Mercedes war einmal ein Vorreiter in Sachen SUV. Zwei Jahre, bevor BMW den X5 auf den Markt brachte, fünf Jahre vor dem ersten Porsche Cayenne und gar acht Jahre früher als der Audi Q7 kam 1997 mit der M-Klasse das erste schwäbische SUV auf den Markt. Doch Mercedes versäumte es, seine Modellpalette an seichten Geländewagen nach ganz unten zu erweitern. Und sah tatenlos dabei zu, wie das Segment der Kompakt-SUVs wächst und wächst. Die süddeutsche Premium-Konkurrenz hat das früher erkannt und mit dem BMW X1 (seit 2009) sowie dem Audi Q3 (seit 2011) den Markt seit geraumer Zeit erobert.
Doch die typischen Rivalen sind nicht die einzigen Konkurrenten des Mercedes GLA. Hier tummeln sich auch der SUV-Pionier Toyota RAV4, der Nissan Quashqai, der VW Tiguan oder der Opel Mokka. All diese Modelle bringen es auf beachtliche Stückzahlen. Um sich in diesem Konkurrenzumfeld zu behaupten, muss der Daimler einiges aufbieten, zumal er bei der Preisgestaltung seinen Premiumanspruch untermauert: Die günstigste Variante, der GLA 200 mit 156 PS starkem Vierzylinder-Turbobenziner, Frontantrieb und Sechsgang-Handschaltung, kostet mindestens 29.304 Euro. Ein vergleichbarer BMW X1 oder Audi Q3 sind günstiger.
Häkchen in er Aufpreisliste
Wer es edel mag im Innenraum des GLA, muss ordentlich Aufpreis zahlen.
(Foto: Daimler AG; Global Communications Mercedes B; Daimler)Würde nur der erste Eindruck zählen, wäre Daimlers Preisgestaltung angebracht. Man muss ihn nicht schön finden, aber ein stämmiges und muskulöses Erscheinungsbild kann man dem GLA nicht absprechen. Der Innenraum präsentiert sich mit geschmackvoller Einrichtung, wenn auch die bereitgestellten Testwagen zahlreiche Ausstattungsmerkmale mitbringen, die teure Häkchen auf der Aufpreisliste erfordern. Wer beispielsweise Sitze mit echten Lederbezügen und ein mit Kunstleder verkleidetes Armaturenbrett möchte, muss mindestens 1.565 Euro für das AMG-Exklusiv-Paket investieren. Ein Navigationssystem kostet mindestens 916 Euro.
Richtig empfindlich wird es, wenn das Auto in puncto Infotainment auf dem neuesten Stand sein soll. Das "Comand"-Bediensystem bringt zahlreiche Funktionen mit (unter anderem das große Navigationssystem, Internetzugang mit vorinstallierten Apps, USB- und Bluetooth-Schnittstellen, Spracheingabe etc.), kostet aber 3.487 Euro extra. Kommen dann noch schicke Felgen, eine funkelnde Metallic-Lackierung oder die zahlreichen verfügbaren Assistenzsysteme hinzu, kann selbst der Basis-GLA locker die 40.000-Euro-Grenze knacken.
Antrieb mit Schwächen
Den Sportsgeist des Mercedes GLA kann dieser leider nicht mit Leistung untermauern.
(Foto: Daimler AG; Global Communications Mercedes B; Daimler)Von der Summe ist der hier getestete Mercedes GLA 250 4Matic mit Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe bereits in der Basisausstattung nicht weit entfernt. 37.497 Euro kostet der Allradler mindestens. Dafür gibt es einen Vierzylinder-Turbobenziner mit zwei Litern Hubraum und 211 PS. Der sprintet laut Mercedes in 7,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h, beschleunigt auf maximal 230 km/h und soll im Schnitt nur 6,5 Liter Superbenzin verbrauchen. Das lässt auf eine Menge Sportsgeist schließen, doch in der Praxis kann der 250er die Vorschusslorbeeren nicht vollends mit Leistung untermauern. Trotz seines maximalen Drehmoments von 350 Nm, das zwischen 1 200 und 4 000 Umdrehungen anliegt, lässt der aufgeladene Vierzylinder die vermutete Durchzugsstärke vermissen.
