Preissteigerungen um bis zu fünf Prozent:Öffentlicher Nahverkehr wird teurer

Die öffentlichen Verkehrsmittel werden sich um bis zu fünf Prozent verteuern. Die Preiserhöhung liegt deutlich über der Inflationsrate.

Die Tickets für Busse und Bahnen werden bei der aktuellen Preisrunde um durchschnittlich drei Prozent teurer. Damit liegt der Anstieg deutlich über der Inflationsrate von zwei Prozent für Oktober. Die Verkehrsunternehmen und Verbünde rechtfertigen die Anhebung, die in Einzelfällen mehr als vier Prozent beträgt, in einer dapd-Länderumfrage durchweg mit den gestiegenen Energiepreisen. So steht in Mittelthüringen eine Erhöhung um knapp fünf Prozent an. Auch die Verbünde im Rhein-Main-Gebiet mit 3,9 Prozent und München mit 3,7 Prozent liegen über dem Durchschnitt. Eher moderat fallen die Erhöhungen dagegen mit 2,8 Prozent im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) und im Hamburger Verkehrsverbund aus.

Der Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Jürgen Fenske, sagte, die Kosten für Diesel seien bei den Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs innerhalb eines Jahres um mehr als zehn Prozent gestiegen, die Fahrpreise dagegen um durchschnittlich etwa drei Prozent. Die Deutsche Bahn wird zum Fahrplanwechsel in vier Wochen die Preise um durchschnittlich 2,8 Prozent anheben.

Weitere Erhöhung nicht ausgeschlossen

In der Regel kommen als Gründe für die Anhebung die gestiegenen Personalkosten und andere Preistreiber hinzu. Einzelne Unternehmen und Verbünde erwägen diesmal allerdings eine weitere, allein mit dem Energiepreis begründete Preiserhöhung über die jährliche "Routine-"Anpassung" hinaus. Grundsätzlich hält etwa der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg eine "moderate Anpassung im Rahmen der Inflationsrate" für verträglich, wie eine Sprecherin erklärte. Die VBB-Preise wurden zuletzt im August um 2,8 Prozent angehoben. Im Brandenburger Verkehrsministerium wurde nicht ausgeschlossen, dass das Angebot angesichts des Kostendrucks verringert wird. Höhere Gehälter nach Tarifabschlüssen führten den Angaben zufolge dazu, dass im kommenden Jahr eine Million Zugkilometer in Berlin und Brandenburg nicht mehr bedient würden. Dafür hatte es laut VBB aber in diesem Jahr einen Zuwachs von 1,7 Millionen Zugkilometer gegeben. Die steigenden Energiekosten bremsen bislang aber nicht die Investitionstätigkeit. Im Gegenteil, hin und wieder wird die Anschaffung neuer, sparsamer Busse vorangetrieben.

Unterdessen warnte der Tarifverbund DING aus der Ulmer Gegend, die demografische Entwicklung bringe die Verkehrsunternehmen immer stärker unter Druck. So seien schon 2011 bereits 1,2 Prozent weniger Schüler befördert worden als im Vorjahr. Dies lasse sich auch nicht durch das Plus bei Berufspendlern und Studenten kompensieren. Sehr negativ bemerkbar macht sich der Schwund im ländlichen Raum in Thüringen. Dort beklagte der Fahrgastverband Pro Bahn, seit Jahren liege die Preisentwicklung deutlich über der Teuerungsrate, trotzdem seien "Angebotsverschlechterungen an der Tagesordnung". Der Verkehrsverbund Mittelthüringen hatte in der vergangenen Woche eine Preiserhöhung um knapp fünf Prozent zum Januar 2013 angekündigt.

