Mercedes SLS AMG:Benz is back

Jeder spricht in dieser Zeit von sparsamen Autos, effizienten Motoren und kleineren Autos. Gut, dass ein Hersteller den Mut für einen Sportwagen wie den SLS AMG hat.

Jahrzehntelang war Mercedes-Benz das Aushängeschild der deutschen Automobilindustrie, wahrscheinlich sogar die begehrteste Ikone der deutschen Wirtschaft. Doch die Automobilkonkurrenz wurde härter. Die Zeiten änderten sich und Daimler schwächelte, traf richtige, aber auch viele falsche Entscheidungen und vergaß bei seinen Fahrzeugen allzu oft die Emotionen.

Mercedes SLS AMG: Nicht wirlich retro, aber der Flügeltürer von einst schimmert doch durch: Mercedes SLS AMG.

Nicht wirlich retro, aber der Flügeltürer von einst schimmert doch durch: Mercedes SLS AMG.

(Foto: Foto: oh)

Das aber war gestern. Der Mercedes SLS AMG ist da - und endlich gelingt den schwächelnden Schwaben mit einem neuen Auto wieder ein wirklich großer Wurf. AMG-Chef Volker Mornhinweg ist erkältet und seine Stimme ist dünn. Doch ob krank oder nicht - seine Augen strahlen. "Dieses Auto ist einfach großartig", tönt er mit dem Brustton der Überzeugung. Schnell wird klar, dass dies keine der üblichen Marketingfloskeln aus der Automobilbranche ist, wo viele aktuell nur auf Sicht fahren und gestärkt aus der Krise hervorgehen wollen.

Mornhinweg aber kennt seinen Joker seit mehr als drei Jahren wie aus dem eff-eff: den Mercedes SLS AMG. Alle zogen an einem Strang. Die Designer rund um Gordon Wagener waren mit vollem Herz dabei und die Entwickler in Stuttgart und Affalterbach rissen sich für ihr neues Spielzeug die Beine aus. Wann hat es das zuletzt gegeben?

Mercedes hat AMG und AMG hat einen neuen Supersportwagen. Abgesehen von Porsche ist die gesamte Konkurrenz erschüttert. Audi wirft zumindest noch seinen R8 in die Waagschale, der zuletzt als Zehnzylinder-Topmodell und Tourenwagenversion R8 LMS herauskam. Im kommenden Frühjahr folgt bei Audio ein offener Spyder, auch eine Elektroversion scheint beschlossene Sache.

Ambitionierte Verkaufsziele

Von BMW hatte man einen Supersportwagen wie den SLS seit Jahren als längst überfälligen Nachfolger des M1 erwartet. Doch die Bayern spielen auf Zeit, konzentrieren sich auf effiziente Triebwerke und verschlafen dabei, eine sportliche Speerspitze ins Rennen zu schicken. Mercedes-Benz und sein dynamischer Flügeltürer freuen sich über die kaum nachvollziehbare bayrische Tatenlosigkeit und setzen hinter den SLS AMG gleich noch mehrere Ausrufezeichen. Eine offene Version kommt spätestens 2012, eine scharf gemachte Black-Series-Edition wohl noch früher. Spätere Renneinsätze nicht ausgeschlossen.

Besonders die avisierten Verkaufszahlen dürften im internationalen Premiumsegment Schrecken verbreiten. Trotz fehlender Stammkundschaft oder echter Vorgängermodelle will Mercedes vom Start weg pro Jahr mehr als 15.000 Fahrzeuge verkaufen. Wer denkt da noch ein Kleinserienspielzeug wie den Mercedes SLR? Die Sportwagenkunden zwischen Tokio, Starnberg und Bel Air reiben sich bei dem Gedanken an einen Nachfolger des legendären Flügeltürers schon seit Monaten die Hände. Im April nächsten Jahres ist es endlich soweit - die ersten Modelle werden dann ausgeliefert.

Der SLS ist so sportlich, wie man es nie von einem Mercedes erwartet hätte. Weder Frauenversteher SLK noch der offene Dauerbrenner SL oder eben der McLaren SLR konnten in den letzten Jahren echte fahrdynamische Akzente setzen. Doch beim SLS setzten die Schwaben alles auf eine Karte. Flügeltüren, Aluminiumkarosse, 6,3-Liter-V8, 571 PS und 317 km/h Spitze - das ist eine spektakuläre Ansage in Zeiten, in denen jeder Hersteller mit automobilen Windmühlen wie Euro 6, Hybridantrieb, Akkumodulen und Effizienzprogrammen zu kämpfen hat. Da kann ein Verbrauch von 13,2 Litern Super auf 100 Kilometer bei gebremster Gangart schon einmal hinten anstehen.

Ob auf dem kurvenreichen und eindrucksvollen Pazific-Coast-Highway nördlich von San Simeon oder auf der Vollgasrennstrecke Laguna Seca in der Nähe von Monterey - der SLS ist auf Straße und Strecke gleichermaßen eine Glanzbesetzung. Das Fahrwerk ist so feinfühlig abgestimmt, wie man es sonst allenfalls von Porsche oder BMW kennt. Eine präzise Lenkung, der bullige V8-Sound aus 6,3 Litern Hubraum und allzeit präsente 420 KW / 571 PS - das ist der Stoff aus dem automobile Träume geformt werden. Endlich einmal kein kraftvoller Mercedes-Cruiser, kein Objekt der Begierde für finanzstarke Gentleman-Driver, sondern ein echter Sportwagen, der seinen Namen auf jedem Kilometer unterstreicht.

Die Gewichtsverteilung mit 47:53 zugunsten der Hinterachse ist vorbildlich neutral und die Kraftübertragung dank gut abgestimmtem Doppelkupplungs-Getriebe perfekt. Das Styling lässt einen von viel mehr als dem legendären Vorgänger aus den 50er Jahren träumen.

Zurück in der Spur. Endlich

Nur am Rande stört, dass der SLS mit über 1,7 Tonnen zu viel Gewicht auf den Rippen hat und sich die Flügeltüren nicht wie von Geisterhand elektrisch öffnen. Mit einem Lächeln sieht man über kaum sichtbare Innenraumnachlässigkeiten oder die etwas zu knapp dimensionierten Sportsitze hinweg.

Einsteigen, anschallen, starten und dank 650 Nm Drehmoment 0 auf 100 km/h in 3,8 Sekunden - lange hat das nicht mehr so viel Freude wie in einem SLS AMG bereitet. Dass die Spitze bei 317 km/h - und somit bei einem km/h mehr als der deutsche Hauptkonkurrent Audi R8 V10 5.2 FSI - elektronisch abgeregelt wird, ist überflüssige Spielerei. Der SLS braucht keinen Konkurrenten scheuen, egal ob er aus Modena, Zuffenhausen, Neckarsulm, Maranello oder Sant'Agata zu Besuch kommt. Weder in Sachen Fahrleistungen noch beim Fahrwerk, der Verarbeitung oder dem Design wurden nennenswerte Kompromisse gemacht.

Selbst der Preis von knapp 180.000 Euro dürfte kaum einen Kunden verschrecken. "Wir wollen keinen elitären Sportwagen", unterstreicht Volker Mornhinweg, "sondern ein Auto, das man auch im Straßenverkehr wahrnimmt". So ganz wurde das ökologische Gedankengut bei der Entwicklung des SLS AMG übrigens nicht ausgeblendet. In diesem Winter gehen die ersten Prototypen mit Elektromotor in die Erprobung. Eine Serieneinführung könnte 2013 folgen. Mercedes ist wieder zurück in der Spur.

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