Abgasskandal:Der Diesel darf nicht alle Glaubwürdigkeit verlieren

Diesel-Zapfhahn an einer Tankstelle in Berlin.

Der Abgesang auf den Diesel ist verfrüht - und unfair den Herstellern gegenüber, die wirklich saubere Selbstzünder anbieten.

(Foto: Reuters)

Ja, er ist zu großen Teilen schuld an der schlechten Stadtluft. Aber es gibt längst saubere Dieselmotoren - und die dürfen nicht mit den dreckigen in Sippenhaft genommen werden.

Kommentar von Joachim Becker

Das ist kein Nachruf auf den Diesel. Obwohl es genug Gründe dafür gäbe. Zum Beispiel immer neue Horrormeldungen über Zehntausende vorzeitige Todesfälle aufgrund der schlechten Luft in den Städten. In Bezug auf die Stickoxid-Belastung ist der Schuldige unstrittig: Diesel mit völlig unzureichender Abgasreinigung. Nicht nur Altautos reißen die Limits des Vertretbaren, sondern auch Euro-6-Diesel. Unabhängige Prüforganisationen konstatieren immer wieder exorbitante Grenzwertüberschreitungen. In der Praxis stoßen selbst fabrikneue Selbstzünder gut fünfmal mehr Stickoxid aus, als der Grenzwert von 80 Milligramm pro Kilometer zulässt. Der monoton wiederholte Verweis auf den bestandenen NEFZ-Normtest hilft auch Renault-Modellen nicht weiter, die auf der Straße durch mehr als zehnmal schlechtere Werte auffallen. Wer einen vermeintlich sauberen Neuwagen kauft, wird so vorsätzlich in die Irre geführt.

Autos, die nur auf dem Prüfstand sauber sind, belasten nicht nur die Stadtluft, sie verpesten auch das Diskussionsklima. Und verhindern eine nachhaltige Lösung für die Umwelt. Diesel sind in der Regel 20 Prozent verbrauchsärmer als Benziner. Bei SUV- und Crossover-Modellen, die alles andere als leicht und windschnittig sind, ist der Verbrauchsvorteil meist noch größer. Wer die Klimaerwärmung ernst nimmt und auf das Auto nicht verzichten will, kommt um den Diesel zumindest in den nächsten Jahren nicht herum.

Trotzdem wenden sich Privatkunden immer stärker vom Ölbrenner ab. Aus Angst vor Einfahrverboten und dem daraus folgenden rapiden Wertverlust ihres Neuwagens. Das zeigt eine neue Studie des CAR-Centers der Universität Duisburg-Essen. Zur allgemeinen Verunsicherung tragen auch Sensationsmeldungen bei, die einen baldigen Exitus des Diesels behaupten. Anders als ein Zeitungsbericht suggeriert, will zum Beispiel Volvo-Chef Hakan Samuelsson den Diesel von 2023 an nicht abschaffen. Richtig ist, dass auch die Schweden ihren relativ neuen Vierzylinder-Motor durch Abgasnachbehandlungssysteme fit für die nächsten Normen Euro 6c (Ende 2017) und 6d (2020) machen. Um die CO₂-Vorgaben zu erfüllen, kann auch Volvo in der nächsten Dekade nicht auf den Diesel verzichten.

Um so wichtiger ist, dass der Selbstzünder jetzt nicht alle Glaubwürdigkeit verliert. Zum Beispiel durch eine blaue Plakette, die allen Euro-6-Dieseln einen Persilschein ausstellt. Stattdessen muss die Politik Transparenz schaffen und konsequent saubere von dreckigen Modellen trennen. Denn es gibt einige Diesel, die in Praxistests schon jetzt sehr gut abschneiden. Warum sollten deren Hersteller mit den schwarzen Schafen in Sippenhaft genommen werden, statt für ihre Leistungen belohnt zu werden? Nur so lässt sich das Vertrauen der Kunden wiedergewinnen - und nicht durch pauschale Einfahrtverbote für alle Diesel.

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