Debatte um Straßenverkehr:Ramsauer steuert in die falsche Richtung

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Rücksichtslos und regelwidrig gefährdet er per Zweirad den Straßenverkehr: der Kampfradler. Jedenfalls wenn man Verkehrsminister Ramsauer glauben darf. Die Zahl der Radfahrer in den deutschen Städten steigt zwar. Sie brauchen aber etwas anderes als den von Ramsauer vorgeschlagenen Fahrradführerschein.

Jan Bielicki

Jedem ist er schon erschienen, aus der Seitenstraße schießend, die falsche Spur entlangbretternd, auf Gehwegen die Fußgänger zur Seite scheuchend. In quietschbunte Kunstfaserhaut hat er sich gezwängt und den Helm für den Straßenkampf aufgeschnallt, sein Blick ist so stier, als hätte er Chemikalien eingeworfen wie Lance Armstrong - ja, das ist nicht nur ein Klischee, sondern es gibt ihn mitunter auch leibhaftig, den Kampfradler. Durch Augenschein an jeder städtischen Kreuzung zu belegen ist auch: Für viele Fahrradfahrer sind rote Ampeln nur Schmuckleuchten und Verkehrszeichen allenfalls unverbindliche Empfehlungen, nicht dringend zu beachten.

Härtere Strafen für Radfahrer? Damit wird das Problem fehlender Verkehrswege in Deutschland nicht gelöst. (Foto: dpa)

Ist also der Radfahrer das neue Risiko im Straßenverkehr, so gefährlich, dass ihn nur strenge Vorschriften und hartes Durchgreifen bändigen können? Verkehrsminister Peter Ramsauer lässt schärfere Sanktionen prüfen. An fast jedem siebten Verkehrsunfall, bei dem ein Mensch verletzt wurde, war 2011 ein Radfahrer beteiligt - zwanzig Jahre zuvor nur an jedem zehnten. Doch ein erhöhtes Unfallrisiko durch und für Radler lässt sich aus diesen Zahlen eben nicht ableiten. Sie sind vor allem Folge einer eigentlich höchst erfreulichen Entwicklung: Es sind immer mehr Menschen auf Fahrrädern unterwegs.

Dafür, dass Radfahrer aggressiver werden, findet sich in den Statistiken erst recht kein Beleg: An drei Vierteln der Fahrradunfälle ist ein Auto beteiligt, und an drei Vierteln dieser Zusammenstöße sind Autofahrer schuld. Und gar nicht dem Bild des Rambos entsprechen die Radler, die mehr als alle anderen in schwere Unfälle verwickelt sind: Kinder und Senioren.

Nun sind 614 Menschen, die 2011 mit ihren Fahrrädern tödlich verunglückten, immer noch viel zu viele. Daher spricht wenig dagegen, Verkehrsrowdys, die andere gefährden, streng zu bestrafen - ob sie nun im Auto sitzen oder auf dem Fahrrad. Denn zwar ist Radfahren in der Stadt vernünftiger als Autofahren. Radfahrer aber sind deshalb keine besseren Menschen als Autofahrer, sondern meistens sind sie mit ihnen identisch: Fast jeder setzt sich mal aufs Rad, mal ins Auto. Wer jedoch nur auf Verbote setzt, greift zu kurz und oft daneben. Helmpflicht, Nummernschild, gar Führerschein fürs Rad, all solche Einfälle würden die größten Vorteile des Fahrrads im Verkehrsmix zunichte machen: dass es so einfach, so problemlos zu nutzen ist.

Woran es vor allem liegt, dass so viele Radfahrer Regeln übertreten, beschreibt der Minister in seinem "Nationalen Radverkehrsplan" ganz richtig: Schuld sind oft die gravierenden Mängel einer Verkehrsplanung, die nur selten den Anforderungen des dichter werdenden Radverkehrs gerecht wird. Wo Radwege zugeparkt, zu schmal, zu holprig, wo Ampelschaltungen und Verkehrsführung allein auf Autos zugeschnitten sind, weichen Radfahrer fast zwangsläufig auf Gehwege und in ordnungswidrige Manöver aus. Mehr Fahrräder brauchen vor allem: mehr Platz - nicht für Kampfradler, sondern für ein sicheres Miteinander aller auf den Straßen.

© SZ vom 06.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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