Am Gewicht kann es nicht liegen, denn mit einer Leermasse von 1.505 Kilogramm ist der GLA 250 mit Allradantrieb immerhin drei Zentner leichter als die Kontrahenten aus München und Ingolstadt. Eher erweist sich das Doppelkupplungsgetriebe als Spaßbremse. Wie schon in der A-Klasse, welche die technische Basis des GLA stellt, ernüchtert die Siebengang-Box mit selbst im Sportmodus mit langsamen Gangwechseln und seltsamen Eigenarten. Denn diese Frage muss erlaubt sein: Wozu braucht ein Automatikgetriebe einen manuellen Modus, wenn es kurz vor dem roten Drehzahlbereich eigenverantwortlich den nächsthöheren Gang einlegt? In dieser Konfiguration ist das Getriebe weit von der Qualität der Wettbewerber entfernt.
Licht und Schatten
In Sachen Fahrdynamik ergibt sich ebenfalls ein zwiespältiges Bild. Trotz seines bereits erwähnten Gewichtsvorteils verschafft sich der Mercedes in Kurven keinen spürbaren Vorteil im Vergleich zum X1 oder Q3. Gerade beim Einlenken wirkt der GLA einen Tick zu behäbig. Zudem fehlt es an Rückmeldung von der Fahrbahn. Die elektromechanische Servolenkung agiert zwar ausreichend direkt, aber zu gefühllos. Dafür bleibt das Auto lange neutral, bis sich der Grenzbereich durch sanftes Untersteuern ankündigt. Positiv fallen die souveräne Straßenlage und die harmonisch abgestimmten Regelsysteme auf. Wenn es nötig ist, greift das ESP sanft und kaum spürbar ein.
Im Wettbewerb mit Audi Q3 und BMW X1 kann sich der Mercedes GLA nicht deutlich absetzen.
(Foto: Daimler AG; Global Communications Mercedes B; Daimler)Wer nicht gerade in schneesicheren Gebieten wohnt oder regelmäßig in die Verlegenheit kommt, das schwäbische SUV ins Gelände zu entführen, sollte sich genau überlegen, ob er auf den Allradantrieb verzichtet. Der bringt nicht nur 50 Kilogramm zusätzlich ins Auto, sondern bei trockener Straße auch keinerlei Vorteile. Unter normalen Bedingungen bleiben die Hinterräder von Antriebsaufgaben verschont und sind höchstens dann sinnvoll, wenn hin und wieder ein Ampelduell gewonnen werden soll. Darüber hinaus kann der Allradantrieb, der bei Bedarf maximal 50 Prozent der Motorkraft nach hinten schickt, seine Stärken nur bei schlüpfrigem Geläuf ausspielen.
Der Diesel ist die bessere Wahl
Ein harmonischeres Gesamtbild ergibt sich übrigens, wenn der 136 PS starke Basisdiesel für Vortrieb sorgt. Der bietet fast so viel Drehmoment wie der 250er Benziner (maximal 300 Nm zwischen 1 400 und 3 000 Umdrehungen) und im direkten Vergleich ein kaum gezügeltes Temperament. Wer sich mit Vorderradantrieb und Handschaltung begnügt, kann hier richtig Geld sparen. Der Basispreis liegt bei 32.130 Euro und der Normverbrauch bei 4,3 Litern Diesel. In der Praxis sind Werte im Bereich von fünf Litern realistisch, während der GLA 250 4Matic kaum unter acht Liter zu bringen ist. Allerdings müssen Dieselfahrer akustische Abstriche machen. Das typische Nageln ist stets vernehmbar.
Ein Raumwunder darf man übrigens nicht erwarten. In dieser Disziplin macht sich die Kompaktklassen-Basis bemerkbar. In der ersten Reihe passt es noch, aber im Fond gehen die Knie schnell auf Tuchfühlung zu den Vordersitzen. Der Kofferraum lässt sich von 421 auf maximal 1.235 Liter erweitern; BMW X1 (420 bis 1 350 Liter) und Audi Q3 (460 bis 1 365 Liter) liegen auf einem vergleichbaren Niveau. Die Bedienung gibt keinen Anlass zur Klage. Alles ist logisch und gut erreichbar angeordnet, und das "Comand"-Bediensystem gehört zum Besten seiner Art.
In Bezug auf das gesamte Auto kann man das jedoch nicht konstatieren. Zu weit gerät der Mercedes GLA 250 4Matic bei Antrieb und Fahrdynamik gegenüber seinen bayerischen Gegnern ins Hintertreffen. Wer aus dem Stand die Preisführerschaft in seinem Segment übernimmt, muss die Konkurrenz direkt überflügeln. Ein Anspruch, an dem der einstige Vorreiter vorerst gescheitert ist.
Doch der Mercedes GLA kann auch anders. Nämlich dann, wenn Haustuner AMG die Finger im Spiel hat. Der Fahrbericht des 360 PS starken Mercedes GLA 45 AMG - In Kürze auf Süddeutsche.de.