Abarth-Sammlung Leo Aumüller:Rot-Erwerb

Es ist seine Marotte, sein Augapfel: Der Franke Leo Aumüller besitzt eine der weltweit größten Abarth-Sammlungen - ein Besuch.

Jochen Wagner

Die Augen leuchten, das Gesicht lächelt fragend, wer ihm die Zeit stehlen will, denn er hat viel Arbeit. Die blaue Montur ist die zweite Haut, die Werkstatt sein Zuhause. Es gibt eine Liebe zu Dingen, die der zu Menschen nicht nachsteht. Leo Aumüller verkörpert sie. Höflich entschuldigt er sich, dass wir warten mussten. Doch es gab Dringendes. Ein Abarth muss gerichtet werden. Es ist seine Marotte, sein Augapfel: Abarth. Genannt nach dem furiosen Maestro Carlo Abarth, als Karl Abarth 1908 in Wien geboren, 1948 nach Meran übergesiedelt und fortan Erbauer von Renn- und Sportwagen mit seinem Sternzeichen, dem Skorpion. 1979 ist er gestorben.

Meo Aumüller Sammlung Abarth

Der Schönste ist das Unikat der Sammlung: der rote Abarth-Lufthansa-Renner von Chefkonstrukteur Mario Colucci

(Foto: Foto: Wagner)

So lustwandelt der Besucher zunächst zwischen Karosserie gewordenen Träumen. Er habe ohnehin nichts zu sagen, nur zu zeigen, so Aumüller. Nach Ihnen, liebste Autos, bitte nach Ihnen, all Ihr Abarth, mit dieser Haltung geht er voran, öffnet die Schatzkammer seiner mechanischen Kabinettstückchen.

Aumüller, das ist quasi das Gegenmodell zur Abwrackprämie. Hier rettet ein Sammler die automobilen Gefährten vor dem methodischen Nihilismus bloßer Austauschbarkeit. Friss und wirf weg, so füllt der gierige Verzehr den Schrottplatz. Der Liebhaber aber hat zum vermeintlich abgewrackten Zeug eine lebendige Beziehung.

Leo Aumüller ist die gescheiterte Materie, ein Organ seines leibhaften Tuns. Und so sammelt, restauriert, heilt und versorgt er seit vielen Jahren Abarth-Modelle aus allen Teilen der Welt. Ein paar Helfer, wie Herbert Krause oder Georg Jäger, erwecken die mechanischen Skulpturen mit ihm zu neuem Leben. Die feixen, wenn ein Bialbero mit 115 PS in einem 1000-Kubik-Motörchen mit 220 Sachen auf kleinen Sträßchen Porschefahrern Tränen in die Augen treibt.

Ein "notorischer Schnellfahrer" als Sammler

Aumüller selbst, Jahrgang 1938, muss einst dem katholischen Obacht vor aller rasenden Sinnlichkeit entkommen sein. Der Vater, Schmied von Beruf, hat kurz vor der Hochzeit bei einem Motorradunfall ein Bein verloren. Leo weiß nach sechs Jahren Volksschule, dass Mobilität die Zukunft ist. Er radelt mit 14 täglich mehr als 20 Kilometer nach Bamberg in die Firma Müsch, eine Fiat- und Büssing-Vertretung, in die Lehre. Weil er mehr wissen will, geht er nach zwei Gesellenjahren, schaut sich in Deutschland um, besucht die Autowerke, arbeitet in einer Stuttgarter Fiat-Vertretung und kommt dort erstmals mit Abarth in Berührung.

Er selber fährt wie ein Teufel. Ein Verkehrsgericht honoriert seine - lebenslangen - Rennsportambitionen einmal mit dem Titel "notorischer Schnellfahrer". 1964 heiratet er seine Frau Hedwig, nach dem Meister gründen sie 1965 schließlich im Steigerwald eine Fiat-Vertretung. 1978 kommt für ein paar Jahre eine MV-Agusta-Vertretung hinzu, von der noch heute eine 125er und eine 750er der legendären Marke zeugen.

Schon 1957 war Leo mit Spezl Winfried mit einem Fiat 1100 nach Monaco in den Urlaub gefahren. Mehr als 120, 125 Sachen waren aber auf der Autostrada nicht drin, als ein auf 750 Kubik getunter 600er-Fiat mit 140 km/h vorbeizog. Das war der Einbruch der Marke mit dem Skorpion in sein Leben.

