Speicherung von Bordcomputerdaten:Der Spion in meinem Auto

Notrufsystem eCall in Autos.

Neuwagen müssen von 2015 an das eCall-Notrufsystem an Bord haben. Experten befürchten einen Missbrauch der Daten.

(Foto: dpa)

Bordcomputer in Autos zeichnen Fahrdaten wie Tempo, Beschleunigung, Bremsweg oder Beladung auf. Wenn Neufahrzeuge 2015 eCall-Systeme bekommen, können sie sogar Unfälle melden. Doch die Technik hat Schattenseiten.

Auf einsamer Landstraße kommt nachts ein Auto von der Fahrbahn ab und prallt gegen einen Baum. Bis der Unfall entdeckt wird, vergeht viel Zeit, und als der Notarzt endlich eintrifft, kann er nur noch den Tod des Fahrers feststellen. Um ein solches Szenario künftig zu verhindern, schreibt die EU ab 2015 in Neuwagen das Notrufsystem eCall vor, das bei Unfällen automatisch Hilfe ruft.

Auch der 52. Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar befasst sich mit eCall, nicht jedoch in erster Linie mit diesem Vorteil der technischen Neuerung. Denn zahlreiche Experten befürchten, das System werde ein weiterer Schritt sein auf dem Weg zum "gläsernen Autofahrer". Technologien wie eCall könnten zwar helfen, die Zahl der Verkehrstoten zu senken, schreibt zum Beispiel der Automobilclub von Deutschland (AvD). "Sie liefern aber zugleich die technische Grundlage für eine flächendeckende Überwachungsstruktur".

Fährt die NSA mit?

Der ACE Auto Club Europa fürchtet gar, "dass Autofahrer klammheimlich eine Art von NSA-Wanzen untergejubelt bekommen". Denn eCall alarmiere nicht nur Rettungsdienste und liefere Informationen zu Standort, Fahrtrichtung und Autotyp. Der Minicomputer speichere alle Daten zur persönlichen Fahrweise des Nutzers, etwa auch zur Geschwindigkeit vor dem Crash, sagt der Verkehrsjurist Christian Funk vom Deutschen Anwaltverein (DAV). "Ein Fahrer muss sich nach dem Rechtsstaatsprinzip als möglicher Unfallverursacher zwar nicht selbst belasten. Wenn die Behörden aber an Fahrdaten gelangen, wird ihm das nicht viel nützen."

Die Sammlung von Daten in Fahrzeugen sei schon heute weiter fortgeschritten als viele Autobesitzer glaubten, sagt Funk. Und nicht nur das: "Heute werden Fahrzeugdaten direkt über GPS und Internet ohne das Wissen des Fahrzeughalters im Hintergrund ausgewertet und übertragen", bemängelt der AvD. "Zugriff auf die Daten haben alleine die Fahrzeughersteller, die über die weitere Verwendung entscheiden." Im Interesse von Haltern und Fahrern müsse geregelt werden, welche Daten erhoben würden, wie lange diese gespeichert und an wen sie weitergeleitet werden dürften, fordert der Deutsche Anwaltverein.

BMW Connected Drive

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(Foto: BMW)

Gesetzliche Regelungen müssen her

Auch Automobilclubs rufen nach gesetzlichen Regelungen. Unterstützung bekommen sie vom Präsidenten des Verkehrsgerichtstages, Kay Nehm. Der Schutz der gespeicherten Daten sei unzureichend, kritisiert der frühere Generalbundesanwalt. "Es gibt bisher keine gesetzlichen Regelungen zum Datenschutz, die für das Kraftfahrzeug passen." Unklar sei vor allem, wer nach Unfällen die von Bordcomputern gespeicherten Daten zu Fahrweise, Tempo und Bremsverhalten nutzen dürfe. "Im Zweifelsfall kann das Auto dann zum Zeugen gegen den Fahrer werden", befürchtet Nehm.

Der Deutsche Anwaltverein plädiert deshalb dafür, dass Daten nicht ohne Einverständnis des Fahrers erhoben werden dürfen. Dieser müsse zudem die Chance erhalten, die Daten vor einer möglichen Weitergabe an Dritte einzusehen und auf Wunsch zu löschen. "Ohne ausdrückliche Zustimmung des Kfz-Besitzers dürfen Dritte keinerlei Zugang und keinerlei Verwertungsrechte über solche Daten erhalten", fordert auch der Verkehrsexperte des ACE, Matthias Knobloch. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GdV) sieht es ähnlich: "Alle im und vom Auto erhobenen Daten gehören dem Kunden." Erste Versicherer bieten Autofahrern unterdessen Rabatte an, wenn sie ihre Fahrweise elektronisch kontrollieren lassen. Weniger Versicherungsprämie zahlt allerdings nur, wem die Technik einen defensiven Fahrstil bescheinigt.

Trotz dieser Diskussionen könnte VGT-Präsident Nehm dem Datensammeln im Auto auch Positives abgewinnen, sollte es zum Streit kommen: "Der redliche Autofahrer, der heute vor Gericht bisweilen den Kürzeren zieht, weil die Beweislast gegen ihn steht, ist dann vielleicht in einer besseren Position."

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