Fahrbericht: Audi RS4 Avant:Für Sportwagenfans mit Familienanschluss

Die AMG-Palette von Mercedes wächst, und der neue BMW M3 hat bereits vor Marktstart einen Ruf wie Donnerhall. Da will man in Ingolstadt nicht ins Hintertreffen geraten.

Von Stefan Grundhoff

Es scheint müßig, über die Schwächen solcher Autos zu lamentieren. Wer sollte sich mit 309 kW / 420 PS und 430 Nm Drehmoment nicht zufrieden geben? Egal, ob Limousine, Avant oder Cabriolet - damit sitzt man immer in der ersten Reihe.

Fahrbericht: Audi RS4 Avant: 420-PS-Kombi: Audi RS4

420-PS-Kombi: Audi RS4

(Foto: Foto: press-inform)

Zudem sieht man den einzelnen RS4-Vertretern ihre Potenz gerade einmal auf den zweiten Blick an. Noch mehr als beim fast schon legendären Vorgängermodell ist es den Ingenieuren der quattro-Schmiede gelungen, einen Kombi auf die Beine zu stellen, der optisch kaum ein Wässerchen trüben kann.

Klar, wer genau hinschaut, bekommt - je nach persönlicher Veranlagung - beim Anblick der ausgestellten Kotflügel, der bulligen Schürzen und des mächtigen 19-Zoll-Radsatzes schon mal einen leicht verklärten Blick. Aber aufdringlich kommt der 1,7 Tonnen schwere Allradler mit Steherqualitäten nun wirklich nicht daher.

Es sind die Liebe zum Detail und der Achtzylinder-Klang, die Sportwagenfans mit Familienanschluss gleichermaßen betören sollen. "Pro Rennsitz sparen wir allein rund 18 Kilogramm", erklärt Jürgen Krauth von der technischen Entwicklung des RS4 nicht ganz ohne Stolz. Die Rennsitze passen gut, lassen den anspruchsvollen und gleichzeitig groß gewachsenen Piloten jedoch nicht nur beeindruckt zurück: Allzu umständlich sind die superleichten Recaro-Stühle zu verstellen - überwiegend manuell. Bei Gurtverlauf, Kopfstütze und der zu kurzen Oberschenkelauflage wurde am falschen Ende gespart.

Teurer Zentner

Stattdessen hätte man besser bei der vermutlich wenig genutzten, nach wie vor dreisitzigen Rückbank Gewicht einsparen sollen. Jürgen Krauth: "Insgesamt konnten wir durch zahlreiche Maßnahmen mehr als 50 Kilogramm Gewicht einsparen. Das war eine echte Herausforderung."

Ein Zentner, den man teuer bezahlen muss. Der Vorderwagen mit Kotflügeln und Haube wurde aus Aluminium gefertigt. Wer die rund 5000 Euro teuren Kohlefaserbremsen ordert, spart pro Rad nochmals wertvolle fünf Kilogramm und kommt mit einem Scheibensatz laut Audi bis zu 300.000 Kilometer weit. Unwichtig für jemanden, der monatelang einen Kasten Wasser im Kofferraum spazieren fährt.

Doch Rennsportfreunde bekommen bei solchem Leichtbau und einem Minimum an ungefederten Massen gern feuchte Augen. Die verzichten dann sogar gerne auf Seitenairbags, elektrische Fensterheber hinten oder eine Dachreling.

Die Bedeutung des am Mitteltunnel positionierten Starterknopfs erschließt sich nicht, wenn man erst den Zündschlüssel drehen muss. Der RS4 ist so oder so eine Sportskanone - mit oder ohne Knopf.

Weitere gewichtige Argumente

Wie sein überaus bulliger Vorgänger begeistert der Audi RS4 der zweiten Generation mit seinem sagenhaften Ansprechverhalten. Die "S-wie-Spaß-Taste" am seltsam abgeflachten Steuer gedrückt, und es gibt es kein Halten mehr! Das Lenkrad liegt prima in der Hand, zeigt jedoch schnell die Grenzen der Fahrdynamik.

Für Sportwagenfans mit Familienanschluss

In puncto Motorleistung und Fahrwerksabstimmung glänzt der Audi RS4. Doch die Gewichtsverteilung ist es, die den echten Motorsportfan vielleicht doch noch auf den kommenden BMW M3 warten lässt. Der schwere Achtzylinder und die Grundkonzeption der A4-Serie als Front- und Allradantriebsversion haben ihren Preis.

Die mehr als 1,7 Tonnen Gewicht teilen sich im Verhältnis 58:42 zu Lasten der Vorderachse auf. Zum Idealzustand von 50:50 fehlt somit eine ganze Ecke. Daran kann auch die auf 40:60 veränderte Kraftverteilung Richtung Heck des Quattro-Antriebs nichts mehr ändern.

Hoch hinaus

Im Grenzbereich schiebt der RS4 spürbar über die Vorderräder. Nick- und Wankbewegungen werden durch ein intelligentes Dämpfersystem minimiert: Die jeweils schräg gegenüber liegenden Dämpfer sind über einen Ölstrom miteinander vernetzt.

Das 4,2-Liter-V-8-Triebwerk mit Benzindirekteinspritzung liebt hohe Drehzahlen. Jenseits von 5000 Touren geht die Post beim RS4 erst so richtig ab, und Schluss ist hinter der 8000-Touren-Marke - auch Tourenrennwagen bieten kaum mehr. Null auf 100 km/h in 4,8 Sekunden sind ein Statement, das die Konkurrenz aus München und Affalterbach aufhorchen lässt.

Geht es mit Vollgas zur Sache, legen die Kolben des Motors umgerechnet unglaubliche 25,5 Meter pro Sekunde zurück. Bei 250 km/h wird abgeriegelt.

Der Verbrauch ist in dieser Klasse kein ernsthaftes Thema. Audi verspricht geradezu illusionäre 13,5 Liter SuperPlus auf 100 Kilometern - bei zurückhaltender Fahrweise.

Präzise, aber nicht perfekt

Besonders erwähnenswert ist das manuelle Sechsganggetriebe. Es zeigt einmal mehr, dass es keine Doppelkupplung und keine Tiptronic sein müssen, die den Fahrer auf der 20,5 Kilometer langen Nordschleife des Nürburgrings verzaubern. Die Schaltstufen fallen sanft und präzise in die gewünschte Stellung - erstmals kann ein Audi hier beim Klassensprecher BMW mithalten.

Das kann man von der Lenkung nicht sagen. Gerade im Lastbetrieb kann sie Antriebskräfte nicht ganz überspielen und lässt einen Hauch Präzision vermissen.

In den ersten fünf Monaten seit Verkaufsbeginn wurden von der RS4-Limousine laut Audi bereits 4000 Modelle verkauft. 1000 Vorbestellungen liegen zudem für Cabrio und Avant vor. Und der Marktstart in den USA steht noch an.

Während in Europa wohl in erster Linie der Avant interessierte Käufer finden sollte, werden im finanzkräftigen Ausland vermutlich vor allem Cabrio und Limousine die sportlich ambitionierten Käufer finden. In Deutschland startet der Spaß bei 69.900 Euro; der Avant kostet 2500 Euro Aufpreis, und der offene RS4 durchbricht die 80.000-Euro-Mauer deutlich.

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