Design des neuen VW Golf:Insekt mit Bundfalten

Am Anfang bestimmte die Funktion das Design des VW Golf. Der Knick in der Optik der siebten Baureihe hat zwar auch etwas mit aus der Natur abgeschauter Stabilitätstechnik zu tun. Vor allem aber sollen diese blechernen Bundfalten, Sicken genannt, ein Lebensgefühl vermitteln - ganz ähnlich wie die Oakley-Brillen.

Andrian Kreye

Nun hat also auch der VW Golf mit der siebten Baureihe solche scharf nach außen geknickten Bleche vorne drauf und an der Seite, was bei Autos immer ein wenig so aussieht, als hätte Godzilla versucht, Origami zu spielen. Genau dieser Effekt ist ja auch gewünscht, denn die Autos sollen futuristisch und aggressiv aussehen, und nicht wie ein nützlicher Gebrauchsgegenstand. Die Grundidee ist auch wirklich modern. Bionisches Design nennen sich diese futuristischen Formen, die ihre Inspiration aus der Natur beziehen und dabei oft die genialen Konstruktionsideen der Evolution abkupfern. Knickflügel zum Beispiel, die man sich beim Kondor und beim Bussard abgeschaut hat, oder die neuen Reifenprofile, für die man Katzenpfoten studierte.

Die sogenannten Sicken, wie man diese Knicke im Blech nun nennt, sorgen bei Konservendosen in enger Staffelung wie die Falten eines Insektenpanzers für Stabilität. Im Autobau stehen sie allerdings in der Tradition der Haifischflossen, Chromgrills und Spoiler. Sie sind ein Ornament, das einen modernen Zeitgeist vermitteln soll. Das darf man beim VW Golf nicht unterschätzen. Der stand immer schon für seine Zeit. Nicht umsonst nannte Florian Illies seine Gesellschaftsanalyse der bundesrepublikanischen Wohlstandskinder "Generation Golf".

Ganz am Anfang in der Geschichte des Golf, als er 1974 mit Frontantrieb und Brotkastenkarosserie den luftgekühlten Heckantrieb und die sinnlichen Roaring-20s-Kurven des Käfer ablöste, stand der Golf zunächst einmal für die Demokratisierung der Moderne. So viel strenge Funktionalität für so wenig Geld hatte es seit dem Bauhaus nicht mehr gegeben. Das passte zur Kindheit einer Generation, die überbehütet und wohlgenährt aufwuchs, nur um als Erwachsene herauszufinden, dass es nun mit dem Wirtschaftswunder vorbei und harter Pragmatismus gefordert war.

So eine Zeitenwende könnte man nun auch in den Golf VII hineininterpretieren. Allerdings ist VW reichlich spät dran mit dem scharfen Knicken, das vorige Baureihen nur andeuteten. Die Konkurrenz hat die blechernen Bundfalten schon vor Jahren eingeführt. Auch wenn da bisher kein raffinierter Insektenpanzer Pate stand, sondern ein ganz anderer Gegenstand aus dem zeitgenössischen Design - die Oakleybrille.

Knicks für die Wachstumsmärkte

Diese scharf geschwungenen Sportsonnenbrillen sehen ganz ähnlich aus wie so viele zeitgenössische Wagen der gehobenen Mittelklasse, als stammten sie aus einem jener Science-Fiction-Filme des späten 20. Jahrhunderts, als Arnold Schwarzenegger noch ein Actionstar war. Die Oakleybrille hat in unseren Breiten aber einen niedrigeren Statuswert als in den Schwellenländern, wo man sie als Zeichen ersten Wohlstands und westlichen Formenbewusstseins trägt.

Die Sicken markieren also wohl weniger den Aufbruch ins biotechnische Zeitalter, als das Zugeständnis der Autokonzerne an neue Wachstumsmärkte. Denn nirgendwo fährt man westliche Neuwagen so stolz wie in den Bric- und Wüstenstaaten. Dort aber hat man den strengen Modernismus im Design mangels Wohlstand ausgelassen. Dort ist man vom barocken Schnörkel gleich zum bionischen Knick gesprungen.

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