selbstversuch bei zwei Oldtimer-Rallyes.

Von Thomas Harloff

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: