Versichert trotz Unfallflucht:Versicherungsschutz fällt künftig nicht automatisch weg

Unfallflucht kann ein Strafverfahren nach sich ziehen. Außerdem erlischt der Kaskoschutz eines Fahrers, der sich unerlaubt aus dem Staub macht. Aber nicht immer, wie der BGH jetzt geurteilt hat.

Wolfgang Janisch

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Konsequenzen einer Unfallflucht für Autofahrer abgemildert. In leichteren Fällen fällt der Versicherungsschutz künftig nicht mehr automatisch weg. Bisher galt nämlich: Wer sich davonmacht, ohne die Polizei oder den Geschädigten verständigt zu haben, riskierte nicht nur ein Strafverfahren. Nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen büßte er zwingend auch den Schutz seiner Kaskoversicherung ein. (Az: IV ZR 97/11)

Geklagt hatte ein Autofahrer, der in einer Nacht im Juli 2008 seinen VW Touareg auf einer Landstraße bei Hoyerswerda gegen einen Baum gesetzt hatte. Schuld waren drei aus dem Dunkel auftauchende Rehe, so wenigstens hat er es später berichtet. Der Baum war lädiert, vor allem aber hatte der Fahrer selbst den Schaden - 27 000 Euro. Zunächst machte er alles richtig und blieb lange genug am Ort des Geschehens (auch, weil er auf den ADAC warten musste). Denn in solchen Fällen gilt eine Wartefrist, selbst wenn es nur einen Baum erwischt hat. Deren Dauer hängt vom Einzelfall ab: Bei einem Schaden unter 1000 Euro hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz eine Viertelstunde als zu kurz erachtet, während dem OLG Düsseldorf eine halbe Stunde genügte.

Den Fehler beging der Fahrer zuhause

Zuhause beging der Fahrer allerdings einen Fehler. Er rief lediglich seine Versicherung an. Nach dem Strafgesetzbuch hätte er aber entweder die Polizei oder das für den Baum verantwortliche Straßenverkehrsamt verständigen müssen - und zwar "unverzüglich". Ein Strafverfahren wurde zwar eingestellt. Aber aus Sicht der Versicherung hatte er gegen Klauseln verstoßen, wonach er die "erforderlichen Feststellungen" ermöglichen müsse. Sie strich ihm den Kaskoschutz.

Dem BGH war diese Wortklauberei dann doch zu kleinlich: "Was hat die Versicherung davon, wenn der Autofahrer nachts auf den Anrufbeantworter des Straßenverkehrsamts spricht?", fragte die Senatsvorsitzende Barbara Mayen. Den Interessen der Versicherung sei doch eher gedient, wenn sie verständigt werde, um das Nötige zu veranlassen. Was das sein könnte, erläuterte Thomas von Plehwe, Anwalt des Fahrers: Ein Anruf bei der Polizei, um eine Blutprobe zu veranlassen - falls eben doch nicht die Rehe von Hoyerswerda schuld gewesen sein sollten.

Gewonnen hat der Fahrer damit noch nicht, der BGH verwies den Fall an das OLG Dresden zurück. Das wird nun prüfen müssen, ob der Kläger wirklich "unverzüglich" telefoniert hat. Bei nächtlichen Unfällen halten die Gerichte - wenn die Wartefrist eingehalten wurde - einen Anruf am nächsten Morgen für ausreichend. Bis 9.30 Uhr, meinte ein Gericht, nicht erst nach 11.15, urteilte ein anderes. Denn die verzögerte Nachricht darf die Beweislage nicht eintrüben. Und irgendwann ist Alkohol im Blut eben nicht mehr nachweisbar.

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