Abgas-Skandal:Renault Espace überschreitet Stickoxid-Grenzwerte massiv

  • Die Deutsche Umwelthilfe hat ein "auffälliges Muster" bei einem Renault-Dieselmodell entdeckt, bei dem Stickoxid-Grenzwerte um das bis zu 25-Fache überschritten worden seien.
  • Selbst bei Volkswagen-Modellen seien solche Ausschläge nicht gemessen worden, hieß es.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die Deutsche Umwelthilfe ist vorsichtig geworden. Kein Wort werde man über absichtliche Abschalteinrichtungen verlieren, sagt Umwelthilfe-Chef Jürgen Resch. Der "Klagedruck" sei so hoch, dass am Ende eine "Abschaltvorrichtung für uns" herauskommen könne. Die Autoindustrie wehrt sich.

Bei seinem neuesten Fall spricht der Umweltverband deshalb nur noch von einem "auffälligen Muster". Aufgetreten ist es bei einem Renault Espace, aktuelle Modellgeneration, 1,6-Liter-Motor, Diesel, und ja: Auffällig ist es. Im Prüfstand der Berner Fachhochschule habe man das Fahrzeug mehrmals dem europäischen Standardtest unterzogen, dem sogenannten Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ). Die Prüfer wollten herausfinden, ob es die vorgeschriebenen Stickoxid-Grenzwerte einhält.

13- bis 25-fache Überschreitung der Grenzwerte

In einigen Fällen klappte das, der Renault blieb deutlich unter dem Grenzwert von 80 Milligramm je Kilometer. Allerdings nur, wenn er kalt war und am Vortag entsprechend vorbereitet wurde - etwa durch die Beseitigung aller Öl-Rückstände aus dem Motor. "Und am nächsten Morgen, oh Wunder, ist das Auto sauber", sagt Resch. Unterziehe man das Auto aber ein paar Stunden später noch einmal dem gleichen Test, mit einem dann wärmeren Motor, "dann haben Sie plötzlich 13- bis 25-fache Überschreitungen".

Bei einem Test kamen 2061 Milligramm je Kilometer heraus. Interessant ist das auch insofern, als normalerweise die Messwerte bei warmen Motoren niedriger seien als bei kalten - schließlich arbeite dann das System zur Abgasreinigung auf vollen Touren. Irgendjemand "mit übersinnlichen Fähigkeiten" müsse da seine Finger im Spiel haben, sagt Resch. Das Wort Manipulation nimmt er nicht in den Mund.

Diese Fähigkeiten müssen aber wirklich außerordentlich stark sein, denn selbst die Messgeräte machten zwischendurch schlapp - die Emissionen lagen außerhalb des Messbereichs. "Das habe ich zuletzt 1987 erlebt", sagt Axel Friedrich, einst Verkehrsexperte des Umweltbundesamtes, heute Berater. "Eigentlich ist das nicht zu erklären." Selbst bei Volkswagen-Modellen seien solche Ausschläge nicht gemessen worden. Nicht nur deshalb dürften die neuesten Enthüllungen den Wolfsburger Konzern etwas erleichtern. Erstmals ist damit ein Hersteller im Verdacht, der seine Fahrzeuge nach Deutschland importiert.

Fragwürdige Genehmigungspraxis in Europa

Die Messungen werfen abermals ein Licht auf die Genehmigungspraxis in Europa. Denn nicht unabhängige Behörden messen die Emissionen, sondern die Hersteller selbst. Damit haben sie es auch in der Hand, die Autos entsprechend vorzubereiten - rein theoretisch, versteht sich. Erst am Tag der Prüfung sind dann öffentlich zugelassene Kontrolleure dabei, etwa vom TÜV. "Es ist verrückt, dass in diesem Land der Hersteller selbst die Prüfung macht", sagt Friedrich, der diesen Missstand schon seit vielen Jahren beklagt. Bislang aber sei die Macht der Autokonzerne zu groß gewesen. "Jeder wusste es", sagt er. "Das war ein Kartell des Verschweigens." Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter spricht von einem "organisierten Versagen" bei Typenzulassung und Abgasmessungen. Es brauche endlich europaweit einheitliche Verfahren.

Erst kürzlich hatte die Umwelthilfe auch Abweichungen bei einem Opel Zafira publik gemacht. Anschließend habe man von einem Opel-Anwalt den dezenten Hinweis erhalten, man stehe nun unter besonderer Beobachtung. Opel hatte die Vorwürfe seinerzeit zurückgewiesen, mit Verweis auf den TÜV Hessen. Der habe korrekte Messwerte bestätigt.

Ähnlich konterte am Montagabend auch Renault. Alle Modelle entsprächen den vorgebenen Werten, erklärte der Konzern. Die Testverfahren in Bern seien "nicht durchgängig konform mit den Regelmessverfahren". Schnellstmöglich wolle man nun die Resultate der Umwelthilfe analysieren und aufklären. Das könnte ein hartes Stück Arbeit werden, diesmal für Renault.

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