1969 schließlich waren 4000 Mark für den ersten Abarth zusammen, einen 78 PS starken 850 TC auf 600er-Fiat-Basis. Nun gehörte auch Leo Aumüller zur Triba, zur Gemeinde um den legendären Tribun Carlo Abarth, Chef der Officine Abarth am Corso Marche zu Turin. Seine Rennwagen holten mehr als 600 Siege unter Fahrern wie Hans Herrmann, Kurt Ahrens, Jochen Neerpasch, Toni Fischhaber, Eberhard Mahle, Johannes Ortner, Peter Schetty, Klaus Steinmetz oder auch Ernst Furtmayr, Johannes Ortner und Jochen Rindt.

Selbst Fiat ruft, wenn ein Abarth gebraucht wird

Gerade mal vier Sammler weltweit sind vergleichbar süchtig und kompetent. Ein Schweizer, ein Franzose, ein Japaner und eben Aumüller. Die Freunde helfen einander und als Leihgeber vielen Ausstellungen. Selbst der Fiat-Konzern ruft an, wenn er eine singuläre Devotionalie braucht. Dabei hat Fiat den Vertrag mit Aumüllers Vertretung schon 2000 gekündigt. Doch eine treue Liaison braucht kein Papier.

Aumüller verfügt nicht nur über fast 40 Abarth in seiner Sammlung, sondern über ein einzigartiges Arsenal an Ersatzteilen. Für jedes Modell, so sein Ideal, muss alles einmal da sein - bis zum Sportauspuff, der neben Weber- oder Dell'Orto-Vergasern beim Tuning an Motor und Chassis einen Abarth erst zum Abarth machte. Wie Menschen können nur befreite Motoren richtig atmen. Und so entkorkt ihr heißer bollernder Sound das zugestopfte Dasein.

Psychologisch mag man angesichts des Sammlers von einer Neurose sprechen, gassenhauerisch von einem Sprung in der Schüssel. Aber was weiß der Ahnungslose von der Leidenschaft. "Wenn ich eine solche Begeisterung in mir spür, habe ich keine Gewalt", sagt Aumüller. Seine Passion, eine Antithese zu Amoklaufen oder Komasaufen, formt mit den Autos sich selbst. Er ist ein Könner, voll gefühltem Wissen, voll Erfahrung und bis heute voll Neugier auf der Suche nach neuen Baustellen.

Vom schmucken Ausstellungsraum und der geschäftigen Werkstatt ist die Festplatte im Herz des Besuchers eigentlich schon voll. Nun lotst der Hausherr uns noch zu seinem Privathaus. Ein paar unscheinbare Türen tun sich auf und dann bricht der Schein brachialer Opulenz über sprachlos staunende Kindsköpfe herein. Dass ein Mensch so was zusammenkriegt? Längs und quer parkiert, auf Millimeter bugsiert stehen hier 30, 35 Abarth. Alle tadellos in Schuss, ohne Staub, eine Pracht neben der anderen.

Liebevolle Bescheidenheit wird zelebriert

"Sie sind alle fahrbereit", wehrt Aumüller, der Carlo Abarth nie getroffen hat, dezent jeden Verdacht ab, der gar nicht auffliegen könnte: 500er-, 600er-, 750er-Fiats, Abarth-Bialbero, Abarth 850, 1000, 1300, 1600, 2000, 3000, Spider, Coupés, OT-Coupé, daneben aber auch Prototypen wie der Fiat 3000 oder Autobianchi A 112, 1000 TC Corsa, 695 SS, Simca 1300, Simca 2milla, Simca 1300 GT, Porsche 356 Sonderserie Abarth Carrera (nur 21 Stück gebaut), ein winziges Zagato Abarth-Coupé, und wie die vielfach auf Fiat-Basis getunten Spielzeuge alle noch heißen.

Das Schönste ist wohl das Unikat des roten Abarth-Lufthansa-Renners von Chefkonstrukteur Mario Colucci. Dazu Regale über Regale, nagelneu strahlende Ersatzteile, Schätze und Devotionalien wohin man schaut.

Leo Aumüller zelebriert statt Lifestyle liebevolle Bescheidenheit, innen drinnen freilich lodert ein Feuer. Ja, der Leo, das ist ein Macher, ein Poet mechanischer Gedichte. Stimmt der Anlass, dann leuchtet seine Berserkerlust verschmitzt auf: Tochter Christine fährt zur Abschlussfeier ihres Maschinenbaustudiums mit seinem roten Lancia Stratos vor. Sie, Schwester Helga, ebenfalls Maschinenbauingenieurin, und Margit werden einmal das Lebenswerk der Eltern weiterführen. Bis dahin macht Aumüller, besessener Sammler aller Abarth, weiter, tutta la famiglia, Poesien auf vier Rädern.

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