Autofahrer steigen eher auf kleinere Wagen um

Statistisch nicht belegbar ist bislang, welchen Einfluss die gestiegenen Spritpreise auf den Fahrgastzuwachs im öffentlichen Nahverkehr der Ballungsräume haben. Der Hamburger Verkehrsverbund führte eine Studie an, nach der Autofahrer bei steigenden Spritpreisen eher auf kleinere Wagen oder das Fahrrad umstiegen als auf Bus und Bahn. "Gefühlt" gibt es den Zusammenhang allerdings. Ein Sprecher des Verkehrsverbunds der Region Hannover sprach von "vielen Umsteigern", genaue Zahlen würden aber nicht erhoben. Beim Verkehrsverbund Bremen-Niedersachsen argumentierte ein Sprecher, es sei auf die Spritpreise zurückzuführen, dass die Fahrgastzahlen in den vergangenen Jahren trotz Preiserhöhungen nicht zurückgegangen sein. In beiden Regionen stieg die Zahl der Fahrgäste zwischen 2005 und 2011 um etwa zehn Prozent.

Wer nach den Auswirkungen steigender Spritpreise auf den öffentlichen Personennahverkehr sucht, sollte nicht in erster Linie die Umsteigequote gestresster Autofahrer im Blick haben, sondern die Bilanzen gestresster Verbundmanager. Sie müssen die Energiepreissteigerungen mit Einsparungen beim Betrieb von Bussen und Bahnen kompensieren und darauf achten, dass es nicht zu teuer wird.

Steigende Fahrgastzahlen eher in Ballungsgebieten

"Bei der Zunahme der Fahrgäste im öffentlichen Personennahverkehr spielen steigende Spritpreise zwar eine Rolle. Diese ist aber nicht statistisch belegbar", sagt Lars Wagner vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Die seit Jahren kontinuierlich steigenden Fahrgastzahlen zumindest in den Städten führt der Verband auf das verbesserte Angebot und den allgemeinen Bewusstseinswandel zurück. Dem steht aber auch ein Rückgang in den ländlichen Gebieten gegenüber, der umgekehrt auf das quantitativ und qualitativ abnehmende Angebot zurückgeführt wird. "Wahrscheinlich fahren dort sogar tendenziell mehr Menschen mit dem Auto als früher, weil sie einfach keine andere Wahl haben", sagt ein Insider. Finanziell klamme Kommunen können sich Busverkehr nur leisten, wenn jedes Dorf angebunden ist. Das macht die Fahrzeiten unattraktiv für Menschen, deren Privatauto vor der Tür steht oder die als Pendler auf zügigen Transport in der Berufsverkehrszeit angewiesen sind.

50 Millionen Euro Mehraufwand für Unternehmen

VDV-Präsident Jürgen Fenske hält seinen Unternehmen zugute, dass sie die Spritpreiserhöhungen nur teilweise weitergegeben haben. "Die Dieselkosten sind bei den ÖPNV-Unternehmen innerhalb eines Jahres um mehr als zehn Prozent gestiegen. Das macht einen jährlichen Mehraufwand von über 50 Millionen Euro aus. Die Fahrpreise sind dagegen um durchschnittlich etwa drei Prozent gestiegen", rechnet er vor. An diesem Beispiel sehe man sehr deutlich, dass die zusätzlichen Kosten nicht komplett an die Fahrgäste weitergereicht würden. "Jeder, der unsere Leistungen in Anspruch nimmt, muss auch angemessen an der Finanzierung beteiligt werden."

Das Marktforschungsinstitut Quotas befragte im Rahmen des EU-Projekts USEmobility "Wechselnutzer" - Menschen in der Gemeinschaft, die in den vergangenen fünf Jahren ihre Verkehrsmittelwahl geändert haben. Dabei kam unter anderem heraus, dass die Wegekosten der zweithäufigste Wechselgrund sind - aber in beide Richtungen. So führten 41 Prozent der Befragten auch an, sie hätten sich aus Kostengründen gegen den ÖPNV entschieden. 49 Prozent entschieden sich, ebenfalls aus Kostengründen, dafür. Dritthäufigster Grund war die Fahrtdauer, die 48 Prozent zur Abkehr vom ÖPNV und nur 40 Prozent zum Umsteigen in Busse und Bahnen bewogen. Die häufigsten Wechselgründe waren übrigens Arbeitsplatzwechsel oder Umzug. Die Umweltfreundlichkeit als Umsteigegrund rangiert dagegen auf Platz sieben eher unter "Ferner liefen".

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