Britischer Atheist erhebt Klage:Kirchgänger parken kostenlos

Einen Kirchenbesuch ohne Parkgebühren gibt es nicht überall.

Einen Kirchenbesuch ohne Parkgebühren gibt es nicht überall.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Für einen Gottesbesuch soll keiner zahlen. Daher hat die Stadt Woking in Südengland nun einen kostenfreien Sonntagsparkschein für Gläubige eingeführt. Die Atheisten wollen auch davon profitieren und pochen auf eine Gleichbehandlung.

Von Alexander Menden

Mancher Autofahrer, der in der engen Innenstadt von Woking verzweifelt nach einem Parkplatz sucht, wird es heimlich wie Moses am Ufer des Roten Meeres machen, und ein Stoßgebet gen Himmel schicken, es möge sich doch bitte bald mal eine Lücke auftun. Hat man dann endlich einen Platz gefunden, heißt es zahlen, und zwar immerhin umgerechnet 1,40 Euro die Stunde - auch sonntags. Für jene, die nicht nur im Auto beten, bedeutete das bis zum vergangenen Jahr Extrakosten: Wer in Woking mit dem Auto zum Gottesdienst fuhr, musste jedes Mal ein Parkticket lösen. Das rief wiederum Beschwerden hervor, Kirch- und Moscheegängern werde eine versteckte "Gläubigensteuer" aufgezwungen. Die Verwaltung des südenglischen Städtchens führte also eine Sonderregelung ein: Alle Glaubensgemeinschaften können ihren Gläubigen einen Sonntags-Parkschein ausstellen, der von 9.30 bis 13 Uhr von der Gebühr befreit.

Ein salomonisches Urteil? Von wegen, sagt Keith Porteous Wood. Er wollte an einem Sonntag im April in Woking parken. Dafür musste er drei Pfund bezahlen. Zwar ging es ihm da nicht anders als allen, die weniger das Bedürfnis nach spiritueller Einkehr als die Lust auf Schnäppchen am verkaufsoffenen Sonntag in die City trieb. Nun ist Mr. Wood aber Geschäftsführer der National Secular Society, des Interessenverbandes britischer Atheisten. Er witterte Diskriminierung und hat ein Anwaltsbüro damit beauftragt, in seinem Namen Klage gegen die Parkscheinregelung zu erheben. "Die Gleichbehandlung aller, unabhängig davon, was sie glauben oder nicht glauben, ist ein grundlegendes säkulares Prinzip", findet Wood. "Wir haben Klage erhoben, weil es weder legitim noch rechtens ist, wenn eine Kommunalverwaltung die Aktivitäten irgendeiner Glaubens- oder Nichtglaubensgruppe durch steuerfinanzierte Subventionen begünstigt."

Belohnung für gesellschaftliches Engagement

Die Stadtverwaltung von Woking bestreitet übrigens gar nicht, dass es sich bei der derzeitigen Lösung um eine Art "indirekter Diskriminierung" Nicht-Gläubiger handelt, wie ihr Sprecher Peter Bryant einräumt. "Aber", so Bryant, "sie gilt für alle Glaubensgruppen, nicht nur für Christen. Dadurch werden gesellschaftliches Engagement und Integration gefördert. Außerdem leisten Glaubensgemeinschaften sehr viel freiwillige Arbeit für benachteiligte Mitglieder der Gesellschaft." Die Gratis-Tickets seien mithin "ein angemessenes Mittel, um ein legitimes Ziel zu erreichen".

Ganz gleich, wie das Gericht entscheidet: Die Erfahrung zeigt, dass die harte wirtschaftliche Realität in solchen Fällen letztlich oft das ausschlaggebende Kriterium ist. In Newcastle etwa wurde eine ähnliche Ausnahmeregelung für Kirchgänger bereits abgeschafft. Aus Fairnessgründen, wie es offiziell heißt. Die Gleichbehandlung hat der Stadt allerdings auch umgerechnet gut 30 000 Euro zusätzliche Einnahmen in die Kassen gespült. Woking hingegen sind im vergangenen Jahr aufgrund seiner Kirchenfreundlichkeit geschätzte 47 000 Euro entgangen. Sollten auch hier ökonomische Erwägungen obsiegen, bliebe allen, die für ihren Kirchgang nichts extra zahlen möchten, wohl nur noch die Lösung, aufs Rad zu umzusteigen. Oder zu Fuß zu gehen.

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